Hertha-Kolumne

Es macht wieder Spaß! Herthas erfrischender Mix hat Zukunft

Vor fast genau acht Monaten rief Präsident Kay Bernstein den „Berliner Weg“ aus und titulierte ihn als „strategischen Kurswechsel“. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz.

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Herthas Mix passt: Haris Tabakovic (r.) und Fabian Reese bringen Erfahrung mit, Marton Dardai (l.) Berliner Frische.
Herthas Mix passt: Haris Tabakovic (r.) und Fabian Reese bringen Erfahrung mit, Marton Dardai (l.) Berliner Frische.City-Press

Manchmal hilft ein Blick zum Nachbarn, um den eigenen Horizont zu erweitern. Das gilt auch im Fußball. So hat der berühmte Ajax Amsterdam den schlechtesten Saisonstart seit 1964 in der holländischen „Eredivisie“ hingelegt. Am Wochenende wurde der Klassiker zwischen Ajax und Feyenoord Rotterdam beim Stand von 0:3 wegen Ausschreitungen abgebrochen. Zudem entließ Ajax in Sven Mislintat (einst bei Borussia Dortmund und beim VfB Stuttgart in der Verantwortung) seinen deutschen Sportdirektor.

Der klub muss sparen und seinen Gehaltsetat senken. Dennoch bleibt Ajax ein bedeutender Name mit einer riesengroßen Tradition und einem üppig gefüllten Trophäenschrank. Der Verein ist in der Fußballwelt geachtet und bewundert – vor allem wegen seiner glänzenden Nachwuchsarbeit. Die berühmte Talentschmiede „De Toekomst“ (die Zukunft) brachte und bringt immer wieder Topspieler hervor.

Pal Dardai schwebt für Hertha BSC ein „Mini-Ajax“ vor

Warum schreibe ich das an dieser Stelle? Weil ich einst selbst viele überragende Ajax-Spieler bestaunt habe – und vor allem, weil Hertha-Trainer Pal Dardai ein großer Fan von Ajax ist. Schon vor vielen Jahren schwebte dem Ungarn ein „Mini-Ajax“ bei Hertha vor.

Seinen Visionen von einst ist Hertha zuletzt ein ganz kleines Stück näher gekommen. Möglich wurde das, weil fast auf den Tag genau vor acht Monaten Präsident Kay Bernstein den „Berliner Weg“ ausrief und als „strategischen Kurswechsel“ titulierte. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz.

Persönlichkeiten mit Hertha-DNA

Der Plan war – aus Überzeugung und auch aus finanzieller Not heraus –, Persönlichkeiten in die Verantwortung zu bringen, die die Hertha-DNA in sich tragen, und so viele Talente wie möglich aus der vereinseigenen Akademie in die Profimannschaft zu integrieren.

Die drei von der „Berliner Weg“-Stelle (v.l.): Trainer Pal Dardai, Sportchef Benjamin Weber, Boss Kay Bernstein
Die drei von der „Berliner Weg“-Stelle (v.l.): Trainer Pal Dardai, Sportchef Benjamin Weber, Boss Kay BernsteinJan-Philipp Burmann/City-Press

Mit dem Präsident Kay Bernstein, dem neuen Sportdirektor Benjamin Weber, dem neuen Direktor Akademie und Lizenzbereich Andreas „Zecke“ Neuendorf und dem Geschäftsführer Thomas E. Herrich, der seit 23 Jahren in wichtigen Funktionen bei Hertha tätig ist, stehen Herthaner an der Spitze, deren Leben schon lange mit dem Verein eng verbunden ist. Und mit Pal Dardai agiert eine Klub-Ikone als Cheftrainer.

Die Hertha-Akademie ist ein großer Trumpf

Aus der Akademie haben seit 2001 rund 80 Talente bei Hertha und später auch bei vielen anderen Vereinen den Sprung in den Profifußball geschafft. Derzeit gehört ein Dutzend Akademie-Absolventen zum Aufgebot von Pal Dardai in der Zweiten Liga. In jedem Spiel kamen bislang vier oder gar sechs Jungprofis zum Einsatz. Zum Stamm zählen Marton und Palko Dardai, Linus Gechter, Marten Winkler und Pascal Klemens.

Marten Winkler (r.) war nach der Akademie ein Jahr nach Mannheim verliehen, hat jetzt schon zweimal getroffen.
Marten Winkler (r.) war nach der Akademie ein Jahr nach Mannheim verliehen, hat jetzt schon zweimal getroffen.City-Press

Die neue, wichtige Achse bilden natürlich die externen und erfahrenen Zugänge Toni Leistner (33), Andreas Bouchalakis (30), Fabian Reese (25) und Haris Tabakovic (29), die von Talenten umgeben sind. Ich glaube, dieser erfrischende Mix besitzt Zukunft. Zuletzt hat es endlich wieder Spaß gemacht, der Mannschaft zuzusehen.

Wieder mal Stunk vor einer Mitgliederversammlung

Wenn am 15. Oktober Mitgliederversammlung ist, wird das Gros der Anhänger diesen „Berliner Weg“ garantiert weiter befürworten. Dennoch hat ein unzufriedenes Vereinsmitglied einen Antrag gestellt, Kay Bernstein und das gesamte Präsidium samt Aufsichtsrat abzuwählen.

Der Antragsteller wirft Bernstein Lügen in Bezug auf die Wahl des Hauptsponsors, den Abstieg, finanzielle Misswirtschaft und eine katastrophale Außendarstellung vor. Natürlich dürfen und sollten Maßnahmen hinterfragt werden. Die Mitglieder werden dieses Störfeuer richtig einzuordnen wissen.

Der alte Traum vom Pokalfinale im Wohnzimmer

Noch einmal zurück zu Ajax Amsterdam. 1995 sah ich das Finale der Champions League zwischen Ajax und dem AC Mailand (1:0). Beim Sieger standen sechs Profis auf dem Platz, die einst in der Talentschmiede ausgebildet worden waren: Michael Reizinger, Edgar Davids, Frank und Ronald de Boer, Clarence Seedorf und Patrick Kluivert, die alle zu Stars reiften.

Wie wäre es, wenn Hertha BSC in den kommenden Jahren das DFB-Pokalfinale im eigenen „Wohnzimmer“, dem Olympiastadion, erreicht und ein halbes Dutzend Spieler aus der Akademie in der Mannschaft steht? Auch in schweren Zeiten für den Verein ist Träumen erlaubt.