Große KURIER-Serie: Die Väter des Hertha-Absturzes

Als Lars Windhorst kam, entglitt Werner Gegenbauer sein Klub Hertha BSC

Der KURIER hat eine Rangliste des Versagens bei den Blau-Weißen erstellt. Auf Platz vier: Ex-Präsident Werner Gegenbauer!

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Hertha-Präsident Werner Gegenbauer (l.) und Investor Lars Windhorst  hofften auf eine goldene Zukunft. Der eine für seine Blau-Weißen, der andere für sein geliehenes Geld.
Hertha-Präsident Werner Gegenbauer (l.) und Investor Lars Windhorst hofften auf eine goldene Zukunft. Der eine für seine Blau-Weißen, der andere für sein geliehenes Geld.Matthias Koch/imago

Der Niedergang von Hertha BSC deutete sich über vier Jahre an und endete mit dem Abstieg in die Zweite Bundesliga. Er ist die Folge eines kollektiven Versagens. Dennoch gibt es Protagonisten des Absturzes und Ereignisse, die den tiefen Fall beschleunigten. Auf Platz vier: Werner Gegenbauer!

Der 23. Mai 2022, ein Montag, sollte zum Glückstag für Hertha BSC werden. Die Mannschaft, in den letzten acht Spielen der Saison von Altmeister Felix Magath trainiert, hatte sich in die Relegation um den Klassenerhalt gekämpft und das erste Duell gegen den Hamburger SV mit 0:1 verloren. Im Rückspiel aber in Hamburg an jenem Montagabend im Mai sorgten Dedryck Boyata mit einem Kopfballtreffer und Marvin Plattenhardt mit einem raffinierten Freistoß für den umjubelten 2:0-Erfolg. Hertha blieb erstklassig.

Nur 24 Stunden nach dem Triumph auf dem Platz erklärte Langzeitpräsident Werner Gegenbauer seinen Rücktritt, den Hertha BSC noch am Dienstagabend bestätigte. Unbändige Freude über den Klassenerhalt und der beinahe zeitgleich verkündete Rücktritt des über 14 Jahre starken Mannes des Vereins bildeten einen krassen Gegensatz.

Gegenbauer kommt seiner Abwahl durch Herthas Mitglieder zuvor

Der erfolgreiche Unternehmer Gegenbauer sei seiner Abwahl auf der nächsten Mitgliederversammlung zuvorgekommen, wurde gemutmaßt. Es lagen mehrere Abwahlanträge vor. Durch seinen meist öffentlich ausgetragenen Streit mit Millionen-Investor Lars Windhorst, in dem es auch stets um die Deutungshoheit im Verein ging, hatte Gegenbauer Zuspruch in der Mitgliederschaft verloren. Nach seinem Rückzug gab der inzwischen 73-Jährige dem Tagesspiegel noch ein Interview unter der Überschrift „Windhorst hat den Verein angezündet“.

Danach war er in Berlins Fußballwelt und im Hertha-Kosmos nicht mehr zu erleben. Man kann aber davon ausgehen, dass Gegenbauer, dessen zahlreiche Präsidiumskollegen oft einen schweren Stand gegenüber ihrem Chef hatten, den Niedergang von Hertha BSC genau beobachtet hat und diese Entwicklung sehr bedauert.

Der Verein Hertha BSC gehörte immerhin 16 aufregende Jahre lang zu seinem Leben, zwei Jahre als Chef des Aufsichtsrats, 14 Jahre als lange allmächtiger Präsident.

Damit ist der „Geschäftsmann mit Berliner Schnauze“ derjenige Präsident, der nach Wilhelm Wernicke (1909–1927) die zweitlängste Amtszeit in der Hertha-Geschichte absolvierte.

Seine Wahlergebnisse lesen sich so: 2008: 77,8 Prozent der Stimmen; 2012: 73,2 Prozent; 2016: 83,0 Prozent und 2020: 54 Prozent. Die deutlichen Stimmenverluste zwischen seiner dritten und vierten Wahlperiode fallen in eine Zeit, in der Hertha ständig den Trainer wechselte, nach einem Höhenrausch trotz der Millionen von Lars Windhorst – dem größten Einzelinvestment der Liga-Geschichte – einen tiefen Fall erlebte und nie zur Ruhe kam.

Gegenbauers Hertha-Zeit prägten zwei Machtkämpfe

Zwei Machtkämpfe haben Gegenbauers Amtszeit begleitet. Zu Beginn die Auseinandersetzung mit Manager Dieter Hoeneß, einem anderen Schwergewicht, und am Schluss das Duell mit Windhorst.

Im Mai 2008 startete Gegenbauer seine Präsidenten-Karriere und diese fiel in eine Zeit, als sich die Mannschaft in der Saison 2008/09 unter Trainer Lucien Favre anschickte, sogar um den Titel mitzumischen. Durch eine Satzungsänderung bekam der Präsident mehr Macht und Einfluss im Verein als in den Jahren zuvor. Als Geschäftsmann sei Werner Gegenbauer „seriös und knallhart“, berichteten Mitstreiter. Diesen Stil übertrug er auch auf die Hertha.

Manager Dieter Hoeneß gratuliert Werner Gegenbauer zu seiner Wahl zum Hertha-Präsidenten im Jahr 2008.
Manager Dieter Hoeneß gratuliert Werner Gegenbauer zu seiner Wahl zum Hertha-Präsidenten im Jahr 2008.Imago/Camera 4

Eine Episode verdeutlicht, wie Gegenbauer auch tickte. Um das Team zu verstärken, brachte sich der Präsident sogar selbst ins operative Geschehen ein und reiste mit Hoeneß und Favre nach Tunis, um das große Stürmertalent Amine Chermiti von einem Wechsel nach Berlin zu überzeugen. Gegenbauer sprach mit den Eltern des Spielers, überzeugte sie – und der Transfer klappte.

Als die Mannschaft mit den Topstürmern Marko Pantelic und Andrej Woronin von Sieg zu Sieg eilte und Dieter Hoeneß von einem Interview zum anderen vor die TV-Kameras marschierte, wetterte Gegenbauer und sprach süffisant von „Dieter-Hoeneß-Festspielen“. Über den künftigen Kurs des Vereins gab es sehr unterschiedliche Meinungen. Hoeneß wollte mit risikoreichen Investitionen sehr schnell an die Ligaspitze gelangen, Gegenbauer plädierte für einen vorsichtigeren Weg.

Hertha beklagt intern Gegenbauers Führungsstil

Am Ende kam es zur Trennung von Hoeneß, Gegenbauer hatte den Machtkampf gewonnen und führte den Verein fortan mit meist ruhiger Hand. Intern aber klagten Präsidiumsmitglieder immer wieder über dessen autoritären Führungsstil. Gegenbauer, in Berlin glänzend vernetzt, war sich seiner Macht bewusst.

Die zweite große Auseinandersetzung lieferte sich Gegenbauer mit Lars Windhorst. Letzterer wollte angesichts seiner investierten Millionen mehr Einfluss nehmen, aber Gegenbauer und Finanzchef Ingo Schiller hatten das Vertragswerk so gestaltet, dass Windhorst lediglich vier Vertreter im Aufsichtsrat der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA bekam. Sein Einfluss blieb gering. Der Verein – das war Gegenbauer sehr wichtig – behielt die Oberhand bei allen Entscheidungen.

Als aber Windhorst selbst und einer seiner Aufsichtsräte und Berater, der ehemalige Nationaltorwart Jens Lehmann, die Zielsetzungen des Vereins („Einzug in den Europapokal“) öffentlich formulierten, konterte Gegenbauer: „Lehmann spricht über Hertha, wir aber für Hertha.“ Für Windhorst wurde der Präsident immer mehr zum „Bremser“ auf dem Weg nach oben, obwohl auch Gegenbauer und sein Gremium die enormen, äußerst teuren Transferaktivitäten durch Michael Preetz und Jürgen Klinsmann mitgetragen hatten, die schnell sportlichen Erfolg bringen sollten.

Als aber Windhorst einige Tranchen nicht pünktlich zahlte, eskalierte der Streit. Die Kommunikation zwischen Präsident und Investor funktionierte nicht und war von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Im März 2022 stellte Windhorst offen die Machtfrage: „Für mich ist klar, dass ich als Person mit Herrn Gegenbauer nicht mehr zusammenarbeiten kann und werde.“

Gegenbauer nur noch genervt von Hertha-Investor Windhorst

Zwei Monate später trat Werner Gegenbauer zurück, betonte aber, dass die Unstimmigkeiten mit dem Investor bei seiner Entscheidung keine Rolle gespielt hätten. Stattdessen sagte er: „Es gibt Momente für Neuanfänge. Und ich denke und spüre, dass heute solch ein Moment gekommen ist.“

Als vier Monate später Meldungen auftauchten, Windhorst habe eine Detektei in Israel beauftragt, Gegenbauer mit einer Kampagne aus dem Amt zu drängen, musste das den Unternehmer nicht mehr tangieren.

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