Die Gefahr kommt aus dem Wasserhahn. Das Problem entsteht beim Einatmen der Bakterien.
Die Gefahr kommt aus dem Wasserhahn. Das Problem entsteht beim Einatmen der Bakterien. Foto: imago images / Ritzau Scanpix

Es ist wie nach den Sommerferien, wenn ein ganzes Gebäude viele Wochen lang geschlafen hat. Dann müssen die Hausmeister dafür sorgen, dass in den Schulen keine Gefahr durch Legionellen besteht. Denn diese Bakterien im Trinkwassersystem können eine Krankheit auslösen, die durchaus tödlich verlaufen kann. Eine potenzielle Legionellengefahr sieht die Berliner Innung SHK (Sanitär/Heizung/Klimatechnik) nun auch in der Hauptstadt.

„Wir können im Zuge der schrittweisen Öffnung von zum Beispiel Hotels, Gaststätten und Schulen nur dringend an die Betreiber der Trinkwasseranlagen dort appellieren, das Legionellen-Thema äußert ernst zu nehmen“, sagte Innungsgeschäftsführer Andreas Koch-Martin dem KURIER.

Legionellen-Bakterien können in der Lunge Schäden anrichten. Es droht Lebensgefahr.
Legionellen-Bakterien können in der Lunge Schäden anrichten. Es droht Lebensgefahr. Foto: imago/Science Photo Library

Legionellen sind Bakterien, die sich im Trinkwasser dann gut vermehren können, wenn das Wasser lange steht. Sie können die sogenannte Legionärskrankheit verursachen, wenn sie tief in die Lunge gelangen. Verläuft die Infektion schwer, entsteht oft eine Lungenentzündung – die lebensgefährlich sein kann.

Die schwere Form der Krankheit hat für Laien durchaus ähnliche Symptome wie Corona. Der wichtigste Unterschied: Gegen Covid-19 gibt es noch kein Mittel, gegen Legionelle helfen ein paar einfach Regeln, damit keine Gefahr vom Trinkwasser aus dem Hahn ausgeht.

Trinkwasser frei von Coronaviren

Es gibt derzeit auch Leute, die aus Angst vor Covid-19 seit Wochen nur Mineralwasser trinken, weil sie fürchten, Coronaviren könnten auch durchs Trinkwasser übertragen werden. Dazu stellt das Umweltbundesamt fest: „Trinkwässer, die unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik gewonnen, aufbereitet und verteilt werden, sind sehr gut gegen alle Viren, einschließlich Coronaviren, geschützt. Eine Übertragung des Coronavirus über die öffentliche Trinkwasserversorgung ist nach derzeitigem Kenntnisstand höchst unwahrscheinlich.“

„Eine potenzielle Gefahr besteht vor allem in Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen oder großen Bürogebäuden“, sagte Jens Burmeister, der Technische Berater der Innung SHK. Das Problem entstehe, wenn Wasseranlagen lange nicht betrieben werden, das Wasser länger als drei Tage in den Leitungen oder Vorratsbehältern steht und sich die Bakterien gut vermehren können. Die Bakterien sind nicht gefährlich, wenn sie mit dem Wasser getrunken werden, sondern wenn sie mit dem zerstäubten Wasser eingeatmet werden. „Das kann beim Duschen der Fall sein oder unter Rasensprengern“, sagte Burmeister.

Viel verbreiteter als Regner sind allerdings Klimaanlagen oder Luftbefeuchter, die mit Kaltwasser betrieben werden. Die gibt es in Einkaufszentren, in Hotels, Pensionen und Bürogebäuden. „Aber es kann auch schon ausreichen, dass ein Restaurant wieder öffnet, nicht die nötigen Vorsichtsmaßnahmen ergreift und warmes Wasser in einen großen Topf fließen lässt“, erklärte Burmeister. Der Dampf kann gefährlich sein.

Warum heißt die Legionärskrankheit so?

Die Krankheit ist seit 1976 bekannt. Damals erkrankten in einem Hotel in Philadelphia 180 von 440 Kriegsveteranen, die an einem Kongress der Amerikanischen Legion teilnahmen – 29 der Ex-Legionäre starben. Deshalb bekam die Krankheit den Namen Legionärskrankheit.

Die Gefahr ist auch in Berlin eine reale. So zeigten Untersuchungen zwischen 2005 und 2010, dass jedes zweite Krankenhaus von Legionellen befallen war. Zuletzt machte die Krankheit 2013 bundesweit Schlagzeilen. Damals hieß es anfangs „Grippewelle mitten im August“, weil in Warstein 165 Leute erkrankten und drei Menschen starben. Dann stellte sich heraus, dass Legionellen die Ursache waren. Auch eine bekannte Brauerei war betroffen, Millionen mussten investiert werden, um das Problem zu lösen.

Die Sanitär-Innung sieht nun durch den Lockdown ein weiteres Problem. „In Zeiten der Kurzarbeit könnte es sein, dass der Hausmeister oder Kollege, der sich mit dem Problem auskennt, beim Neustart nicht da ist“, sagte Burmeister. Die großen Unternehmen wie die Berliner Bäderbetriebe seien in diesem Bereich sehr sensibilisiert. „Aber es wird ganz sicher auch Betreiber von Hotels oder Pensionen geben, die die Problematik gar nicht kennen, weil sie nie geschlossen haben und dort die Trinkwasseranlage immer läuft.“

Drei Minuten fließen lassen

Für die Berliner Bäderbetriebe sagte eine Sprecherin: „Grundsätzlich wird die Wasserqualität und ein möglicher Legionellen-Befall zwei bis drei Wochen vor der Öffnung des Bades von einem unabhängigen Labor untersucht.“ Es gebe aber auch alltägliche Regeln, um einen Legionellen-Befall zu vermeiden.

„Dazu müssen die Kaltwasserleitungen in den Berliner Bädern während einer Schließung alle 72 Stunden gespült werden und das gesamte Wasser, das noch in den Leitungen steht, muss ausgetauscht werden.“ Das erfolge in einigen Bädern automatisch, in anderen müssen es die Mitarbeiter selbst machen. Das heißt, dass alle Wasserhähne nach einer vorgeschriebenen Reihenfolge geöffnet werden, damit das Wasser vollständig aus den Leitungen abfließt. „Auch die Toilettenspülungen müssen betätigt werden“, sagte die Sprecherin.

Allen, die nun ihre Betriebe für Mitarbeiter und Gäste wieder öffnen, empfehlen Fachleute, das Wasser drei Minuten lang aus allen Wasserhähnen laufen zu lassen. Das stehende Wasser in den Leitungen ist meist recht warm. Wird es merklich kühler und bleibt konstant kühl, ist dies ein sicheres Zeichen dafür, dass das sogenannte Stagnationswasser vollständig abgeflossen ist.

„Die Regel mit den geöffneten Wasserhähnen gilt auch für Ferienwohnungen oder wenn jemand jetzt wieder sein Gartenhäuschen nutzt“, sagte Fachmann Burmeister. Nicht zu vergessen Vereinsräume oder andere lange nicht genutzte Orte. Es gibt aber auch Gebäude, in denen es größere Wasserbehälter gibt. Wenn die mehr als 400 Liter fassen, muss das Wasser fünf Minuten lang auf 70 Grad erhitzt werden, und auch die Warmwasserleitungen müssen heiß gespült werden.

„Wichtig ist auch: Wenn es einen Legionellen-Befall gibt, muss dies dem Gesundheitsamt gemeldet werden“, so Burmeister. Außerdem müssen die Leitungen dann durch eine Fachfirma gespült werden.