Emotionen pur: Beim ersten Bundesliga-Derby ging es an der Alten Försterei gegen Hertha BSC nicht nur auf dem Feld heiß her.
Emotionen pur: Beim ersten Bundesliga-Derby ging es an der Alten Försterei gegen Hertha BSC nicht nur auf dem Feld heiß her. dpa

Es gibt andernorts heißere Duelle, zumindest viel ältere, schon klar. Man schaue nur nach London zu Chelsea, Arsenal und Tottenham, nach Mailand zum AC und Inter, nach Madrid zu Real und Atletico, nach Istanbul zu Galatasaray, Besiktas und Fenerbahce, nach Moskau, Glasgow und Barcelona, nach Prag, Budapest, Athen und Belgrad. Trotzdem: Berlin holt auf, der 1. FC Union und Hertha BSC haben, was das Hauptstadt-Derby in Deutschland angeht, den Turbo eingelegt. Sie sind auf der Überholspur.

Was einst in der 2. Bundesliga passiert ist, hat die Anhänger des 1. FC Union und die von Hertha BSC elektrisiert. Doch es war höchstens ein Vorgeschmack auf Größeres. Zwar besaßen auch die damaligen vier Derbys, in denen es keinen (!) Heimsieg gab, Spannung, Rasse und noch mehr Emotionen, das ist aber nichts gegen die bisherigen vier Derbys in der Bundesliga, in denen es – völlig konträr – keinen (!) Auswärtssieg gab.

Köpenick trifft auf Charlottenburg

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Nun heißt es also zum insgesamt neunten Mal: Die Hauptstadt ist im Derby-Fieber! Rot-Weiß gegen Blau-Weiß, Köpenick trifft auf Charlottenburg, jüngstes Kind in Deutschlands Eliteliga fordert das Gründungsmitglied der Bundesliga heraus, Arbeiterverein, der er längst nicht mehr ist, gegen Big-City-Klub, der er längst noch nicht ist. Oder für die Kurve ganz einfach und für jeden am besten fassbar: Alte Försterei gegen Alte Dame!

Typisch Derby: Herthas Peer Kluge (l.) und Christopher Quiring sind so gar nicht einer Meinung. 
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Typisch Derby: Herthas Peer Kluge (l.) und Christopher Quiring sind so gar nicht einer Meinung. 

Immer wieder stellt sich in diesem Derby die Frage nach dem Stadtmeister. Bis auf das erste Mal, mit dem 2:1-Sieg im Olympiastadion nach Toren von John Jairo Mosquera und Torsten Mattuschka, als die Eisernen auf diesen imaginären Thron kletterten, hatten die Blau-Weißen das bessere Ende für sich. Nur: In der Bundesliga haben die Rot-Weißen ihnen beide Male den Rang abgelaufen. In der Saison 2019/20 nur moralisch, weil der jahrelange Platzhirsch bei Punktgleichheit um ganze sechs Törchen besser war als der Herausforderer. Im vorigen Spieljahr dann um so eindrucksvoller, als die Männer aus der Wuhlheide erfolgreich um einen Platz in Europa spielten, die aus Westend jedoch erst in Runde 33 den Klassenerhalt eintüteten.

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Gänsehautmoment an der Wuhle: Sebastian Polter dreht nach seinem Elfmetertor zu Unions 1:0-Sieg gegen Hertha BSC jubelnd ab.
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Gänsehautmoment an der Wuhle: Sebastian Polter dreht nach seinem Elfmetertor zu Unions 1:0-Sieg gegen Hertha BSC jubelnd ab.

Ein Sieg im Derby ist schön, ein Sieg im Derby ist wichtig und ein Sieg im Derby ist vor allem was für die Psyche und noch ein klein wenig mehr für die Kurve. So ein Dreier beflügelt, setzt neue Kräfte frei und schafft eine breite Brust. Erfolge gegen den Stadtrivalen sind auch deshalb besonders haltbar, weil die Fans davon noch nach Jahren an den Stammtischen schwärmen. Vielleicht wie im Fall des Triumphes der Eisernen im ersten Erstliga-Derby vor fast genau zwei Jahren durch den späten Hammer-Elfmeter von Sebastian Polter oder im Fall der Charlottenburger mit dem 4:0-Festival im damaligen Rückspiel noch nach Jahrzehnten. So jedenfalls ist es anzunehmen, wenn die dann in die Jahre gekommenen Anhänger derRot-Weißen und die der Blau-Weißen ihre Unterhaltung mit einem vielsagenden „Weißt du noch …?“ beginnen.

Union gegen Hertha: Hauptsache es bleibt fair

Einen Favoriten gibt es wie immer nicht, selbst wenn die Jungs aus Köpenick auch in dieser Saison ordentlich performen und die aus Westend für ihre Verhältnisse und vor allem für ihre Ansprüche viel zu oft stolperten. Auch die Historie hilft nicht weiter, denn das 80. Bundesligaspiel des 1. FC Union ist mit nichts zu vergleichen mit dem 1296. Auftritt von Hertha BSC. Was allein zählt, das ist die Tagesform, das Vertrauen ins eigene Können, das Momentum des Augenblicks und wohl ein wenig auch das Spielglück.

Am wichtigsten aber: Es soll spannend sein, prickelnd, es soll fair bleiben auf dem Rasen, auf den Rängen und drumherum und es soll ein Leckerbissen werden. Ein Spiel zum Genießen, eines, wovon es nie genug geben kann und es deshalb im Pokal-Achtelfinale am 19. Januar eher ungewollt zu einem zusätzlichen Match kommt. Vor allem aber eines, von denen alle sagen: Davon auch um Punkte im Rückspiel im April viel mehr, damit es in der Liga vielleicht bald schon ein Klassiker wird.

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