Berliner Pokal-Derby: Hertha sehnt sich nach vielem, was Union stark macht
Stellt sich die Frage: Ist die aktuelle Hertha-Mannschaft in der Lage, Richtung Cup-Finale zu gehen?

Im Mai 2018 saß ich gebannt vor dem Fernsehapparat. Ich verfolgte die Live-Übertragung über die Ankunft von Eintracht Frankfurt, dem frischgebackenen DFB-Pokalsieger, auf dem Frankfurter Flughafen und die anschließende Triumphfahrt der Mannschaft samt Trainerstab in offenen Limousinen bis in die City. Jubelnde Menschen säumten die Straßen. Sportchef Fredi Bobic und Trainer Niko Kovac ließen sich feiern, saßen gemeinsam in einem Cabrio. Die Eintracht hatte zuvor im Finale in Berlin den großen FC Bayern mit 3:1 besiegt und viele neue Freunde in Fußball-Deutschland gewonnen.
Warum ich mich gerade jetzt daran erinnere? Ganz klar: Solch einen Autokorso mit Spielern von Hertha BSC nach einem Pokalsieg wünsche ich mir schon ewig und bin damit nicht allein. Die Sehnsucht nach einem Titel – der DFB-Pokal ist dafür noch immer der kürzeste Weg – ist in Berlin riesengroß. Jetzt nimmt Hertha einen neuen Anlauf und trifft im eigenen Wohnzimmer, dem Olympiastadion, im Achtelfinale auf den Stadtrivalen 1. FC Union. Pokalspiel und Derby – viel mehr geht nicht.
Hertha sehnt sich nach vielem, was Union stark macht
Im Sommer vorigen Jahres wechselte Fredi Bobic von der Eintracht nach Berlin. Kurz nach seinem Amtsantritt als neuer Sportchef der Hertha sagte mir Bobic in einem Interview, Hertha müsse eine „Pokalmannschaft“ werden. Das sei als Synonym für Siegermentalität gedacht, aber man brauche für die weitere Entwicklung auch emotionale Erlebnisse wie etwa einen Pokalsieg, auch um den Verein noch tiefer in ganz Berlin zu verwurzeln.
Hertha sehnt sich nicht nur nach dem Pokal, auch nach vielen Monaten im Krisenmodus endlich nach Kontinuität, nach einem gefestigten Team mit Anführern und Profis, die zu Publikumslieblingen taugen, nach Siegesserien und dauerhaftem Aufschwung. Viele Dinge, die überraschend dem bärenstarken Rivalen 1. FC Union zuzurechnen sind.

Dabei ist es nicht so, dass Hertha BSC im Pokal stets chancenlos war. Schon dreimal hatte man das Endspiel erreicht, aber war dreimal knapp geschlagen und auch recht unglücklich als Verlierer vom Platz gegangen. Die alten Recken Erich Beer, Hanne Weiner, Karl-Heinz Granitza oder Uwe Kliemann hatten 1977 gegen den 1. FC Köln und 1979 gegen Fortuna Düsseldorf wenigstens schon eine Hand am Cup. Später, 1993, waren es sensationell die Hertha-Amateure, die sogenannten Bubis, deren Siegeszug erst im Endspiel gegen Bayer Leverkusen endete. Das Einzigartige an dieser fast märchenhaften Geschichte war, dass die drittklassigen Oberliga-Spieler alle im Berufsleben standen. Es gab etwa den Elektroniker Oliver Holzbecher, den Gas-Wasser-Installateur Wolfgang Kolczyk oder die Abiturienten und Zwillinge Andreas und Oliver Schmidt.
Der Traum: Autokorso mit Herthanern am Kudamm

Das Endspiel ging mit 0:1 gegen die Profis aus Leverkusen verloren, aber die Bubis hielten ganz Berlin über Monate in Atem und stiegen zu Lieblingen auf. Libero Sven Meyer sagte mir: „Es war eine unglaubliche Zeit. Wir sind wohl bis heute die meist gefeierten Verlierer eines DFB-Pokal-Endspiels.“ Noch immer sind alle Helden von einst in einer WhatsApp-Gruppe miteinander verbunden. Solch eine Euphorie wie damals habe auch ich als Reporter in Berlin nur selten erlebt. Die ganze Stadt fieberte mit diesem Team – egal ob in Ost oder in West.
Stellt sich die Frage: Ist die aktuelle Hertha-Mannschaft in der Lage, Richtung Cup-Finale zu gehen? Trainer Tayfun Korkut und Fredi Bobic versprechen gegen Union einen großen Kampf. Bobic formulierte es so: „Solche Spiele sind das Salz in der Suppe. Für solche Momente machst du diesen Job.“ Ein Erfolg wäre ein nächster Schritt Richtung Finale.
Vielleicht muss ich im Mai dieses Jahres nicht im Fernsehen verfolgen, wenn der neue Pokalsieger nach Hause kommt. In Berlin könnte ein Autokorso mit Herthanern vom Kudamm über die Straße Unter den Linden bis zum Roten Rathaus führen. Träumen ist ja erlaubt.
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