Große KURIER-Serie: Die Väter des Hertha-Absturzes
Fredi Bobic und Hertha BSC – das passte zweimal nicht zusammen
Der KURIER hat eine Rangliste des Versagens bei den Blau-Weißen erstellt. Auf Platz drei: Fredi Bobic!

Der Niedergang von Hertha BSC deutete sich über vier Jahre an und endete mit dem Abstieg in die Zweite Bundesliga. Er ist die Folge eines kollektiven Versagens. Dennoch gibt es Protagonisten des Absturzes und Ereignisse, die den tiefen Fall beschleunigten – Platz drei: Fredi Bobic!
Fredi Bobic, erster Akt: Es passierte bei der Mitgliederversammlung von Hertha BSC im Mai 2003. Manager Dieter Hoeneß verkündete freudestrahlend, dass er für die neue Spielzeit einen „26-Tore-Sturm“ verpflichtet habe, und löste großen Jubel aus. Gemeint waren die beiden bekannten Angreifer Fredi Bobic, Europameister von 1996, und Artur Wichniarek. Bobic hatte zuvor für Hannover 96 stattliche 14 Tore geschossen, der polnische Stürmer Wichniarek immerhin zwölf für Arminia Bielefeld, wo er als „König Artur“ gefeiert wurde.
Im Trainingslager im beschaulichen Tschaggungs in Österreich ließ Coach Huub Stevens die Mannschaft um Bobic geheim auf Zetteln ihr Saisonziel formulieren. Die Auswertung ergab: Erreichen der Champions League!
Wie sich herausstellte, hatten sich die Profis total überschätzt. Was folgte, war eine desaströse Saison, in der erst am vorletzten Spieltag der Klassenerhalt gesichert werden konnte. Drei Trainer, nach Stevens kam Andreas Thom und dann Hans Meyer, wurden gebraucht, um den Abstieg zu vermeiden. Fredi Bobic steuerte nur sieben Treffer bei, absolvierte aber 32 Spiele. Artur Wichniarek schoss magere zwei Tore.
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Hertha zahlte für Bobic 2,5 Millionen Euro Ablöse
In der folgenden Spielzeit, die Hertha immerhin auf Rang vier beendete, gelang beiden Stürmern nur je ein Treffer. Danach beendete Fredi Bobic das Kapitel Hertha. Immerhin war er als eloquenter Führungsspieler aufgetreten, hatte sich auch nach Niederlagen stets den Medien gestellt. Doch sportlich enttäuschte er und wurde seinem Ruf als Torjäger nicht gerecht.
Fredi Bobic, zweiter Akt: Noch größer als einst im Sommer 2003 waren die Erwartungen bei Hertha BSC und im Umfeld, als bekannt wurde, dass Bobic als neuer Manager und Geschäftsführer Sport zum Hauptstadtklub zurückkehren würde. Das passierte im Juni 2021; aus dem ehemaligen Nationalspieler war längst ein erfolgreicher und gestandener Manager geworden. Bei der Frankfurter Eintracht, die unter seiner Ägide den DFB-Pokal gewann und in Europa spielte, erarbeitete er sich zuletzt den Ruf, auf dem Transfermarkt ein ganz Großer zu sein. Hertha-Präsident Werner Gegenbauer, der Bobic mit einem üppig dotierten Vertrag ausstattete, sagte: „Bobic ist der Wunschkandidat des gesamten Vereins. Es wird eine totale Veränderung geben.“
Zuvor hatte Hertha 2,5 Millionen Euro Ablöse für den künftigen starken Mann an Frankfurt gezahlt, der alle Freiheiten erhalten sollte. Und die er auch weidlich nutzte. Kurz nach seinem Amtsantritt sagte er: „Wir brauchen bei Hertha emotionale Erlebnisse, einen Pokalsieg oder eine gute Ligasaison, die uns nach vorne bringt. Daran müssen wir hart arbeiten.“ Auch die vielen Trainerwechsel in den beiden Jahren zuvor seien zu viele gewesen, kritisierte Bobic: „Auf der Trainerposition brauchen wir Kontinuität.“
Die Realität sah aber anders aus und überholte auch die richtigen Ziele des Sportchefs. Die Bilanz von Fredi Bobic ist ernüchternd. In seiner ersten Saison als Verantwortlicher sicherte die Mannschaft erst in der Relegation den Klassenerhalt, in der zweiten Spielzeit folgte der Abstieg, den Bobic aber nicht mehr als Sportchef erlebte. Unmittelbar nach der 0:2-Niederlage im Stadtderby gegen den 1. FC Union wurde er am 18. Spieltag – es war der 28. Januar – von der neuen Klubspitze um Präsident Kay Bernstein und Geschäftsführer Thomas E. Herrich von seinen Aufgaben entbunden.
Trainer Schwarz überlebte Bobic um zehn Spiele bei Hertha BSC
Bobic hatte in der Saison 2021/22 in Pal Dardai, Tayfun Korkut und Felix Magath drei Trainer beschäftigt, von denen er Dardai und Korkut entließ. Auch sein Wunschtrainer für 2022/23, Sandro Schwarz, musste nach 28 Spielen gehen, „überlebte“ aber seinen ehemaligen Vorgesetzten um zehn Spiele.

Man muss Bobic zugute halten, dass er bei seinem Amtsantritt andere finanzielle Verhältnisse vorfand, als er erwartet hatte und ihm wahrscheinlich versprochen worden waren. Statt attraktive Zugänge holen zu können, musste er einen Transferüberschuss erwirtschaften, sollte Personalkosten einsparen und dennoch sportlichen Erfolg haben. Ein mehr als schwieriges Unterfangen. Bei all diesen Problemen drehte er dennoch den Verein auf allen Gebieten auf den Kopf, sollte und wollte zukunftsfähige Strukturen schaffen und Hertha BSC in die Moderne führen.
Bobic überforderte die Mitarbeiter von Hertha BSC
Dass all das im Eiltempo passierte, überforderte viele Mitarbeiter. Das Personal veränderte sich fulminant. Auf der Geschäftsstelle gab es plötzlich 349 Mitarbeiter (zuvor 282), allein rund um das Profiteam werkelten 36 Personen! Bobic hatte eine regelrechte Armada an Gefolgsleuten angeheuert – mehrere Analysten, einen Kaderplaner, einen neuen Chefscout, einen Technischen Direktor, einen Leiter Spielkonzeption …
So wurden viele Posten mit wohlklingenden Namen geschaffen. „Ich weiß, wie wichtig ein starkes Team hinter dem Team ist“, hatte Bobic seine vielen Zugänge begründet. Doch die Mannschaft, die auf dem Rasen stand, blieb ein unausgegoren besetztes Ensemble, dem Struktur und Siegermentalität fehlten.
Bei sportlichem Erfolg hätte man Bobic die teuren Verpflichtungen der Helfer hinter den Kulissen vielleicht durchgehen lassen. So aber stiegen – ohne jeglichen Ertrag – die Personalkosten in ungeahnte Höhen. Zudem taten sich auf der Geschäftsstelle tiefe Gräben auf zwischen den alteingesessenen Mitarbeitern und den Neuen von der Bobic-Crew.
Fredi Bobic ist mit hehren Zielen angetreten, aber auch bei seinem zweiten Versuch, bei Hertha etwas zu bewegen, gescheitert. Das zweite Kapitel aber ist noch nicht abgeschlossen, weil Bobic gegen seine Entlassung geklagt hat. Ende offen.
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