Toni Kroos kann es nicht fassen: Deutschland scheitert bei der EM im Achtelfinale gegen England.
Toni Kroos kann es nicht fassen: Deutschland scheitert bei der EM im Achtelfinale gegen England. AFP

Die Reise ist zu Ende! Sowohl die von Jogi Löw nach seinem 198. Länderspiel, das ihm die 34. Niederlage bringt und nach 15 Jahren aus dem Amt treibt, als auch die des DFB-Teams bei der Europa-Euro. Auch Toni Kroos, Kai Havertz und allen anderen Stars gelingt es nicht, den Engländern das erste Turnier-Gegentor einzuschenken. Die stehen nach dem 2:0 (0:0) im Viertelfinale und dürfen weiter vom Finale auf den heiligen Rasen träumen.

Augen zu und am besten nicht mehr daran denken. Doch diese eine Szene wird ihn vor allem nachts noch lange einholen. Da läuft Thomas Müller nach klasse Pass von Kai Havertz allein auf das englische Tor zu, hat nur noch Keeper Jordan Pickford vor sich, neun Minuten vor dem Ende den Ausgleich und damit sein erstes (!) Tor bei einer EM-Endrunde auf dem Fuß. Doch nichts ist es mit dem Schuss ins Glück. 30 Zentimeter links vorbei zischt die Kugel – es ist das Ende eines Traums nicht nur für den Münchner, sondern auch für Löw, zum WM-Titel von 2014 den EM-Triumph sieben Jahre später hinzuzufügen.

Mats Hummels packt die Monstergrätsche aus 

Dafür erzielt fünf Umdrehungen des Sekundenzeigers später auf der anderen Seite einer seinen ersten Treffer bei diesem Turnier und insgesamt bei europäischen Endrunden – Harry Kane. Mit dem Kopf ist der England-Kapitän erfolgreich, zementiert mit dem 2:0 (86.) den Sieg der Three Lions, den Raheem Sterling, der beste Mann auf dem Platz mit dem 1:0 (75.) auf den Weg gebracht hatte.

Es ist nicht das spielerische Spektakel, dafür knistert auf dem heiligen Rasen von Wembley die Spannung, als hätten Agatha Christie, Sherlock Holmes und Doktor Watson gemeinsam ihre Hände im Spiel. In erster Linie geht es um Sicherheit, um Balleroberung, um ihn in den eigenen Reihen zu haben. Auch deshalb hat Löw sein Start-Team verändert. Neben Leon Goretzka (für Ilkay Gündogan, der an einer Schädelprellung leidet) steht Timo Werner (für Serge Gnabry) in der Angriffsmitte, dazu kehrt Thomas Müller (für Leroy Sané) zurück.

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Das Risiko hält sich hier wie da in Grenzen und vor gegenseitigem Respekt ist die Partie ohnehin geprägt. Zu viel steht auf dem Spiel und nur wenn irgendwo eine besondere Idee aufblitzt und es woanders eine klitzekleine Unaufmerksamkeit gibt, setzt sich vor die Spannung noch ein Hoch. Geduld ist gefragt, um die Lücke zu finden, die sich so gut wie nirgendwo öffnet. Zu stark sind die Abwehrreihen und zu wenig Power geht von der Offensive aus.

Englands Raheem Sterling lässt seiner Freude freien Lauf, jubelt über sein 1:0 gegen Deutschland im EM-Achtelfinale. 
dpa
Englands Raheem Sterling lässt seiner Freude freien Lauf, jubelt über sein 1:0 gegen Deutschland im EM-Achtelfinale. 

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Thomas Müller vergibt, Harry Kane trifft 

Ein wenig mehr haben die Engländer die Kontrolle, aber bis auf einen Weitschuss des quirligen Raheem Sterling (16.) gibt es zunächst nichts, was für Manuel Neuer gefährlich wird. Dafür scheitert Timo Werner nach glänzendem Pass seines Chelsea-Mitspieler Kai Havertz im allerletzten Moment an Jordan Pickford (32.). Das wäre es gewesen, eine deutsche Chelsea-Kombination in London. Schade drum. Allerdings sorgt erst Thomas Müller für einen wirklichen Luftanhalte-Moment, nur ungewollt. Weil sich nach dessen dickem Fehlpass Sterling einschaltet und Kane nur noch das leere Tor vor sich hat, brennt es wie aus dem Nichts. Mit Mats Hummels aber klärt der neben Müller zweite Weltmeister-Rückkehrer mit einer Monstergrätsche (45.+1).

Das ist aber nichts gegen das Pfund von Havertz, das der Jung-Star auf den Kasten hämmert und die Three Lions das große Glück haben, dass ihr Schlussmann genau in der Schussbahn steht (48.). Nur bleibt es dabei: Beide Teams belauern sich und die Angst davor, sich eine Blöße zu geben, ist größer als der Wille, es auf Teufel komm raus zu versuchen. Auch die Engländer zeigen nicht wirklichen Zug zum Tor – und doch bringt der erste wuchtige Angriff durch den besten Mann auf dem Platz die Entscheidung und das zweite Tor die Gewissheit, dass die Reise für Löw, wenn auch am symbolischsten Ort des Fußballs, mit einer bitteren, trotzdem verdienten Niederlage endet.

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