Bobic krempelt Hertha um: Das KURIER-Zwischenfazit zur blau-weißen Transferpolitik
Der Sportchef nahm im Sommer fast 23 Millionen Euro ein und freut sich, dass endlich wieder ein Team auf dem Platz steht. Wer von den Neuen schlug ein oder wer enttäuschte?

Als Fredi Bobic im Sommer den Posten des Geschäftsführers Sport bei Hertha BSC antrat, eilte ihm ein Ruf wie Donnerhall voraus. Er sei ein Meister im Export-Import-Geschäft des Profifußballs. In der Tat: Bei Eintracht Frankfurt hat Bobic jahrelang exzellente Arbeit auf dem Transfermarkt geleistet. Er holte Profis vom Schlage Andre Silva oder die ob ihrer Durchschlagskraft als „Büffelherde“ bekannt gewordenen Angreifer Luka Jovic, Ante Rebic und Sebastien Haller zur Eintracht und verkaufte sie später alle drei wieder mit extrem viel Gewinn.
In Berlin begann der ehemalige Mittelstürmer sofort, den Kader radikal umzurüsten. Dabei schlug ihm viel Skepsis entgegen. Auch ich beobachtete zuerst etwas irritiert, als Bobic die Individualisten Matheus Cunha, Jhon Cordoba und Dodi Lukebakio abgab – die komplette Offensive. Ihn störten die ausgeprägten Egoismen der Stars. Er setzt stattdessen auf Profis mit starker Mentalität, die auch den Teamgedanken pflegen.
Bobic krempelt Hertha um
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Ist das Konzept aufgegangen? Nach nunmehr einem Drittel der Saison möchte ich eine erste Zwischenbilanz ziehen und habe mich informiert, wie es dem Trio Cunha, Cordoba, Lukebakio ergangen ist. Der Brasilianer Cunha, Olympiasieger von Tokio, kam bei Atletico Madrid, seiner neuen feinen Adresse, bislang wenig zur Geltung. Lediglich acht Kurzeinsätze – nie in der Startelf – stehen zu Buche und ein Tor. Noch dominieren die berühmten Platzhirsche Luis Suarez und Antoine Griezmann die Offensive bei Atletico.

Jhon Cordoba dagegen startete bei seinem neuen Klub FK Krasnodar in Russland wie eine Rakete im Weltraumbahnhof Baikonur. In seinen ersten sechs Spielen schoss er fünf Tore. Jetzt aber ist der Kolumbianer seit sieben Duellen ohne Treffer. Lukebakio, Leihgabe an den VfL Wolfsburg, fremdelt noch auf neuem Terrain. Er stand sechsmal in der Startelf, wurde fünfmal eingewechselt und kommt auf einen Assist. Mein Urteil: Bobic lag mit dem Verkauf dieser Profis auf keinen Fall falsch.
Insgesamt gab er elf Profis ab und kassierte 48,5 Millionen Euro Ablöse – allein 46 Millionen für das Duo Cunha/Cordoba. Ein Segen in finanziell komplizierten Zeiten. Für acht Zugänge gab er 25,6 Millionen Euro aus.
Bei Hertha wächst der Teamgeist
Hatte der Sportchef erneut wie in Frankfurt ein glückliches Händchen? Nach schwachem Start der Mannschaft sieht die Bilanz inzwischen freundlicher aus. Die Kampfkraft, der Teamgeist sind gewachsen – zuletzt für mich eindrucksvoll beim 1:1 gegen Leverkusen zu beobachten.

Die Neuen haben ihren Anteil daran. Angreifer Marco Richter ist ein sehr belebendes Element, ein mutiger Profi mit Kämpferherz. Mittelfeldmann Suat Serdar gehört mit seiner Kreativität zu den besten Fußballern im Team. Jurgen Ekkelenkamp, erst 21, aus der Ajax-Schule gekommen, gefiel bisher als Joker, hat Zukunft bei Hertha.
Bobic-Einkäufe schlagen ein
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Enttäuscht bin ich von Mittelstürmer Ishak Belfodil, der einst in Hoffenheim in der Saison 2018/19 in 28 Spielen stattliche 16 Tore schoss. Er wirkt noch wie ein Fremdkörper und ich glaube nicht, dass er in Berlin eine feste Größe wird. Angreifer Myziane Maolida, von dem Pal Dardai sagt, er sei ein Fantasiespieler, ist noch nicht zu bewerten. Torwarttalent Oliver Christensen, noch ohne Einsatz, übt durchaus Druck auf die Nummer eins, Alexander Schwolow, aus.

Prince Boateng, dessen Rückkehr Für und Wider auslöste, ist der Chef in der Kabine und auf dem Trainingsplatz. In der Liga blieb er bislang wegen körperlicher Defizite weit unter seinen Möglichkeiten. Bleibt der feine Edeltechniker Stevan Jovetic. Sein Treffer gegen Leverkusen war ein Sahne-Tor, einfach Weltklasse. Bleibt er von Verletzungen verschont, kann er künftig den Unterschied in engen Duellen ausmachen und ein Mann für die besonderen Momente werden.
Mein Fazit: Alle Zugänge haben Steigerungspotenzial, aber Fredi Bobic kann sich derzeit durchaus als Gewinner im personellen Umbruch sehen. Der Sportchef wird auch in den nächsten Transferperioden garantiert noch viel verändern.
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