Auch nach dem 2:0-Sieg gegen den 1. FC Köln ist das neue Wirgefühl zwischen Mannschaft und Fans zu spüren.
Auch nach dem 2:0-Sieg gegen den 1. FC Köln ist das neue Wirgefühl zwischen Mannschaft und Fans zu spüren. City-Press

In den zurückliegenden Tagen gab es einige schlechte Nachrichten für alle, die es mit Hertha BSC halten. Die erste Meldung hat nur auf den zweiten Blick mit Fußball und den Blau-Weißen zu tun. Der stadtbekannte Currywurststand von Claudia Rose (Imbiss auf der Olympischen Brücke), nur wenige Hundert Meter vom Osttor des Olympiastadions entfernt, existiert nicht mehr.

Im Moment ist nur noch der abgebaute hölzerne Rest der Bude mit dem einst maroden Charme zu sehen. Die liebenswerte Wirtin (74) hat nach 35 Jahren die äußerst leckere Wurst aus den Händen gelegt. Am Kultimbiss waren neben unzähligen Fans auch Entertainer Frank Zander, Michael Preetz, Zecke Neuendorf sowie weitere Hertha-Profis zu Gast – und regelmäßig auch ich.

Wenn ich einst mit Kollegen nach Pressekonferenzen bei Hertha auf eine Wurst oder eine Boulette zu Claudia kam, lud sie mich stets zuerst zu einem gemeinsamen Kümmerling ein. Das war ein schönes Ritual. Der Imbiss ist verschwunden und damit auch ein kleines Stück Hertha. Wird auch der Klub bald aus der Ersten Liga verschwinden – so wie die Wurstbude?

Bernstein-Effekt und ein Arbeiter als Trainer 

Die desaströsen Finanzen – das ist die zweite schlechte Nachricht – und Platz 15 in der Liga könnten an solch ein schlimmes Szenario denken lassen. Aber ich bin Optimist, vor allem nach dem gelungenen Auftritt gegen den 1. FC Köln. Was mich fasziniert hat, war der unglaubliche Zusammenhalt zwischen Fans und Mannschaft.

Daumen hoch: Präsident Kay Bernstein ist einer, der bei den Herthanern richtig gut ankommt.
Daumen hoch: Präsident Kay Bernstein ist einer, der bei den Herthanern richtig gut ankommt. City-Press/Jan-Philipp Burmann

Längst feiert nicht nur die Ostkurve die Spieler nach kämpferischen Auftritten, nach dem Abpfiff gegen Köln stand das halbe Stadion begeistert auf. Zuschauer schwenkten ihre blau-weißen Schals und der uralte Schlachtruf „Ha-Ho-He, Hertha BSC“ schallte durch die Arena. Für mich hat dieses emotionale „Wirgefühl“ mehrere Ursachen.

Zuerst ist da der Bernstein-Effekt. Die Fans sehen, dass mit Kay Bernstein einer der ihren Präsident des Vereins ist, der die Gemeinschaft beschwört. Zudem kämpft die Mannschaft vorbildlich, spielt einen besseren Fußball als in den zwei Jahren zuvor und hat mit Sandro Schwarz einen Trainer, der kein „Professor-Typ“ ist, sondern ein fleißiger Arbeiter. Das kommt an.

Christensen, Tousart und Lukebakio stechen heraus

Und man kann sich darauf verlassen, dass der Anhang besonders eng an der Seite der Profis und der Führung steht, wenn es dem Verein schlecht geht. Das war schon zu Zweitligazeiten (2010/11 und 2012/13) zu erleben, als der Zuschauerschnitt dem in Liga eins nicht nachstand.

Dieser angesichts der sportlich enttäuschenden Jahre zuvor nicht selbstverständliche Schulterschluss zwischen Team und Fans ist für mich die größte Errungenschaft in der bisherigen Saison. Die Profis treten als enge Gemeinschaft auf, dennoch will ich drei Spieler hervorheben, die in meiner Gunst ganz oben stehen.

Da ist der junge Torhüter Oliver Christensen, ein erfrischender, mutiger Typ, der das Risiko liebt und mich an Kultkeeper Gabor Kiraly erinnert. Der Däne macht Fehler, gibt sie aber nach dem Spiel sofort zu und eiert nicht rum.

Da ist der Franzose Lucas Tousart, der endlich seine Rekordablöse wert ist, ein Berserker auf dem Platz, ein mitreißender Profi. Und da ist mit Dodi Lukebakio ein Angreifer, dessen blitzschnelle und elegante Sturmläufe eine Augenweide sind.

Große Ehre für Hertha-Kultsänger Frank Zander

Begonnen habe ich diesen Text mit negativen Nachrichten, jetzt kommen aber noch zwei gute Botschaften hinzu. Die Currywurstbude am Olympischen Platz wird wieder aufgebaut – als Container. Claudia Roses Nachfolger, ein langjähriger Stammgast, durfte die Geheimrezepte für die Currysoßen übernehmen.

Zuletzt schmetterte Frank Zander die Hertha-Hymne live im vollen Olympiastadion vor dem Spiel gegen den FC Bayern (2:3). 
Zuletzt schmetterte Frank Zander die Hertha-Hymne live im vollen Olympiastadion vor dem Spiel gegen den FC Bayern (2:3).  City-Press

Vielleicht kann man schon zum brisanten Stadtderby gegen den 1. FC Union am 28. Januar 2023 wieder Würste und Bier genießen.

Ganz sicher aber ist eines: Hymnensänger und Currywurst-Liebhaber Frank Zander bekommt am 5. Dezember das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Ich bin sicher, auch Hertha bleibt erstklassig – so wie ihr Kultsänger.

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