Große KURIER-Serie: Die Väter des Hertha-Absturzes

Fehlinvestitionen! Windhorsts Millionen verpuffen bei Hertha BSC

Der KURIER hat eine Rangliste des Versagens bei den Blau-Weißen erstellt. Auf Platz zwei: Lars Windhorst!

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Lars Windhorst (r.) verstrickte sich bei Hertha BSC in einen Machtkampf mit Präsident Werner Gegenbauer.
Lars Windhorst (r.) verstrickte sich bei Hertha BSC in einen Machtkampf mit Präsident Werner Gegenbauer.Andreas Gora

Der Niedergang von Hertha BSC deutete sich über vier Jahre an und endete mit dem Abstieg in die Zweite Bundesliga. Er ist die Folge eines kollektiven Versagens. Dennoch gibt es Protagonisten des Absturzes und Ereignisse, die den tiefen Fall beschleunigten. Platz zwei: Lars Windhorst!

Als im Sommer 2019 publik wurde, dass der bekannte deutsche Unternehmer Lars Windhorst (46) als Investor bei Hertha BSC einsteigt, schlug das in Fußball-Deutschland große Wellen. Das einstige Wirtschafts-Wunderkind und der Multi-Investor, eine schillernde Persönlichkeit, brachte Hertha dauerhaft in die Schlagzeilen. Für insgesamt 374 Millionen Euro erwarb Windhorst 64,7 Prozent der Anteile an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA – dem größten Einzelinvestment der Bundesliga-Geschichte. 2023 trennten sich die Wege von Windhorst und Hertha, der sportliche Erfolg blieb aus, die Mannschaft stieg ab. Die knapp vier Jahre der Zusammenarbeit waren geprägt von geplanten Höhenflügen, Millionentransfers, Streitigkeiten und Machtkämpfen. Anbei ein Protokoll der turbulenten Ereignisse.

27. Juni 2019: Für 125 Millionen Euro steigt Windhorst bei Hertha ein und erhält mit seiner Tennor-Gruppe 37,5 Prozent der Anteile an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA.

8. November 2019: Windhorst kündigt an, weitere 99 Millionen Euro zu investieren, was im November auch geschieht. Seine Anteile erhöhen sich auf 49,9 Prozent. Windhorst stehen laut Vertrag vier Plätze im neunköpfigen Aufsichtsrat der KGaA zu. Einen Platz besetzt er mit Jürgen Klinsmann als seinen sportlichen Berater. Windhorst hatte zuvor noch nie in den Fußball investiert. Aus dem Umfeld von Windhorst wird die Bezeichnung „Big-City-Club“ für Hertha publik gemacht.

Klinsmann wird Cheftrainer bei Hertha BSC

27. November 2019: Jürgen Klinsmann wird Cheftrainer der Hertha, verbleibt aber auch weiter im Aufsichtsrat.

30. Januar 2020: Hertha investiert einen Teil der Windhorst-Millionen in Spielertransfers und holt für 77 Millionen Euro Ablöse vier Profis. Kein anderer Klub gab in dieser Winter-Transferphase mehr Geld aus als Hertha BSC.

13. Februar 2020: Nachdem Klinsmann per Facebook seinen Rücktritt erklärt hat, beendet Windhorst seine Zusammenarbeit mit Klinsmann. „So etwas kann man als Jugendlicher vielleicht machen, aber im Geschäftsleben als Erwachsener sollte das nicht passieren“, sagte er über die Art und Weise des Rücktritts. Gleichzeitig teilt Windhorst mit, dass er sein Engagement bei Hertha auf mindestens zehn Jahre angelegt hat.

24. Mai 2020: Herthas Finanzchef Ingo Schiller erklärt auf der Mitgliederversammlung, dass Hertha trotz der Pandemie vergleichsweise gut dastehe – vor allem wegen der Partnerschaft mit Windhorst.

Klinsmann verkündet seinen Hertha-Abschied via Facebook

1. Juli 2020: Hertha und Windhorst geben bekannt, dass Tennor weitere 150 Millionen Euro investieren wird, die in zwei Tranchen fließen sollen. Damit erhält Windhorst 64,7 Prozent der Anteile.

14. Oktober 2020: Der ehemalige Nationaltorhüter Jens Lehmann, der im Mai für Klinsmann in den Aufsichtsrat gerückt ist, gibt eigenmächtig als Saisonziel die „Qualifikation für den europäischen Wettbewerb“ aus. Hertha-Präsident Werner Gegenbauer kontert verärgert: „Lehmann spricht über Hertha und nicht für Hertha!“

5. Mai 2021: Lehmann verliert wegen einer beleidigenden WhatsApp-Nachricht an den ehemaligen Profi Dennis Aogo seinen Platz im Aufsichtsrat.

Die Kurve bei Hertha BSC forderte früh die Trennung von Lars Windhorst.
Die Kurve bei Hertha BSC forderte früh die Trennung von Lars Windhorst.Andreas Gora/dpa

5. Juli 2021: Es gibt Aufregung wegen verspäteter Zahlungen durch Windhorst. Das bringt Probleme auf dem Transfermarkt.

13. August 2021: Windhorst überweist die letzte Tranche über 30 Millionen Euro. Damit sind insgesamt 374 Millionen Euro geflossen.

16. Februar 2022: Windhorst, frustriert vom sportlichen Misserfolg, kritisiert Herthas Führung scharf im Wirtschaftsmagazin Capital. Aus heutiger Sicht betrachte er seinen Einstieg als Fehler. „Ich habe darauf gesetzt, dass bei Hertha rational und in die Zukunft denkende Leute das Sagen haben, die auch nachhaltig Erfolg haben wollen.“ Ihm sei aber klar geworden, dass es einigen Leuten dort in erster Linie um Machterhalt und Klüngelei geht. Die Fankurve im Stadion fordert: „Windhorst raus!“

Windhorst sucht bei Hertha den Machtkampf mit Gegenbauer

10. März 2022: Die Sport-Bild berichtet, dass Windhorst eine von Tennor finanzierte Dokumentation über Hertha BSC stoppen lässt, „weil sich ein hochrangiges Mitglied der Hertha-Geschäftsführung in herabschneidender Weise über Herrn Windhorst als Investor geäußert hat“, so Tennor-Sprecher Andreas Fritzenkötter. Regisseur der Doku war der prominente englische Dokumentarfilmer Lee Hicken aus Leeds.

20. März 2022: Windhorst stellt bei Bild live öffentlich die Machtfrage: „Für mich ist klar, dass ich als Person mit Herrn Gegenbauer nicht mehr zusammenarbeiten kann und werde.“

24. Mai 2022: Einen Tag nach dem Klassenerhalt in der Relegation gegen den Hamburger SV tritt der Unternehmer Werner Gegenbauer nach 14 Jahren als Präsident zurück und gibt dem Tagesspiegel ein Interview unter der Überschrift „Windhorst hat den Verein angezündet“. Dort sagt Gegenbauer aber auch u.a. auf die Frage, ob Windhorst seinen Unmut über die sportliche Misere äußern darf: „Ein sportlicher Effekt ist aus dem Zufluss der Mittel nicht zu sehen. Das ist unsere Verantwortung, und er hat natürlich das Recht, seine Enttäuschung zu artikulieren. Über Form und Inhalt lässt sich streiten.“

29. Mai 2022: Auf der Hertha-Mitgliederversammlung spricht Windhorst zum ersten Mal. Er sagt u.a.: „Man kann mich nicht abwählen, meine Anteile stehen nicht zum Verkauf.“ Er wolle, dass Hertha extrem erfolgreich wird, und glaube an ein langes Investment. Viele Mitglieder reagieren mit Buh-Rufen.

Spionageaffäre um Windhorst bei Hertha BSC

29. September 2022: Die Financial Times berichtet, dass Windhorst eine Detektei aus Israel beauftragt haben soll, dem damaligen Präsidenten Gegenbauer mit einer Kampagne aus dem Amt zu drängen. Hertha fordert Aufklärung von Windhorst und schaltet eine Anwaltskanzlei ein. Windhorst bestreitet die Vorwürfe.

5. Oktober 2022: Windhorst erklärt die Zusammenarbeit mit Hertha für beendet und bietet seine Anteile zum Rückkauf an. Dazu ist Hertha nicht in der Lage. 777 Partners aus Miami steigt ein.

11. März 2023: Herthas neuer Investor 777 Partners aus Florida übernimmt die Anteile von Windhorsts Tennor-Holding.

14. März 2023: 777 Partners zahlt im Zuge des Einstiegs bei Hertha rund 100 Millionen Euro und erhält 78,8 Prozent der Anteile an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA.

16. März 2023: Windhorst tritt als Vereinsmitglied bei Hertha aus.

14. Mai 2023: Hertha-Präsident Kay Bernstein erklärt auf der Mitgliederversammlung das Kapitel Windhorst für beendet.

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