Von wegen in ganz Europa! England mit großem Heimvorteil bei der EM
Die Three Lions sind quasi im Homeoffice. Wenn es optimal für die Truppe von Gareth Southgate läuft, spielen sie sechs von sieben Spielen im Wembley.

Haben Sie dieses Summen auch schon in den Ohren? Dieses Lied, dass vor 25 Jahren im Sommer der Hit schlechthin war, weit über die Insel hinaus? Dieses „It’s coming home, it’s coming home, football is coming home“ hat wieder Hochkonjunktur. Die Three-Lions-Hymne der Lightning Seeds, geschrieben zur Fußball-Europameisterschaft 1996 in England. Das Turnier übrigens, bei dem nach Oliver Bierhoffs Golden Goal beim 2:1 im Finale gegen Tschechien letztmals eine deutsche Mannschaft den EM-Pott in die Höhe strecken durfte.
Damals wie heute ging es übrigens auch um den besungenen Schmerz der Inselkicker, dass letztmals 1966 etwas von ihnen gewonnen wurde. Der WM-Pokal, damals auch als Jules-Rimet-Cup bekannt, strahlt längst nicht mehr. Und aus den 30 Jahren Schmerz sind mittlerweile für die Engländer 55 geworden. Doch das könnte sich bei diesem Turnier ja endlich ändern, jetzt wo der große Fußball ins Mutterland des Fußballs zurückkehrt.
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England will nur einmal Koffer packen
Ja, richtig gelesen. Zurückkehrt! Aus englischer Sicht zumindest. Natürlich findet die XVI. Europameisterschaft nicht nur in England, sondern über den ganzen Kontinent – und ein bisschen mehr, man denke an Spielort Baku – verteilt statt. Doch für das Team von Coach Gareth Southgate ist sie quasi ein Heimturnier.
Im Idealfall kann England sechs der maximal sieben Spiele in seinem Nationalheiligtum Wembley bestreiten. Zunächst die drei Vorrundenkicks, dann als Gruppensieger das Achtelfinale. Und in der Vorschlussrunde und im Endspiel ist man eh wieder nur in London zu Gast. Es hieße nur einmal Koffer packen für Harry Kane, Raheem Sterling & Co. Na wenn das nicht so etwas wie Homeoffice ist …
Überhaupt: selten einmal war ein Turnier so britisch geprägt wie dieses. In der englischen Hauptstadt steigen die meisten Kicks dieser EM. Neben drei Gruppen- und zwei Achtelfinalspielen finden im Wembley-Stadion auch zwei Halbfinals sowie das Endspiel statt. Mit England, Gruppengegner Schottland und Wales konnten sich alle drei Teams aus Großbritannien qualifizieren. Ein Novum bei der EM.
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Gareth Southgate bekämpft Englands Elfmeter-Fluch
Auch die Aussichten, dass nach dem Jules-Rimet- mit dem Henri-Delaunay-Pokal endlich wieder etwas Glänzendes in den Händen gehalten werden kann, sind ja so schlecht nicht. Und nicht nur wegen der Tatsache, dass die englische Auswahl seit neun Monaten Elfmeterschießen probt. Denn schon bei der WM 2018 in Russland war es ja endlich vorbei, dass man die Inselkicker mit einer umgedichteten Metallica-Hymne (Nothing Elfmeters) verspotten konnte. Im Achtelfinale wurde gegen Kolumbien vom Punkt aus der Kick entschieden, nachdem man zuvor sechs von sieben Mal bei Großturnieren im Duell vom Punkt gescheitert war. Darunter 1990 bei der WM in Italien und eben bei der Heim-EM zweimal an Deutschland. Der einzige Fehlschütze damals war übrigens beim sechsten Versuch – die fünf zuvor waren alle drin – ein gewisser Gareth Southgate ...

Nachdem der Fluch endlich gebannt war, legte der WM-Vierte 2019 im Spiel um Platz 3 in der Nations League gegen die Schweiz gleich noch mal nach.
Noch 2015 hatte alles über eine Wachablösung geunkt, weil kein einziger englischer Klub das Achtelfinale der Champions League überstanden hatte. Seitdem gab es zwei Triumphe durch Liverpool und Chelsea sowie drei weitere Endspielteilnahmen (Liverpool, Tottenham, Manchester City). Auch die Junioren-Auswahlteams räumten kräftig ab. 2017 wurden die U20 und die U17 Weltmeister, die U19 sicherte sich Europas Krone. Ein Großteil dieser Jahrgänge hat Southgate nun unter seinen Fittichen. Glänzende Aussichten, dass der Fußball diesmal nicht mehr nur nach Hause zurückkehrt, sondern den Briten auch etwas beschert.
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