Mann gegen Mann: Das erwartet uns heute bei England gegen Italien
Three Lions mit Heimvorteil, aber die Azzurri setzen auf den Faktor Leonardo Spinazzola, rufen für ihren verletzten Verteidiger das „Spinale“ aus, um gegen Harry Kane & Co. ein Ding zu drehen.

Der letzte Tag von einem Monat Euro-EM, das letzte von insgesamt 51 Spielen – das Spektakel erreicht seinen Höhepunkt. Italien gegen England vor knapp 60.000 Zuschauern im Wembley-Stadion und zig Millionen weltweit vorm TV (21 Uhr, ZDF). Die Squadra Azzurra, die seit 33 Spielen unbesiegt ist und den totalen Teamgeist verkörpert, ist viermaliger Weltmeister (1934, 1938, 1982, 2006) und wurde einmal Kontinental-Champion (1968). Die Three Lions hingegen, die sechs von sieben Spielen in Wembley austrugen und mit jeder größeren Stadionauslastung mehr von ihren Fans getragen wurden, haben außer dem WM-Triumph von 1966 nix Großes vorzuweisen. Wer sind die Helden, die die Bilanzen aufhübschen sollen? Der große KURIER-Vergleich.
TOR:
Gianluigi Donnarumma (22) gilt als eines der größten Torwart-Talente überhaupt, wechselt gerade vom großen AC Mailand zum (finanziell) noch viel größeren Paris SG. Der 1,96-m-Riese gab mit 17 sein Debüt, bestreitet sein erstes großes Turnier und blieb zuletzt stolze 1168 Minuten ohne Gegentor.
Jordan Pickford (27) gibt den Engländern das Gefühl, seit ewigen Zeiten wieder einen guten Keeper zu haben. Der Mann vom FC Everton (1,85 m) blieb bis zum bisher einzigen Turnier-Gegentor 725 Minuten unbezwungen (England-Rekord). Aber viele sagen, ein richtig guter Torwart hätte auch den Freistoß des Dänen Mikkel Damsgaard im Halbfinale herausgefischt. Echt gefordert war Pickford selten. Sollte viel Zeit in der Vorbereitung aufs Spiel damit verbringen zu beten, dass die Abwehr vor ihm steht wie bisher. Vorteil: Italien
ABWEHR:
Beide Teams setzen ohne Wenn und Aber auf eine Viererkette. Bei Italien (drei Gegentreffer) räumt das Altherren-Duo mit Leonardo Bonucci (34) und Giorgio Chiellini (36) im Zentrum alles ab. Rechts agiert Giovanni Di Lorenzo (27) bisher beinahe fehlerlos, links muss Emerson (26) versuchen, Viertelfinal-Pechvogel Leonardo Spinazzola (28/Achillessehnenriss gegen Belgien) irgendwie zu ersetzen. Verdammt schwer, so stark wie Spinazzola bis zu seinem Aus war.
Bei England (ein Turnier-Gegentor) steht die Manchester-Mauer mit Kyle Walker (31), John Stones (27, beide City), Harry Maguire (28) und Luke Shaw (25, beide United). Vor allem Letzterer, in Anlehnung an Brasilien-Gigant Roberto Carlos liebevoll „Shawberto Carlos“ genannt, spielt bislang auch offensiv ein überragendes Turnier. Vorteil: England
MITTELFELD:
Im Zentrum unterscheiden sich die Finalisten am deutlichsten. Liegt hier der Schlüssel zum Titel? Bei Italien ist der gebürtige Brasilianer Jorginho (29) der uneingeschränkte Boss, auch ohne richtig viel zu laufen. Das erledigen schließlich Nicolo Barella (24) und etwas weiter vorne die Pferdelunge Marco Verratti (28), die jedem Ball hinterherjagen.
England bietet als Zehner den bislang eher glücklosen Mason Mount (22) auf, immerhin glänzen Declan Rice (22) und Kalvin Phillips (25) auf der Sechs. Vorteil: Italien
ANGRIFF:

Bei Italien baute der Ex-Dortmunder Ciro Immobile (31) im Laufe des Turniers ab (oder schonte er sich nur für den Höhepunkt?). Von Lorenzo Insigne (30), dem Kämpfer mit dem Zauberfüßchen, geht immer Gefahr aus, Federico Chiesa (23) wird von Spiel zu Spiel besser.
Englands bislang überragender Mann ist Turbo-Dribbler Raheem Sterling (26), aber leider auch ein Elfer-Schinder. Dennoch: Gemeinsam mit den zuletzt immer stärker werdenden Kapitän Harry Kane (27) und Bukayo Saka (19) auf dem rechten Flügel ist die Offensive knackig besetzt. Unentschieden
X-FAKTOR:
Alle für Spina! Der verletzte Leonardo Spinazzola reist mit den Azzurri nach London, geht sogar mit ins Teamhotel. Schon nach dem gewonnenen Halbfinale hatte die Mannschaft das Trikot des Abwehrspielers in die Kameras gehalten und seinen Namen gerufen – das „Spinale“ kann kommen.
England setzt derweil voll auf den Wembley-Faktor. Mit fast 60.000 Fans im Rücken haben die Three Lions jede Menge Rückenwind, damit der Fußball endlich „nach Hause“ kommt. Vorteil England
Final-Splitter
- Ausnahme-Schiri: Eigentlich liegt die Altersgrenze der Uefa für Pfeifenmänner bei 45 Jahren. Holland meldete Björn Kuipers (48) trotzdem, die Schiri-Bosse des Europa-Verbandes drückten ein Auge zu und hielten auch bei der EM-Verlegung an ihm fest. Jetzt leitet der Geschäftsmann in seinem fünften großen Turnier sogar das Finale.
- Stadio orfano: Übersetzt: Keine Fete im Stadion: Das Olympiastadion in Rom bleibt dicht, die Ränge verwaist (orfano). Die Polizei sagte ein Final-Public-Viewing mit bis zu 16.000 Tifosi kurzfristig ab. Begründung: Es sei kein Sportevent, also dürften wegen Corona-Regeln maximal 1500 Personen ins Stadion. Nun gibt es öffentliches Schauen nur wie bisher auf drei Großbildschirmen im Zentrum Roms.
- Milde Strafen: Da lässt die Uefa England aber leicht vom Haken. Für die Laserpointer-Attacke im Halbfinale gegen Dänen-Torwart Kasper Schmeichel, das Stören der Dänen-Hymne und Feuerwerk werden nur 30.000 Euro Strafe fällig. Im Fall des Laserpointers ermittelt noch die britische Polizei.
- England trauert: Mitten in die Freude um den Final-Einzug platzte eine traurige Nachricht: Englands Ex-Nationalspieler Paul Mariner (35 Einsätze zwischen 1977 und 1985, 13 Tore) starb nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 68 Jahren.
- Ballack zufrieden: Ex-DFB-Kapitän Michael Ballack (44) hat Spaß an der EM: „Es war schön zu sehen, dass die meisten Teams nicht abgewartet, sondern ihr Heil in der Offensive gesucht haben.“