Gabor Kiraly sieht Ungarn im Duell mit Deutschland lange nicht auf einem verlorenen Posten.
Gabor Kiraly sieht Ungarn im Duell mit Deutschland lange nicht auf einem verlorenen Posten. Foto: Winter

Alle kennen ihn als den Kult-Keeper mit der Schlabberhose. Dabei legt Gabor Kiraly (45) als Unternehmer, der in seiner Heimatstadt Szombathely, deren Ehrenbürger er ist, eine Sportschule betreibt, eine fast noch steilere Karriere hin denn als Fußballer. Dieser Tage aber und gerade vor dem Hit zum Gruppenfinale gegen Deutschland (21 Uhr, ZDF) ist auch die einstige Nummer 1 von Hertha BSC, mit 108 Einsätzen Ungarns Rekord-Nationalspieler und mit 40 Jahren und 86 Tagen ältester EM-Spieler aller Zeiten, im Euro-Fieber. Kiraly weiß: Auch gegen Deutschland kommt Ungarn mit ganz viel Herz.

Kiraly ist des Lobes voll über seine Landsleute, zumal die Ungarn-Legende bei den bisherigen beiden Partien in der Ferenc-Puskas-Arena Augenzeuge war. „Es war ein herrliches Gefühl“, schwärmt der einstige Torhüter, „das Stadion war voll, die Stimmung war überragend, und die Leistung der ungarischen Mannschaft hat alle positiv überrascht. Schon das Spiel gegen Portugal war stark, denn es stand ja bis wenige Minuten vor Schluss 0:0, und das 1:1 gegen Frankreich hat allen noch mehr Schub gegeben.“

Gabor Kiraly sorgt sich vor dem Deutschland-Spiel nicht um Ungarn 

Ungarns Torhüter Peter Gulacsi (M) und seine Mitspieler freuen sich nach dem 1:1 gegen Frankreich.
Ungarns Torhüter Peter Gulacsi (M) und seine Mitspieler freuen sich nach dem 1:1 gegen Frankreich. Foto: dpa/Robert Michael

Viele sahen die Magyaren als den vielleicht krassesten Außenseiter dieses Turniers, als bloßen Punktelieferanten. Nicht so Gabor Kiraly: „Natürlich glaubten alle, wenn du in einer Gruppe mit dem Weltmeister, dem Europameister und dazu noch mit Deutschland spielst, dass du automatisch Letzter wirst. Aber noch ist es ja nicht zu Ende. Außerdem wollen die Leute die EM genießen. Genau das machen sie in vollen Zügen.“

Sogar den Hinweis, dass die Männer um Kapitän Adam Szalai unbedingt einen Dreier zum Verbleib im Turnier benötigen, um das DFB-Team nach Hause zu schicken und so für ein frühzeitiges Ende von Joachim Löw als Bundestrainer zu sorgen, kontert Kiraly auf seine lockere Art: „Es wird für beide Mannschaften kein einfaches Spiel, doch Deutschland braucht auch noch einen Punkt und hat in zwei Spielen immerhin schon drei Gegentore bekommen ...“

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Als Revanche für das „Wunder von Bern“, das damalige 3:2, mit dem Deutschland gegen die ungarische Wunderelf 1954 Weltmeister geworden ist, sieht Kiraly derweil nicht. „Das ist fast 70 Jahre her“, sagt er, „der Fußball hat sich in beiden Ländern entwickelt, wenn auch in verschiedene Richtungen. Deutschland hat deutlich mehr Erfolge, aber Ungarn hat viele junge Spieler, die überrascht haben und weiter überraschen können, die keine Angst haben, dafür aber großen Willen mitbringen, eine enorme Qualität besitzen und mit noch mehr Herz spielen.“

Gabor Kiraly blickt für Ungarn positiv in die Zukunft 

Einige von ihnen, so Torhüter Peter Gulacsi und Verteidiger Willi Orban für Leipzig, Roland Sallai für Freiburg und Adam Szalai für Mainz, spielen in der Bundesliga. Dass dieses Quartett den deutschen Fußball aus dem Effeff kennt, ist für Kiraly weder Vor- noch Nachteil. „Die einen kennen die Bundesliga“, wägt er ab, „die anderen aber wissen um die Stärken der ungarischen Jungs, die in Deutschland spielen. Das hält sich die Waage.“

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Die Entwicklung, die gerade die jungen ungarischen Spieler auch in der Bundesliga nehmen und genommen haben, sei für den Fortschritt des Fußballs in seiner Heimat viel wichtiger, so der einstige Kult-Keeper. „In meiner Generation waren es Krisztian Lisztes, Pal Dardai und ein klein wenig vielleicht auch ich, die in der Bundesliga gespielt haben und den Fußball in Ungarn bereichert haben. Auch in Cottbus haben einige Ungarn gespielt, die wichtig waren für uns. Alle, die die Bundesliga-Welt erlebt haben, haben uns weitergebracht.“

Ganz gleich, wie der Hit morgen ausgeht, ob für Ungarn der EM-Abschied kommt oder doch der Sprung ins Achtelfinale, allein mit der Teilnahme und der grenzenlosen Euphorie um das Team des italienischen Trainers Marco Rossi ist Kiraly um die Zukunft des Fußballs „Made in Hungary“ nicht bange. „Wir haben uns jetzt zweimal hintereinander für die EM qualifiziert und wir haben eine junge Mannschaft mit guter Mentalität und mit Persönlichkeiten. Bei uns hat sich viel getan, das lässt mich für die Zukunft hoffen.“

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