Große Abrechnung

Boss Kay Bernstein legt Saisonziel Wiederaufstieg bei Hertha BSC erst mal auf Eis

Bei den Blau-Weißen sollen keine Luftschlösser mehr gebaut werden, sondern die Welt mit realistischen Augen betrachtet werden. 

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Will keine Luftschlösser mehr bauen mit Hertha BSC: Präsident Kay Bernstein.
Will keine Luftschlösser mehr bauen mit Hertha BSC: Präsident Kay Bernstein.dpa/Andreas Gore

Der Wunsch ist Vater des Gedankens. Natürlich möchte man bei Hertha BSC schnellstmöglich wieder zurück in die Bundesliga. Doch Herthas Präsident Kay Bernstein zeigte sich als Realist und tritt im Interview mit dem Tagesspiegel erst einmal kräftig auf die Euphoriebremse. „Für ein Saisonziel sei es einfach noch viel zu früh“, so der 42-Jährige.

Worte, die manch einem hart aufstoßen werden. Aber in ihrer Begründung schlüssig wirken. „Die sportliche Führung kann erst Anfang September ein Ziel ausrufen, wenn wir mit Ende der Transferperiode letztlich wissen, wie unser Kader aussieht.“ Anfang September sind die ersten Punktspiele auch durch, dann steht schon der 5. Spieltag im Bundesliga-Unterbau an.  

Dieser wohltuende Realismus ist anders  bei den Blau-Weißen. Anders als früher. „Wir wollen keine Luftschlösser mehr bauen und größer sein, als wir sind“, betonte Bernstein, der am 26. Juni  sein einjähriges Jubiläum als Hertha-Präsident feiert. „Wir müssen jetzt einen Schritt zurück gehen, um zwei nach vorne zu kommen. Der Apparat, der hier aufgebaut wurde, hat Europacup-Niveau, obwohl wir davon meilenweit entfernt sind. Wer da nicht alles seinen Löffel in diese Suppe getunkt und darin rumgerührt hat. Das müssen wir wieder der Realität anpassen“, lautet seine klare, leicht wütend klingende Botschaft. 

Hertha muss das Fundament neu aufbauen

Ein bisschen begreift er diesen Abstieg auch als Chance. „Wer weiß, wofür dieser Abstieg gut ist. Ein gutes Haus fängt im Keller an“, sagte er in dem Interview: „Man muss den Keller erst trockenlegen. Das ist Ergebnis des Irrsinns 2019 und 2020, als man in kurzer Zeit ganz schnell nach oben wollte“, so Bernstein. 

Nun haben die Blau-Weißen den Salat. Und das gleich doppelt. Finanziell wie sportlich. „Ein Verein, der normal gewirtschaftet hat, kann einen Abstieg auffangen, zumindest für ein Jahr. Aber hier trifft das sportliche Scheitern auf eine finanzielle Überlast“, sagte Bernstein.

Auch mit seinen Vorgängern rechnet er kräftig ab. Mit Ex-Geschäftsführer Ingo Schiller, auf desser Aussagen er sich zu sehr verlassen habe und die hinterher eben nicht gedeckt gewesen waren. Mit Ex-Präsident Werner Gegenbauer, dem er menschlich und für sein ehrenamtliches Engagement danke würde, für seine inhaltliche Arbeit aber nicht. 

Vor allem aber mit Fredi Bobic. „Es gab zu viele Leute, die sich für Führungskräfte gehalten haben, die aber nicht geführt haben,“ lautete einer seiner Kritikpunkte an die früher Verantwortlichen. Hertha sei wie eine verstaubte Börde geführt worden. Bobic, von dem sich die Hertha Ende Januar als Geschäftsführer getrennt hatte, habe Hertha „sogar noch aufgebläht, anstatt sie auf Notbetrieb zu setzen und inhaltlich neu zu strukturieren“.

Bernstein stichelt nur ein ganz klein wenig gegen den 1. FC Union

„Schiller hat gesagt: Macht euch keine Sorgen, es ist alles durchfinanziert. Also haben wir uns gutgläubig erst einmal den Strukturen gewidmet. Ja, das war naiv. Wenn ich mir etwas vorwerfe, dann, dass ich hier nicht alles von einem externen Wirtschaftsprüfer habe durchleuchten lassen“, so Bernstein selbstkritisch.

Er betonte zudem, dass mit den 374 Millionen Euro des ehemaligen Investors Lars Windhorst so viel hätte verändert werden können. „Dass man diese Chance verballert hat, ist das Schlimmste.“  Ob und wann man sich davon erholen werde, ließ er ungesagt und widerstand auch der ihm von den Fragestellern gestellten Falle, sich am 1. FC Union zu reiben bezüglich einer Rückkehr zum Status als Nummer eins der Stadt. „Darum geht es gerade nicht“, so Bernstein deutlich und ergänzte: „Das kann ich nicht sagen. Wenn ich das tun würde, würde ich den Fehler der Vergangenheit wiederholen. Ich kann nur sagen: Respekt nach Köpenick! Was Union geschafft hat, kommt einer Meisterschaft gleich. Aber ich frage mich auch: Wo sind wir gesellschaftlich gelandet, dass das Theater bei Hertha, dass Versagen und Häme höher bewertet werden als der sportliche Erfolg von Union?“

Nun gut, eine kleine Spitzen konnte er sich dann doch nicht verkneifen. Rivalität muss ja schließlich auch gelebt werden. „In Köpenick“, so Bernstein, „sind sie froh, dass wir da sind. Dadurch können sie in Ruhe arbeiten.“

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