Theorie und Praxis : Bruno Labbadia grübelt überm Hertha-Puzzle
Die vielen Ideen des neuen Trainers müssen auf dem Rasen jetzt corona-kompatibel werden.

Berlin - Auf der ganzen Welt boomt während der Corona-Krise die Nachfrage nach Puzzle-Spielen. Auch Herthas neuer Cheftrainer Bruno Labbadia (54) puzzelt, allerdings nicht aus Langeweile in den eigenen vier Wänden, sondern weil sich die blau-weißen Einzelteile in Covid-19-Zeiten doch viel schwieriger zusammensetzen als gedacht.
„Die derzeitigen Umstände beschäftigen uns mehr als erwartet“, erklärt Labbadia im Video-Talk nach vier Trainingstagen. Obwohl er sich mit seinem Trainerteam bereits vor seinem Hertha-Antritt intensiv mit der Frage beschäftigte, wie ein vernünftiges Training trotz Corona-Auflagen möglich sei, gesteht Labbadia: „Mit Fußball hat das gerade nichts zu tun.“
Grund sind die – trotz der von der Politik erhaltenen Ausnahmeregelung – strikten Corona-Regeln, die der Senat fast täglich vor Ort kontrolliert. „Wir stehen mit dem Senat im engen und guten Austausch, bekommen sinnvolle Hinweise, die wir sofort umsetzten“, sagt Labbadia. Besonders bei Trinkpausen müssen er und sein Trainer-Team die Mannschaft immer wieder an die geltenden Abstandsregeln erinnern. „Das ist schon skurril. Wir wollen in dieser schweren Phase eng zusammenstehen, müssen uns aber über den Platz verteilen“.
Stark und Wolf wieder dabei
Weil die Anzahl der Spieler weiterhin auf drei Gruppen mit jeweils acht Profis (ausgenommen sind die Torhüter) beschränkt ist, musste Labbadia nach der Rückkehr der erneuten Quarantäne-Fälle Niklas Stark und Marius Wolf (beide 24) zwei Jugendspieler wieder aussortieren. „Da blutet mir das Herz“, erklärt er.
Noch größere Sorgen bereitet Labbadia der Übergang vom Corona-Vakuum bis zum Liga-Neustart, der weiterhin in den Sternen steht. „Klar, wir müssen alle Kompromisse schließen. Es geht darum, Liga und Klubs zu erhalten. Aber was nicht gehen wird, ist dass wir erst zehn Tage vor dem ersten Spiel ein richtiges Mannschaftstraining durchführen können“, appelliert Labbadia und erklärt: „Die Jungs waren zwei Wochen in Quarantäne, haben seit fast fünf Wochen keine Spielform geübt und keinen Zweikampf geführt.“
Problematisch sei dabei auch, dass je nach Bundesland andere Auflagen gelten: „Einige trainieren schon seit Wochen in größeren, andere weiterhin nur in Zweiergruppen.“
Keine guten Voraussetzungen für Labbadia, um seine neue Mannschaft kennenzulernen, ihr seine Philosophie zu vermitteln und vor allem, sie nach der bisher turbulenten Saison bereit für den Neustart zu machen – insbesondere im mentalen Bereich. „Als Ex-Spieler weiß ich, was drei Trainerwechsel in einer Saison mit den Jungs machen. Die Mannschaft strotzt sicherlich nicht vor Selbstvertrauen und Energie.“
Trotz der widrigen Umstände, fordert Labbadia von seinen Spielern vollen Einsatz: „Training als reine Beschäftigungstherapie können wir uns nicht erlauben. Wir müssen jede Einheit volle Pulle geben.“
Die Puzzle-Teile müssen passen.
Hertha-Trainer Bruno Labbadia
Weil Einzel- und Gruppengespräche schwer oder gar nicht möglich sind, dauert fast jede Einheit bisher zwei Stunden. „Wir müssen die Zeit auf dem Platz nutzen“, sagt Labbadia. Den Profis macht er dabei ein großes Kompliment. „Die Spieler sind sehr konzentriert, akzeptieren auch die längeren Einheiten bedingungslos, obwohl das gerade im taktischen Bereich extrem viel Input für die Köpfe ist“, lobt Labbadia.
Vom Potenzial des blau-weißen Kaders, ist er bereits nach der kurzen Zeit überzeugt. „Nur müssen wir es auch umsetzen. Dafür müssen alle Puzzle-Teile passen“, erklärt Labbadia den derzeitigen Corona-Spagat zwischen Theorie und Praxis.