EM-Duell 1996: Paul Gascoigne (l.) setzt sich mit den Engländern gegen Schottland mit Gary McAllister durch.
EM-Duell 1996: Paul Gascoigne (l.) setzt sich mit den Engländern gegen Schottland mit Gary McAllister durch. imago/Mary Evans

An diesem Freitag ist es wieder so weit, London wird von einer Horde Mel-Gibson-Verschnitten mit blau-weiß geschminkten Gesichtern geflutet werden. Die Bravehearts machen sich bereit für den Kampf gegen den „Auld Enemy“.  Londons Bürgermeister Sadiq Khan mag noch so sehr flehen: „In einer perfekten Welt würde ich die Tartan Army mit offenen Armen in London empfangen“, sagte Khan, „aber angesichts des Anstiegs der Coronafälle, wenn im Kampf gegen das Virus so viel auf dem Spiel steht, kann ich das dieses Mal leider nicht machen. Das Beste ist also, wenn sie nicht nach London kommen und das Spiel lieber zuhause genießen.“

23 Jahre des schottischen Schmerzes

Appelle wie diese werden verhallen, als ob sie nie ausgesprochen wurden. Die älteste Länderspielpaarung der Welt geht in ihre 115. Auflage. Im Wembley Stadion steigt The Battle of Britain. England erwartet wie schon beim letztmaligen EM-Duell 1996 seinen Nachbarn Schottland, der mit so viel Euphorie in das Turnier gestartet war und dann zu Beginn gegen Tschechien gleich böse abstürzte. „Czech Mate", ein Wortspiel in Anlehnung an „checkmate“, also „Schachmatt“, titelte die Glasgow Times nach dem 0:2.

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Die erste Ernüchterung nach dem verpatzten Turnierauftakt ist dem Trotz gewichen. Nach „23 years of hurt“, den viel zitierten 23 Jahren des Schmerzes ohne Turnier-Teilnahme, könnte ein Spiel all das ändern.  Schottlands Regierungschefin stimmte die Fußball-Nation schon auf das Duell ein. „Trotzdem immer weiter ... nächster Halt Wembley #COMEONSCOTLAND“, twitterte Nicola Sturgeon mit einem Smiley, das eine Träne im Auge hatte.

Die Rivalität sitzt tief. Und hat in Zeiten des Brexits und der Unabhängigkeitsbestrebungen der Schotten auch eine politische Dimension. Selbst wenn beide Team gemeinsam den Kniefall machen wollen als Zeichen im Kampf gegen den Rassismus. Doch darüber hinaus werden die Gemeinsamkeiten kaum gehen.

Auch auf Bilder von Pfeifchen schmauchenden Engländern kurz vor dem Anpfiff wie einst am 30. November 1872 beim ersten offiziellen Länderspiel der Three Lions gegen den Highlander wird man verzichten müssen. 4000 Fans verfolgten damals das 0:0. Am Freitag im Wembley werden es immerhin um die 22.000 sein. Der Manchester Guardian widmete der Partie seinerzeit einen Bericht von gerade einmal 124 Wörtern. Die zeitgleich steigende Rinderviehausstellung in Birmingham hatte auf der gleichen Seite deutlich mehr Platz eingeräumt bekommen.

Wembley als gutes Omen

Historisch gesehen liegen die Schotten sogar ganz gut im Rennen. 48 Kicks gingen an England, 41 an die Gäste. Doch deren ganzen Erfolge beruhten mehr auf der Frühzeit des Fußballs. Der letzte Sieg liegt auch schon 22 Jahre zurück. Ebenfalls im Wembley, was die Schotten als gutes Omen nehmen. „Wenn Schottland das erste Tor gelingt, ist alles möglich“, glaubt Sir Alex Ferguson, der 27 Jahre lang Teammanager bei Manchester United war. Das Herz der Bravehearts schlägt im Mittelfeld, das mit den Premier-League-Profis Scott McTominay (Manchester United), Stuart Armstrong (FC Southampton) und John McGinn (Aston Villa) stark besetzt ist.

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Und wenn es gegen die starken Engländer schiefgehen sollte, dann werfen die Schotten doch nicht ihre Dudelsäcke aus Verzweiflung in die Bergschluchten. Im letzten Gruppenspiel steht ja im heimischen Hampden Park das Duell mit Vizeweltmeister Kroatien an. Ein Sieg dort könnte reichen, um als einer der vier besten Gruppendritten weiterzukommen. Die schottische Sun erinnerte vorsorglich schon mal daran, dass Portugal 2016 mit nur drei Punkten aus der Gruppenphase dennoch später Europameister geworden war.

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