Hertha-Kolumne : Hertha-Abschied ohne Applaus
Vielen verdienten blau-weißen Profis droht in Zeiten der Corona-Krise ein unwürdiges Berlin-Ende ohne Zuschauer und Fans.

Berlin - Liebend gern würde ich mit einigen Hertha-Profis noch ein paar freundliche Worte wechseln, wenn schon ein kräftiger Händedruck tabu ist. Es geht um Spieler, deren Weg ich einige Zeit begleiten konnte und die den Verein bald verlassen werden. Vedad Ibisevic (35), Salomon Kalou (34), Per Skjelbred (32) und Peter Pekarik (33) gehören zu diesem Kreis. Doch das mit dem persönlichen Abschied wird wohl nichts werden – höchstens am Handy. Für die Fans aber ist diese Situation schlimmer und den Profis droht ein eher trauriger Abgang – ohne Publikum, falls tatsächlich noch im Mai oder Juni gespielt werden könnte. Oder, im schlimmsten Fall, ohne dass die Spieler noch einmal den Rasen des Olympiastadions gerochen haben. Corona ist schuld.
Eigentlich sollten die Profis, die Berlin nun verlassen, am 33. Spieltag, also am 9. Mai, im letzten Heimspiel gegen Bayer Leverkusen verabschiedet werden. Sicherlich mit ohrenbetäubendem Lärm aus der Ostkurve, vielleicht mit einigen Sprechchören.
Vedad Ibisevic war ein Anführer, den sich jeder Trainer wünscht
Vedad Ibisevic etwa war ein Anführer, den sich jeder Trainer wünscht, ein Mentalitätsspieler, emotional und oft auch aggressiv. Eben ein Mann auf dem Rasen, kein Weichei. Oder Salomon Kalou, der einzige Weltstar, den Hertha beschäftigte. Einige seiner Tore, oft elegant und wunderschön erzielt, habe ich noch im Kopf. Wenn man ihn traf, begegnete er einem immer mit einem Lächeln. Mir persönlich fällt der Abschied von Per Skjelbred besonders schwer. Er war, das gebe ich gern zu, mein Lieblingsspieler im aktuellen Team. Sympathisch, bescheiden, locker und kommunikativ. Und auf dem Rasen ein unermüdlicher Kämpfer, dem kein Weg zu weit war.
All die Genannten hätten einen großen Rahmen beim Abschied verdient. Dass war bei Hertha bislang nur einigen Spielern vergönnt. Ein offizielles Abschiedsspiel – außerhalb des Ligabetriebs – gab es nur einmal in der jüngeren Geschichte. Am 27. Juli 2003 wurden Michael Preetz und der Isländer Eyjölfur Sverrisson mit solch einem Spiel geehrt. 35.000 Fans feierten die beiden Freunde bei einem 4:1-Sieg gegen Galatasaray Istanbul. Gänsehaut überall. Auch bei mir.
Abschiedsspiele sind immer mit vielen Emotionen verbunden, mit etwas Wehmut, weil etwas zu Ende geht, was oft mit schönen Erinnerungen verbunden ist. Viele Tränen gab es zum Beispiel im Juni 2013. 5.000 Zuschauer waren in den Jahn-Sportpark gekommen – zum Gedenken an den im November 2012 verstorbenen Brasilianer Alex Alves. Viele ehemalige Mitspieler des extrovertierten Stürmers zeigten ihr Können. Freunde der Familie und Fans hatten das Spiel organisiert.
Frank Zander ist gefordert
Zum wunderbaren Klassentreffen avancierte im März 2017 das verspätete Abschiedsspiel von Marcelinho, das eine Marketing-Agentur auf die Beine gestellt hatte. Eine Fundgrube für Geschichten auch für mich, weil 40 ehemalige prominente Profis aus der Bundesliga gekommen waren und vor 28.000 Fans im Olympiastadion spielten. Die fünf aufregenden Jahre mit dem Brasilianer liefen bei mir wie im Zeitraffer ab.
Auch das Karriereende von Rekordspieler Pal Dardai geriet sehr emotional. Sein letztes Spiel im Mai 2011 gegen den FC Augsburg (2:1), das für Hertha auch den Wiederaufstieg in die Erste Liga bedeutete, erlebten sage und schreibe 77. 188 Zuschauer. Zusatztribünen machten diese Kulisse möglich. Eine Meisterfeier kann nicht viel schöner sein.
Was aber kann man tun, um auch den Ibisevic &Co. einen würdigen Abschied aus Berlin zu verschaffen? Vielleicht auf der Homepage der Hertha hunderte Grußbotschaften der Fans veröffentlichen? Oder ich bitte meinen Freund Frank Zander, dass er ein kleines Abschiedslied komponiert? Lasst euch etwas einfallen, Hertha-Fans!