Ein Einsatzwagen der Polizei steht an einer Unfallstelle.
Ein Einsatzwagen der Polizei steht an einer Unfallstelle. dpa/Stefan Puchner

Schwer verletzt nach Unfall: Das ist schon schlimm genug. Aber außer den gesundheitlichen Folgen kann ein Crash auch erhebliche finanzielle Konsequenzen haben. Besonders problematisch wird es, wenn Alkohol im Spiel ist: Der Fahrer hat etwas getrunken, man fährt trotzdem mit, vielleicht sogar selbst mit Alkohol im Blut. Haftet der Fahrer, muss er Schmerzensgeld bezahlen? Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig überrascht.

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Ein feuchtfröhlicher Nachmittag: Zwei Männer werkeln an einem Garagentor, zischen dabei das eine oder andere Bierchen. Und nach getaner Arbeit wollen die beiden in einer Gaststätte weiterfeiern. Der Garagenbesitzer setzt sich ans Steuer seines Pkw, der zweite steigt hinzu. In der Gaststätte geht es heiter her.

Am frühen Morgen geht es heimwärts, doch es endet so, wie es wohl enden muss: Der Wagen prallt bei überhöhter Geschwindigkeit auf ein landwirtschaftliches Fahrzeug, beide Insassen werden schwer verletzt. Die Polizei stellt bei beiden Insassen erhebliche Alkoholmengen im Blut fest: Beim Fahrer wurden 1,68 Promille ermittelt, beim Beifahrer 1,71 Promille.

Versicherung verweigerte Schmerzensgeldforderung von 95.000 Euro

Dieser erlitt beim Unfall schwerste Verletzungen und konnte auch nach langer stationärer Behandlung nicht mehr als selbstständiger Metallbauer arbeiten. Zunächst zahlte die Versicherung des Fahrers ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro sowie weitere 10.000 Euro als frei verrechenbaren Vorschuss.

Der Mann forderte, auch aufgrund erlittener Dauerschäden, insgesamt 95.000 Euro. Als es also für den Versicherer richtig teuer zu werden drohte, drehte dieser den Spieß um und warf dem Mann nun vor, gewusst oder zumindest erkannt zu haben, dass der Fahrer betrunken war. Auch hätte er zum Zeitpunkt des Unfalls keinen Gurt getragen! Der Mann meinte, ihn würde entlasten, dass er ja selbst betrunken gewesen war. Die Sache kam vor Gericht, und das Urteil fiel anders aus, als der verletzte Beifahrer sich das wohl vorgestellt hätte.

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Die Richter entschieden nämlich: Wer sich neben einen betrunkenen Autofahrer setzt, haftet für seine erlittenen Verletzungen nach einem Verkehrsunfall mit – in der Regel zu einem Drittel. Dass ein Beifahrer selbst erheblich alkoholisiert war, ändert daran nichts. Auf dieses Urteil (Az. 7 U 2/20) des Oberlandesgerichts Schleswig weist die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.

Für ein Drittel muss der Geschädigte selbst haften

Der Mann brachte ein, er hätte nicht bemerkt, dass der Fahrer betrunken gewesen war. Er sagte aus, er hätte sich die meiste Zeit in der Gaststätte in deren Toilette mit Magen-Darm-Problemen befunden. Gerichte mussten klären.

Das Landgericht gab dem zum Teil statt. Der Mann musste sich ein Mitverschulden von einem Drittel anrechnen lassen, sodass ihm nur weitere rund 43.000 Euro zustanden. Und künftiger Schaden sei auch nur zu zwei Dritteln zu ersetzen.

Dass der Kläger nicht angeschnallt war, sah das Gericht als erwiesen an. Außerdem habe er gegen die Eigensorgfalt verstoßen, als er zu dem Betrunkenen einstieg. Dass er selbst ebenfalls alkoholisiert war, stand demnach seiner Mitschuld nicht entgegen.

Zu betrunken, um die Fahruntauglichkeit des Fahrers zu erkennen

Als weitere Instanz bestätigte das Oberlandesgericht das Urteil. Die Untersuchungen eines Sachverständigen untermauerten: Der Kläger war nicht angeschnallt gewesen. Auch das Eigenverschulden wurde bekräftigt, da der Mann bei einem „erkennbar betrunkenen Fahrer“ ins Auto stieg.

Daran änderte auch der Einwand nichts, aufgrund der eigenen starken Alkoholisierung die des Fahrers nicht erkannt haben zu wollen. Das wertete das Gericht als fahrlässig. Er habe sich durch den Alkoholkonsum in einen Zustand versetzt, in dem man nicht mehr über die zum Selbstschutz erforderliche Einsichtsfähigkeit verfüge.