Aus und vorbei! Torwart Oliver Christensen, Stürmer Stevan Jovetic und Mittelfeldspieler Djanga Boetius trauern nach dem 1:1 gegen Bochum. Hertha BSC ist abgestiegen.
Aus und vorbei! Torwart Oliver Christensen, Stürmer Stevan Jovetic und Mittelfeldspieler Djanga Boetius trauern nach dem 1:1 gegen Bochum. Hertha BSC ist abgestiegen. imago images/Contrast

Größenwahn und größter Unfall im deutschen Fußball. Hertha BSC ist abgestiegen. Der Niedergang war absehbar und trotzdem macht er auch einen Tag nach dem 1:1 gegen den VfL Bochum fassungslos und hinterlässt so viel Trauer bei den Fans. 374 Millionen Euro verpulvert, vier Chaos-Jahre und jetzt Hunderttausende Tränen.

Das Unheil nahm am 27. Juni 2019 seinen Anfang. Finanzjongleur Lars Windhorst kaufte sich bei Hertha für 374 Millionen Euro ein und verpasste dem Traditionsverein vollmundig ein neues Label: „Big City Club“. Die Mega-Finanzspritze war das größte Investment in der Bundesliga für einen Klub. Doch statt Ruhe und Gelassenheit mit neuer Finanzpower knirschte es von Anfang an – besonders zwischen Windhorst und Ex-Präsident Werner Gegenbauer. Wie schnell soll der Erfolg kommen? Das war die Streitfrage.

Klinsmann: Turbomotor des Größenwahns

Jürgen Klinsmann forderte schnell neue Spieler, danach war er noch schneller wieder weg. 
Jürgen Klinsmann forderte schnell neue Spieler, danach war er noch schneller wieder weg.  Hübner/imago images

Das Unglück nahm seinen Lauf. Der neu installierte Cheftrainer Ante Covic war überfordert und musste gehen. Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann sollte ab November 2019 den Aufschwung bringen. Er war der Turbomotor des Größenwahns und versuchte dazu einen Machtkampf mit dem damaligen Manager Michael Preetz.

Als selbst das Präsidium neue teure Stars forderte, wurde sich Preetz untreu. Bis dahin hatte er solide mit Augenmaß gewirtschaftet. Jenseits der allgemeinen Transferregel, dass man die wichtigen Spielereinkäufe im Sommer macht, gab es die Klinsmann-Preetz-Shoppingtour im Winter 2019/20. Rund 80 Millionen Euro Ablöse plus sagenhafte Gehälter für Lucas Tousart, Kris Piatek, Matheus Cunha und Santiago Ascacibar.

Klinsmann schmiss hin, es folgten Nouri und Labbadia

Sportlich ging aber nichts voran, und Klinsmann schmiss ohne Verantwortung für den Verein im Februar hin. Nach der Episode Alexander Nouri übernahm Ehrenmann Bruno Labbadia, der wegen der Corona-Krise für den Rest der Saison gar kein Gehalt wollte.

Mit der Pandemie und wenig bis gar keinen Zuschauereinnahmen war im Sommer 2020 auch der Kaufrausch gestoppt. Dafür gingen die wichtigen Führungsspieler Vedad Ibisevic, Per Skjelbred und Salomon Kalou.

Seit Sommer 2020 kein Teamgeist mehr

Hertha hatte seit diesem Zeitpunkt keine funktionierende Mannschaft mehr. Trotzdem wurden die Prioritäten im Klub auf die nächsten hochtrabenden Projekte gelegt: „Goldelse“ zum Beispiel vom damaligen Geschäftsführer Carsten Schmidt. Nächste Krisensaison: Preetz und Labbadia wurden im Januar 2021 gefeuert. Trainer Pal Dardai kam zurück und rettete Hertha vor dem Abstieg auf Platz 15.

Ex-Manager Fredi Bobic verzettelte sich komplett bei der Kaderzusammenstellung und musste gehen – viel zu spät.
Ex-Manager Fredi Bobic verzettelte sich komplett bei der Kaderzusammenstellung und musste gehen – viel zu spät. Koch/imago images

Dann kam Fredi Bobic, doch der fand kein Geld mehr vor. Sparkurs – und bei dem verzockten er und sein Kaderplaner Dirk Dufner sich komplett in vier Transferperioden. Fehleinkäufe statt Superschnäppchen in Serie und eine irrsinnige Trainerentscheidung.

Retter Dardai entlassen, Tayfun Korkut kam und wurde fast zu spät gefeuert. 2022 rettete sich Hertha gerade noch so mit Feuerwehrmann Felix Magath in der Relegation. Den schleichenden Niedergang überlebte Gegenbauer (zusätzlich hatte Windhorst eine schmutzige Spionageaffäre gegen seinen Kontrahenten geführt) nicht mehr. Er trat ab und Kay Bernstein wurde neuer Präsident.

Bernstein schmiss Bobic und Schwarz zu spät raus

Herthas Präsident Kay Bernstein ist seit elf Monaten im Amt und hat einen Scherbenhaufen vor sich.
Herthas Präsident Kay Bernstein ist seit elf Monaten im Amt und hat einen Scherbenhaufen vor sich. Koch/imago images

Als Neuling in diesem Amt hinterfragte Bernstein die Personalentscheidungen von Bobic viel zu spät, um nicht noch mehr Unruhe in den Verein zu bringen. Gute Absicht, schlechte Resultate. Denn der installierte Trainer Sandro Schwarz hatte genauso wenig Erfolg mit einem Team, das keines mehr war und keine bundesligataugliche Abwehr mehr hatte. 

Rauswurf von Bobic und Schwarz kam viel zu spät

Die Rauswürfe von Bobic im Januar und Schwarz im April erfolgten viel zu spät. Dardai konnte in sechs Spielen nichts mehr retten. All die Bekundungen nach dem USA-Trainingslager, dass Fortschritte mit der Mannschaft erlangt wurden, hatten nichts mit der Realität zu tun. Der VfL Bochum zeigte es beim 3:1-Jahresauftaktsieg und jetzt beim 1:1-K.-o.

Über 70.000 Fans kamen zur Bundesliga-Beerdigung ins Olympiastadion und vergossen ihre Tränen. Der neue Sportdirektor Benjamin Weber sagte dankbar: „Den Fans sollte man ein Denkmal bauen.“ Hertha BSC ist dagegen ein Mahnmal. Der Verein, benannt nach einem Ausflugsdampfer, ähnelt eher der Titanic. Mit Hochmut gegen den Eisberg. Nach den Tränen geht das Zittern weiter. Hertha kämpft um die Lizenz für die Zweite Liga.

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