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Pandemie-Pause, Geschachere um vorzeitige Auszahlung von TV-Geldern, Corona-Chaos, eine Verlängerung des Spieljahres um sechs Wochen, vor allem Geisterspiele und mit den Bayern ein Geister-Meister – eine Saison wie diese hat es in 57 Jahren Fußball-Bundesliga noch nicht gegeben. Eine, die so lange gedauert hat wie keine andere. Am 27. Juni ist sie zu Ende gegangen. Zum Vergleich: An diesem Datum vor zwei Jahren ist das DFB-Team bei der WM in Russland als Titelverteidiger mit 0:2 gegen Südkorea schon nach den Gruppenspielen aus dem Turnier gekegelt worden. So etwas wie damals aber erst recht so eine Saison wie diesmal wollen die Fans und auch die Mannschaften nach Möglichkeit nie wieder erleben und gewöhnen daran will sich ohnehin niemand.

Moment doch, manches ist es trotzdem wert, darüber nachzudenken und nicht in Vergessenheit zu geraten. Weil der Fußball zwangsweise eine andere Seite gezeigt hat, die Faszination, die er sonst ausstrahlt, aber nicht kleinzukriegen ist und in den Fan-Kurven hoffentlich bald wieder lebt.

Bolzplatzatmosphäre: Ursprünglichkeit war Trumpf in den Spielen nach dem Re-Start. Jedes Wort, jede Anweisung ist zu hören gewesen. Im Abschlussspiel des 1. FC Union gegen Düsseldorf, unmittelbar nach dem 1:0 durch Anthony Ujah und als die Fortunen einen angeblichen Ellbogencheck gegen ihren Abwehrchef Mathias Jorgensen monierten, war aus der Traube von Union-Spielern auf dem Platz ganz deutlich dieser Satz zu hören: „Wollt ihr dafür einen Platzverweis?“

Der 12. Mann: Wie wichtig die Fan-Unterstützung gerade für angeblich schwächere Teams ist, mussten bis auf wenige Mannschaften alle erfahren. Heimsiege wurden rar wie nie. An den ersten sechs Spieltagen nach der Pause gab es zusammen nur elf (!) Siege der Gastgeber und damit auf nicht einmal zwei pro Runde. Die Quote gegenüber der Vor-Corona-Pause sank auf weniger als die Hälfte. Erst in den drei letzten Runden kam so etwas wie Normalität auf, in den letzten 27 Spielen gab es wieder 15 Heim-Dreier, darunter Unions 1:0 gegen Paderborn und das 3:0 gegen Düsseldorf sowie Herthas 2:0 gegen Leverkusen.

Blau-weißes Trainerglück: Als ob es erst der Zwangspause bedurft hätte und dreier Trainer (Ante Covic, Jürgen Klinsmann, Alexander Nouri), fand Hertha BSC spät sein Glück. Mit Bruno Labbadia (10 Punkte aus den ersten vier Spielen) kehrten die Blau-Weißen in ihren gewohnten Alltag zurück. Mit Rang 10, punktgleich mit dem 1. FC Union und in der Tordifferenz nur sechs Treffer besser, ist es trotzdem noch ein gewaltiges Stück auf dem Weg zum Big-City-Club.

Königsblaues Kuddelmuddel: Pandemie-Pause hin, Corona-Chaos her, der FC Schalke sorgte mal wieder für eine ganz eigene Geschichte. Zur Halbserie auf Rang 5 noch punktgleich mit Lieblingsfeind Borussia Dortmund auf Tuchfühlung zu den Champions-League-Plätzen, folgte ein königsblaues Kuddelmuddel. In der Rückrunde gab es neun (!) Zählerchen und in den letzten 16 (!) Spielen keinen einzigen Sieg. Zwar blieben auch Köln und Paderborn nach der Pause ohne Dreier, beide holten aber wenigstens vier Unentschieden-Punkte. Den Königsblauen bleiben ganze zwei Unentschieden, darunter das glückliche 1:1 in der Alten Försterei.

Bayerns Bilderbuchbilanz: Das Gegenteil ist Geister-Meister FC Bayern. Wie eine Maschine düste der Serien-Titelträger (er holte sich die achte Schale in Folge und die 30. insgesamt) durch die Rückrunde, er gab lediglich beim 0:0 im Heimspiel gegen RB Leipzig was her. Ansonsten zeigte sich das Team von Trainer Hansi Flick (er hatte im Herbst für Niko Kovac übernommen) super-meisterlich! Die Bayern sind es auch, die nach der Corona-Pause als einzige Mannschaft alle ihre Spiele gewannen. Sie benötigen wohl am allerwenigsten die Kraft des 12. Mannes. Stärke ist eben immer Stärke.

Schlussendlich: Der 1. FC Union ist in seinem Premierenjahr auf Rang 11 eingekommen – das ist einmalig, unerwartet, einfach sensationell. Dabei will auch Trainer Urs „schlussendlich“ Fischer dazulernen. Der Schweizer hat versprochen, sein Lieblingswort, das sich bereits einige Spieler, ob aus Spaß oder als Anerkennung, angeeignet haben, nicht mehr so häufig zu verwenden. „Erst als ich mich in Interviews gehört habe, ist es mir aufgefallen, dass ich dieses Wort ziemlich oft benutze.“

Nun aber ist die Saison bis auf die Relegation vorbei. Damit sind die Eisernen nun weiter Bundesligist: Schluss! Endlich!