Wichtig für Senioren, Lehrer und Erstgeimpfte

Astrazeneca: Alle Fragen & Antworten zum Chaos-Impfstoff

Eigentlich sollten die Corona-Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca endlich Fahrt aufnehmen - nun werden sie für Menschen unter 60 Jahren grundsätzlich ausgesetzt. Das lässt viele Fragen offen. Der KURIER hat Antworten.

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Eigentlich sollten die Corona-Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca endlich Fahrt aufnehmen - nun werden sie für Menschen unter 60 Jahren grundsätzlich ausgesetzt. 
Eigentlich sollten die Corona-Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca endlich Fahrt aufnehmen - nun werden sie für Menschen unter 60 Jahren grundsätzlich ausgesetzt. AP Photo/Matthias Schrader

Es ist der nächste Impf-Hammer! Zum zweiten Mal binnen kürzester Zeit werden planmäßige Impfungen gestoppt. Wieder geht es um den Astrazeneca-Wirkstoff. Wieder wächst die Verunsicherung. Und wieder wird das Impftempo in Deutschland noch weiter gedrosselt, als es sowieso schon lahm ist. Das Präparat soll ab heute (Mittwoch) in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden, wie die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Dienstagabend beschlossen. Kein Wunder, dass das für viele Anlass zur Beunruhigen gibt. Vor allem für diejenigen, die sich in den vergangen Tagen und Wochen bereits die erste Spitze mit dem Wirtstoff haben geben lassen und nun vermutlich keine zweite kriegen. Der KURIER klärt die wichtigsten Fragen und gibt Antworten.

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Warum wird die Impfung mit dem Astrazeneca-Wirkstoff nun doch für Jüngere wieder ausgesetzt?

Grundlage für die Entscheidung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern war eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), die auf derzeit verfügbare Daten zum Auftreten „seltener, aber sehr schwerer thromboembolischer Nebenwirkungen“ basiere. Diese seien 4 bis 16 Tage nach der Impfung ganz überwiegend bei Personen im Alter unter 60 Jahren aufgetreten. In Deutschland sind bisher 31 Fälle solcher Blutgerinnsel nach Impfungen mit Astrazeneca bekannt, wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) berichtete.

Auf welche Symptome sollten Menschen achten, die kürzlich den ersten Piks bekommen haben und nun verunsichert sind?

Personen, die den Covid-19-Impfstoff von Astrazeneca erhalten haben und sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühlen – zum Beispiel mit starken Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen –, sollten sich laut PEI unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben. Schmerzen an der Einstichstelle, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gelenkschmerzen, auch kurzzeitiges Fieber – diese Nebenwirkungen gelten nach einer Impfung in der Regel als normal.

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Was bedeutet der Astrazeneca-Stopp für das Vertrauen in den Impfstoff?

Die Auswirkungen der geänderten Empfehlung sind nach Angaben des Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, schwer abzusehen. „Es kann sein, dass dadurch Vertrauen schwindet“, sagte Mertens den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). Es könne aber auch das Gegenteil bewirken. In jedem Fall habe die Kontrollfunktion des Paul-Ehrlich-Instituts gut funktioniert. „Sie haben mehr als 30 besorgniserregende Fälle registriert, es wurde intensiv geprüft und Alarm geschlagen, und jetzt reagiert man darauf. Das sollte eigentlich vertrauensbildend sein.“

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zeigte sich am Abend optimistisch, dass die die Entscheidung keine großen Auswirkungen auf die Impfkampagne in Deutschland haben wird. „Wir werden eine kleine Delle haben von ein paar Tagen, wo es Verwirrung gibt, aber dann wird das Impftempo wieder voll anziehen“, sagte Lauterbach in den ARD-„Tagesthemen“.

Können sich Über-60-Jährige wirklich ohne Sorge mit dem Astrazeneca-Wirkstoff impfen lassen?

Generell überwiege bei über 60-Jährigen der Nutzen über möglichen Risiken. „Es ist ein sehr guter Impfstoff, den ich weiter empfehlen kann“, sagte Lauterbach. Die Entscheidung der Bundesregierung sei aber richtig gewesen. Man müsse auf die neuen Daten reagieren, denn „das ist keine Kleinigkeit, über die wir hier reden.“

Welche Möglichkeiten haben diejenigen, die bisher nur die erste Impfung mit dem Vakazin erhalten haben?

Laut Impfquotenmonitoring des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden bisher rund 2,7 Millionen Erstimpfungen gemacht, aber vorerst nur 767 Zweitimpfungen. Was passiert jetzt also mit denen, die noch keinen ausreichenden Impfschutz haben, weil die erste Dosis ja nicht reicht? Dazu sieht die Bundesregierung zwei Möglichkeiten vor. Erstens: Jüngere Menschen unter 60, die schon die erste Dosis Astrazeneca erhalten haben, haben laut dem Beschluss zwei Möglichkeiten: Sie können auch die Zweitimpfung von Astrazeneca bekommen, nach Rücksprache mit dem Arzt, „sorgfältiger Aufklärung“ und „individueller Risikoanalyse“. Zweite Option:  Die Betroffenen warten auf eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission zur Zweitimpfung. Die Skiko will bis Ende April eine Empfehlung abgeben.

Dirk Heinrich, der Bundesvorsitzende des Virchowbundes und medizinische Leiter des Hamburger Impfzentrums, erklärt im Tagesspiegel, dass auch eine Zweitimpfung mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech oder Moderna theoretisch möglich ist„Es gibt Stimmen, die sagen, eine Mischung wäre sowieso gar nicht so verkehrt, weil jeder Impfstoff löst eine etwas andere Immunreaktion aus und die Wirkung könnte dadurch sogar besser sein, wenn es erst mit dem einen, dann mit dem anderen Impfstoff durchgeführt würde“.

Was bedeutet das für Berlins Lehrer, die sich in den Osterferien impfen lassen können sollten, um trotz steigender Infektionszahlen zumindest weiterhin Präsenzunterricht im Wechselmodell anbieten zu können?

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90 000 Menschen aus dem Bildungsbereich haben in Berlin seit Beginn des Monats eine Einladung zum Impfen bekommen.  Da ihnen von Beginn a zugesichert wurde, sich eine Wirkstoff aussuchen zu können, dürfte der Astrazeneca-Stopp kaum Auswirkungen haben.

Der Deutsche Lehrerverband hat die Änderung der Altersgrenzen bei der Impfung mit Astrazeneca dennoch als „katastrophalen Rückschlag für die gerade Fahrt aufnehmende Impfung von Lehrkräften“ bezeichnet. Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger forderte vor diesem Hintergrund eine schnelle Möglichkeit für unter 60-jährige Lehrkräfte, sich mit Biontech/Pfizer und demnächst mit Johnson & Johnson impfen lassen zu können. „Wenn dieser Austausch nicht sofort stattfindet, wird es mit der Durchimpfung von Lehrkräften im April nichts mehr werden“, sagte Meidinger der Deutschen Presse-Agentur. Das gefährde dann auch massiv zusätzlich zu den steigenden Inzidenzen die Chancen, Schulen weiter offen zu halten.