KURIER-Serie: Die Väter des Hertha-Absturzes
Für Hertha wird es schwarz, als Sandro alles schönredet
Der KURIER hat eine Rangliste des Versagens bei den Blau-Weißen erstellt. Auf Platz 8: Trainer Sandro Schwarz.

Der Niedergang von Hertha BSC deutete sich über vier Jahre an und endete mit dem Abstieg in die Zweite Bundesliga. Er ist die Folge eines kollektiven Versagens. Dennoch gibt es Protagonisten des Absturzes und Ereignisse, die den tiefen Fall beschleunigten. Die Väter des Absturzes – der KURIER hat die Rangliste des Versagens erstellt. Platz 8: Sandro Schwarz.
Die Bilanz von Sandro Schwarz, der Hertha BSC bis zum 28. Spieltag der Saison als Cheftrainer anführte, ehe er nach einem 2:5-Debakel bei Schalke 04 nach 289 Tagen im Amt entlassen wurde, liest sich natürlich wie die eines Absteigers: In 28 Ligaspielen schaffte die Mannschaft fünf Siege, sieben Remis und kassierte 16 Niederlagen. Das Torverhältnis: 33:55. Der Punkteschnitt liegt bei 0,78 pro Partie. Seit 2013 war nur Coach Tayfun Korkut schlechter (0,64). Schwarz musste gehen, als die Mannschaft auf dem letzten Tabellenplatz angelangt war.
Hinzu kommt das Aus in Runde eins im DFB-Pokal bei Zweitligist Eintracht Braunschweig (5:6 nach Elfmeterschießen). Viele andere Trainer wären mit diesem ernüchternden Arbeitsnachweis früher von ihren Aufgaben entbunden worden als Schwarz. Doch sowohl der Ende Januar geschasste Sportchef Fredi Bobic, der Schwarz als seinen Wunschkandidaten im Sommer 2022 nach Berlin geholt hatte, als auch der neue Sportdirektor Benjamin Weber und Präsident Kay Bernstein hofften, dass Schwarz den Turnaround schafft. Seine akribische und fleißige Arbeit, sein Auftreten und sein Umgang mit dem Team wurden geschätzt.
Meistgelesen
Blick in die Sterne
Tageshoroskop für Montag, 25. September 2023 – für alle Sternzeichen
Rezept des Tages
Soljanka wie in der DDR: Hier kommt das Original-Rezept
Forscher finden DAS heraus
Studie enthüllt: Wer in diesem Alter in Rente geht, stirbt früher
Simpel und echt lecker
Rezept mit Hackfleisch aus der DDR: So machen Sie Beamtenstippe mit Kartoffelbrei
Der Trainer hat den Kader von Hertha BSC zu lange überschätzt
Stellt sich dennoch die Frage: Ist Schwarz der Hauptschuldige am Abstieg von Hertha BSC? Viele, die es mit den Blau-Weißen halten, werden das nicht so sehen. Schwarz ist vor allem an den widrigen Umständen gescheitert, an der permanenten Unruhe im Verein und an einem unfertigen, unausgegorenen Kader, den ihm Bobic zur Verfügung gestellt hatte, und der von allen – inklusive Schwarz – überschätzt und zu lange schöngeredet worden ist. Zudem war der Trainer nicht in der Lage, im Abstiegskampf dem Team eine starke Siegermentalität einzuimpfen. Zu oft entschuldigte er – zumindest in der Öffentlichkeit – die schlechten Leistungen der Spieler und versprach Besserung.
Pal Dardai, der sechs Spieltage vor Saisonschluss retten sollte, was kaum noch zu retten war, bemängelte sofort den fehlenden Biss im Kader.
Schwarz sollte Hertha eine spielerische Identität verpassen
Schwarz war im Sommer vorigen Jahres wegen seiner klaren und offensiv ausgerichteten Spielweise geholt worden, die er zuvor bei Mainz 05 und zuletzt bei Dynamo Moskau mit Erfolg gezeigt hatte. Nach den chaotischen Monaten bei Hertha in der Saison 2021/22 wollte man endlich Kontinuität auf der Trainerposition. Schwarz sollte der Mannschaft eine spielerische Identität verpassen. Doch er geriet in einen weiteren personellen Umbruch in der Mannschaft mit vielen Zu- und Abgängen.
Für das vom Trainer bevorzugte 4-3-3-System benötigte er starke Flügelflitzer und einen exzellenten Mann auf der Sechserposition. Doch Bobic ließ in der Winterpause gleich vier Flügelspieler ziehen und holte nur in Chidera Ejuke einen Dribbelkünstler für die Außenbahn. Zudem wurde mit Ivan Sunjic ein Sechser vom englischen Zweitligisten Birmingham City ausgeliehen, der lediglich als Zerstörer seine Stärken hatte.
Viele bei Hertha BSC glaubten, dass es eine positive Entwicklung gibt
Dennoch bot die Mannschaft in der Hinrunde ab und an ansehnlichen, offensiv ausgerichteten Fußball. Viele glaubten, eine positive Entwicklung zu sehen. Doch die Punkte trotz guter Auftritte blieben aus und es hieß permanent: „Wir haben uns für die starken Spiele nicht belohnt.“
Als man bei RB Leipzig einen 0:3-Rückstand auf 2:3 verkürzte oder gegen Bayern München nur 2:3 unterlag, wähnten sich Trainer, Profis und Klubchefs auf einem guten Weg. Zudem gab es immer wieder auch Lob von den gegnerischen Trainern, die den Spielern wohl zusätzlich ein Gefühl der Sicherheit gaben. Auch Sandro Schwarz verwies nach Niederlagen und Unentschieden – trotz des langsamen Abrutschens in den Tabellenkeller – immer wieder darauf, dass man „in der Vergangenheit ja bewiesen hat, es besser zu können“.
Dass die ersten vier Spiele nach der Winterpause alle verloren gingen, lastete die Vereinsführung nicht Schwarz, sondern in erster Linie Fredi Bobic an, der nach dem 0:2 im Derby gegen den 1. FC Union gehen musste. Auch die Präsiden sahen, dass der Kader nicht genügend Qualität aufwies. Schwarz allerdings fühlte sich nach dem Abgang von Bobic auch zunehmend alleingelassen mit den vielen Problemen. Der neue Sportdirektor Benjamin Weber und „Zecke“ Neuendorf als Direktor Akademie und Lizenzspieler-Abteilung mussten sich in Windeseile auch erst an ihre neuen Aufgaben heranarbeiten.
Sandro Schwarz hätte mehr Einfluss auf den Kader von Hertha BSC nehmen müssen
Vielleicht muss man Sandro Schwarz, einem grundehrlichen Typen, der kein großer Rhetoriker war, vorwerfen, nicht konsequent genug Einfluss auf die Kaderplanung genommen zu haben – was allerdings bei der Geldknappheit im Klub und einem dominanten Bobic ein schwieriges Unterfangen war. Gegenüber der Mannschaft hätte er auch entschiedener Auftreten können. Der beste Platz unter seiner Regie war Tabellenrang 13.
Vielleicht hätte Schwarz, der einen Vertrag bis Sommer 2024 besaß, unter besseren äußeren Umständen, bei mehr Ruhe im Verein und mit einem qualitativ hochwertigeren Kader tatsächlich Erfolg haben können. Ein guter Trainer bleibt er und wird das sicher an anderer Stelle wieder beweisen.
Lesen Sie hier mehr über Hertha BSC