Derby-Lust und Derby-Frust
Das wollen sowohl Gastgeber Hertha BSC als auch Gast 1. FC Union im Rückspiel um die Stadtmeisterschaft (noch) besser machenas Wichtigste.

Das Wichtigste vorweg: Einen Platzsturm wie nach dem 1:0 der Eisernen am 2. November vorigen Jahres in der Alten Försterei wird es nicht geben. Wie auch, die Zuschauer müssen, jammerschade für jeden Blau-Weißen und Rot-Weißen, draußen bleiben. So muss der Schiri das Spiel zwischendurch auch nicht unterbrechen, wie es in Köpenick unmittelbar nach dem Seitenwechsel für sechs Minuten der Fall war, weil in beiden Fan-Blöcken Pyros gezündet wurden und eine Rakete aus dem Arsenal der Gäste ganz in der Nähe von Unions Assistenztrainer Markus Hoffmann eingeschlagen war. All das sorgte für reichlich Derby-Frust. Freitag – nicht erst ab 20.30 Uhr für die Dauer der Partie, aber da vor allem – geht es um Derby-Lust. Wenn möglich auf beiden Seiten, denn es steht viel auf dem Spiel.
Die Stadtmeisterschaft: Der 1. FC Union hat vorgelegt. Noch besser für die Wuhlheider: Bei ihnen steht hinten die Null. Steht die auch bei Abpfiff eisern, ist die Frage nach dem Hauptstadt-Titel beantwortet, dann sind die Rot-Weißen obenauf. Abgerechnet wird nach dem Europapokalprinzip, bei Torgleichheit nach Hin- und Rückspiel (hier allerdings ohne Verlängerung, natürlich auch ohne Elfmeterschießen) geben die auswärts erzielten Treffer den Ausschlag. Also: Bei jeder Niederlage mit einem Tor Unterschied, außer eben beim 0:1, haben die Eisernen hauchdünn die Nase vorn. Für die Blau-Weißen gilt: Ein Sieg muss her! Am besten einer mit zwei Toren Differenz. Das haben sie beim 3:0 in Hoffenheim schon mal wunderbar hinbekommen.
Der Klassenerhalt: Die Stadtmeisterschaft ist das eine, der Klassenerhalt das andere. Für Hertha sollte das keine Frage sein, selbst nach einer Chaos-Turbulenz-Vier-Trainer-Saison wie dieser nicht. 31 Punkte sind noch kein Ruhekissen, das wissen die Männer um Kapitän Vedad Ibisevic. Ein weiterer Dreier aber, der zweite nach dem Sieg beim Re-Start in Sinsheim, wäre Balsam auf die bislang geschundenen Seelen und ein Meilenstein auf dem Weg, sich aus dem Abstiegs-Staub zu machen. Für die Eisernen ist der Klassenerhalt sowieso das Ziel der Ziele in dieser historischen Saison. Auch sie wären mit einem Dreier ihrem Traum ganz nahe. Andererseits: Da sich die anderen Kellerkinder in den Spielen gegeneinander ebenfalls gegenseitig die Punkte abnehmen (das 0:0 von Düsseldorf gegen Paderborn spielte wohl am meisten Hertha und Union in die Karten), könnten beide wohl auch mit einem Unentschieden leben. Zur Not und wenn partout nicht mehr drin sein sollte.
Die Rollenverteilung: Hertha ist Favorit, klar. „Eines der spannendsten Fußball-Projekte in Europa“ möchte sich den Rivalen vor der eigenen Haustür möglichst ganz weg vom Latz halten. Die blau-weißen Ansprüche sind denen der Rot-Weißen deutlich voraus. Dazu würde vorerst sicherlich auch ein „dreckiger“ Sieg reichen, das wäre aber nur ein Erfolg für den Moment. Die Ambitionen stehen allein im selbst gegebenen Namen: Big-City-Club. Aber: In der Rolle des Außenseiters fühlen sich die Wuhlheider besonders wohl. Niemand bei ihnen hat zudem vergessen, dass die lauten (und überheblichen) Töne (in den beiden Spielen haben wir sechs Punkte schon sicher) vor der Saison aus Charlottenburg kamen.
Der Druck: Stadtmeisterschaft hin, Klassenerhalt her – der liegt eindeutig bei den Blau-Weißen. Sie wissen ihre Anhänger im Nacken, die eine weitere Schlappe gegen den Rivalen aus Köpenick nur ganz schwer verknusen könnten. Zudem verlangen die Millionen, die über Investor Lars Windhorst in den Verein flossen, nach Triumphen. Soll in der kommenden Saison der Angriff auf die Plätze für einen Start in Europa erfolgen, sollte schon jetzt die Basis dafür gelegt werden. Die Rot-Weißen haben lediglich den Druck, ihren bislang komfortablen Vorsprung auf Relegationsplatz 16 (immerhin noch sieben Zähler) nicht einzubüßen. Jeder weitere Zähler ist deshalb willkommen. Erst recht, wenn es einer beim Stadtrivalen ist.
Der besondere Charakter: Fast könnte man wie beim Pokal mit den eigenen Gesetzen eines solchen Spieles zweier Stadtrivalen kommen. Fakt aber ist: Ein Derby elektrisiert. Manchmal beflügelt, manchmal lähmt es. Zudem spielen die Nerven eine große Rolle, einerseits ist da bei einem Triumph die Aussicht auf die besondere Aufmerksamkeit in der Stadt, andererseits bei einer Niederlage die Furcht vor dummer Anmache oder blöden Sprüchen. Nur so ist zu erklären, dass der Außenseiter öfter als sonst gewinnt.
Alles rund um das Rückspiel zwischen Hertha und Union lesen Sie morgen in der KURIER Derby-Beilage.