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Was für ein böses Erwachen! Deutschland gurkt sich in die WM und steht nach der Auftakt-Blamage gegen Japan schon mit dem Rücken zur Wand. Das 1:2 (1:0) gegen die Blue Samurai ist wie ein Haken in die Magengrube von Bundestrainer Hans Flick und seinem Team. Noch viel schlimmer ist: Deutschland stolpert über die Bundesliga.

Fünf Profis, die in Deutschland spielen, stehen in Japans Startelf. Dann kommen mit Takuma Asano und Ritsu Doan der sechste und siebte hinzu und mit ihnen das blanke Entsetzen für die DFB-Elf. Kaum sind die beiden auf dem Feld, geht es rund und in die völlig andere Richtung.

Erst macht Doan, der Freiburger, mit dem 1:1 (75.) nur vier Minuten nach seiner Einwechslung Deutschlands Führung (Ilkay Gündogan trifft per Elfmeter nach Foul von Japan-Keeper Shuichi Gonda an David Raum/33.) platt, dann wird Asano, der Bochumer, von Nico Schlotterbeck geradezu eingeladen und haut aus höllisch spitzem Winkel das 1:2 rein (83.). Es ist fast ein bisschen hausgemacht und Gündogan sagt total angefressen: „Ich weiß nicht, ob man bei einer WM ein Tor leichter erzielen kann als dieses.“

Deutschland mit Chancenwucher gegen Japan 

Freiburgs Doan trifft zum WM-Start zum 1:1 gegen Deutschland. Wenig später erzielte Bochums Asano den 2:1 Siegtreffer für Japan. 
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Freiburgs Doan trifft zum WM-Start zum 1:1 gegen Deutschland. Wenig später erzielte Bochums Asano den 2:1 Siegtreffer für Japan. 

Alles, was vorher war, ist weg. Einfach nicht mehr da. Die Überlegenheit aus der ersten Hälfte mit gefühlt 80 Prozent Ballbesitz spielt keinerlei Rolle mehr, der Chancenwucher rächt sich auf brutale Weise, die Probleme in der Abwehr werden schonungslos offengelegt. „Die individuellen Fehler, die wir gemacht haben“, sagt ein völlig enttäuschter Bundestrainer, „dürfen einfach nicht passieren.“

Trotzdem sind sie sowohl vorn als auch hinten gemacht worden. Nicht nur einmal, sondern in der stärksten Phase der Japaner nach gut einer Stunde permanent. Jeder Angriff, von denen es zuvor kaum welche Richtung Manuel Neuer gab, sorgt für Alarmstufe rot vor dem Kasten des Kapitäns. Der Schlussmann ist, wie die anderen auch, völlig gefrustet, haut sich in den letzten Sekunden im gegnerischen Strafraum in Flanken und ringt bei seinem Erklärungsversuch für die Blamage um Worte: „Es war eigentlich kein gefährliches Spiel, aber dann hat uns das Zwingende gefehlt. Damit kam die Retourkutsche. Japan hat daran geglaubt, dass etwas zu holen ist, wir aber haben gehofft, dass wir das über die Bühne bringen.“ Das klingt nach wenig bis keinerlei Überzeugung in die eigene Stärke.

DFB-Elf: Komplett-Chaos in der Abwehr

Wenig nur deutet zunächst auf eine solch dramatische Wende hin, doch eine winzige Umstellung im Spiel des Gegners haut Flicks Elf um. Eine leicht offensivere Spielweise und ein engeres Pressing sorgen für ein Durcheinander im Aufbauspiel und ein phasenweises Komplett-Chaos in der Abwehr. Antonio Rüdiger, zunächst überlegt und immer da, wenn Löcher zu stopfen waren, verliert ebenso die Übersicht wie seine Nebenleute teils schon vorher.

Wie die beiden Gegentore gefallen sind, das hat was von Handstreich mit gütiger Mithilfe aller im deutschen Team. Niemand kann behaupten, dass sie aus dem Nichts gefallen sind, sie haben sich sehr wohl angedeutet. Doch niemand, nicht einmal Joshua Kimmich, hat den Mumm und die Klasse, das Spiel an sich zu reißen und es unter Kontrolle zu bringen. Thomas Müller, nach seiner Verletzung erstmals wieder dabei, ist da aber schon wie Gündogan draußen. Das riecht stark nach Wechselfehler.

DFB-Elf: Endspiel gegen Spanien

Was in den letzten Minuten aus purer Verzweiflung geschieht, hat nichts mit Souveränität zu tun. Niclas Füllkrug soll es richten, der Newcomer, ebenso Mario Götze, der Held von Rio acht Jahre zuvor, zuletzt sogar Youssofa Moukouko, der 18-jährige Benjamin. Da steckt die Karre längst schon im Dreck.

Was bleibt, ist das Lecken der Wunden. „Wir haben einiges gutzumachen“, sagt Flick und schiebt nahezu trotzig hinterher: „Trotzdem haben wir die Qualität, Spanien zu schlagen.“ Das Team von Luis Enrique ist am Sonntag der nächste Gegner. Da geht es für Flick, Neuer & Co. schon um alles. Das einzige Plus: Bis auf den Leipziger Dani Olmo haben die Spanier keinen aus der Bundesliga dabei … 

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