Empfehlungssiegel gegen Bezahlung

Gericht: Siegel „Top Mediziner“ ist irreführend – was bedeutet das für Patienten?

Es sieht so aus wie ein Prüfsiegel, tatsächlich haben Ärzte, die sich damit schmücken, Geld dafür bezahlt.

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Wie findet man einen „Top-Mediziner?“ Jedenfalls durch ein bezahltes Prüfsiegel, haben Richter entschieden.
Wie findet man einen „Top-Mediziner?“ Jedenfalls durch ein bezahltes Prüfsiegel, haben Richter entschieden.dpa/Weißbrod

Wie findet man eine gute Orthopädin, einen mitfühlenden Zahnarzt oder eine versierte Chirurgin? Die meisten Leute richten sich nach Empfehlungen, fragen den Hausarzt, Bekannte oder Arbeitskollegen. Doch gerade bei Spezialisten wird die Suche kniffelig: Wen fragt man, wenn es um plastische Chirurgie geht, oder welcher HNO ist der geeignete, um Schnarch- oder Nasenatmungs-Probleme in den Griff zu bekommen?

Ärztesuche über Doctolib oder Jameda: Nicht alle Mediziner wollen dort gelistet sein

Für solche fachlichen Empfehlungen gibt es wiederum Verzeichnisse, Listen und Portale, die teils im Internet verfügbar sind, teils gedruckt vorliegen. Besonders bekannt ist das Portal Doctolib, über das viele ihre Impftermine gebucht haben oder Jameda, das vor allem als Bewertungsportal bekannt ist. Dort werden Ärztinnen und Ärzte selbst dann gelistet, wenn sie das gar nicht wollen. Dagegen hatte vor zwei Jahren eine Dermatologin erfolgreich geklagt und die Löschung ihres Eintrags erzwungen.

Andere Verzeichnisse listen nur ausgewählte Mediziner als Empfehlungen. Um eine sehr bekannte drehte sich ein Prozess am Münchner Landgericht, dessen Urteil Auswirkungen für sämtliche dort gelistete Spezialisten und deren Patienten hat. Ein Verbraucherschutzverband hatte gegen die Verleihung und Veröffentlichung des sogenannten Ärzte-Siegels geklagt. Einmal im Jahr zeichnet das Magazin Focus „Top-Mediziner“ aus, die sich dieses Siegel neben Fortbildungs-Urkunden und andere prestigeträchtigen Dokumente an die Wand hängen können.

Verbraucherschützer hatten geklagt: „Top Mediziner“-Siegel ohne Prüfung, aber gegen Bezahlung

Die Verbraucherschützer hatten argumentiert, dass überhaupt keine Prüfung der ausgezeichneten Mediziner stattgefunden habe, vielmehr könnten diese sich das Siegel für 2000 Euro kaufen und gewerblich nutzen. Das Gericht folgte diesen Argumenten und sieht in der Auszeichnung einen Verstoß gegen das Irreführungsgebot, wie die Legal Tribune Online berichtet. In einem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 13. Februar (Az. 4 HKO 14545/21) heißt es, Verbraucherinnen und Verbraucher könnten zu der Annahme kommen, das Siegel sei aufgrund eines Vergleichs mit anderen Ärztinnen und Ärzten zustande gekommen. Das sei aber nicht der Fall.

Patientinnen und Patienten sollten ihre Entscheidung also nicht aufgrund eines solchen Siegels fällen. Umgekehrt ist aber die gewerbliche Nutzung auch von Vergleichstest-Urteilen nicht kostenfrei, im Gegenteil: Bis zu 25.000 Euro lässt es sich beispielsweise die Stiftung Warentest kosten, wenn eine gute oder sehr gute Produktbewertung auf Verpackungen oder in der Werbung verwendet werden. Für Arztpraxen gibt es solche nach objektiven Kriterien zustande gekommene Bewertung jedoch nicht.

Man könnte vermuten, dass die besten Ärzte es nicht nötig hätten, ihr Können mit einem Prüfsiegel als „Top-Mediziner“ zu verkaufen. Auf der anderen Seite: Auch gute Ärzte können eitel sein oder sich durch eine entsprechende Bewerbung Aufmerksamkeit erhoffen. Auch die populären Ärzte-Portale wie Jameda verkaufen sogenannte Premium-Pakete, die eine prominentere Platzierung mit Bildern und Videos offerieren. Verbunden mit guten Bewertungen verleitet dies so manchen, eine so beworbene Praxis aufzusuchen. Über die tatsächliche Qualität der Behandlung sagt das Niveau der Werbung nichts aus.