Ein Mann sitzt allein zu Hause an einem Tisch und haelt eine Flasche Bier in der Hand (Symbofoto).
Ein Mann sitzt allein zu Hause an einem Tisch und haelt eine Flasche Bier in der Hand (Symbofoto). Foto: imago images/photothek/Thomas Trutschel

Kontaktverbote, Ausgehbeschränkungen, geschlossene Kitas und Schulen: Die Corona-Krise hat den sozialen Alltag drastisch verändert. Für jeden Einzelnen bedeutet das eine Belastung. Aber vor allem für Menschen mit psychischen Erkrankungen kann es auch gefährlich werden, mahnen Experten. Der Begriff „Corona-Ferien“ treffe die Lage nicht.Die Psychologin Ursula Gasch ist spezialisiert auf Notfälle. Sie spricht von einer einengenden Situation für viele Menschen: „Ich kann nicht mehr bestimmen, wie ich mich bewege, mit wem ich mich in einem Raum aufhalte. Das meiste ist jetzt vorbestimmt.“ Dazu befänden sich Familien plötzlich in einem ungewohnten, erzwungenen 24/7-Modus. Zugleich fehlen tägliche Routinen und Ausweichmöglichkeiten.

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„Diese Lage birgt Konfliktpotenzial“, sagt auch Iris Hauth, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie. Die übliche Reaktion auf Angst in der menschlichen Entwicklung sei: wegrennen oder kämpfen. „Das funktioniert hier aber beides nicht.“ Solche Situationen habe es bisher kaum gegeben. „Da haben wir auch keine Bewältigungsstrategien.“ In Krisen-Plänen müsse deshalb unbedingt auch die seelische Belastung der Bevölkerung berücksichtigt werden, fordert Hauth. „Es geht um zeitnahe Angebote. Diese Pandemie ist nicht in drei Wochen abgehandelt.“

Experten warnen vor negativen Auswirkungen auf die Psyche

Die Berliner Seniorenhotline Silbernetz registriert jetzt schon viel mehr Anrufe, sagt Initiatorin Elke Schilling. An einzelnen Tagen wollten fünfmal mehr Menschen reden als früher. Die Kapazitäten würden nun aufgestockt. Unter den Ratsuchenden seien mehr fitte und jüngere Senioren und auch mehr Männer als zuvor. Die Themen? „Die Unberechenbarkeit der weiteren Entwicklung und die Angst, selbst mit dem Coronavirus infiziert zu sein“, sagt Schilling.

Fachleute müssten sich darauf einstellen, dass eine Welle von Gesunden kommen werde, die plötzlich behandlungsbedürftige Ängste haben, sagt Psychiaterin Hauth. Dazu komme die Verschlechterung der Symptomatik von bereits psychisch Erkrankten.

Die Lage könne zu Angst und Schlafstörungen, auch zu Langeweile, Einsamkeit und Depression führen, so Psychologin Gasch. Wut, Ärger und Frust böten Potenzial für Aggression und Suchtmittelmissbrauch. Rechtsmediziner sagen einen starken Anstieg von Kindesmisshandlungen voraus. Auch mehr Suizide werden befürchtet.