Berlin: Eine Schallplatte liegt auf einer Box mit weiteren Tonträgern. Die Nachfrage nach Vinyl-Schallplatten steigt wieder verstärkt. 
Berlin: Eine Schallplatte liegt auf einer Box mit weiteren Tonträgern. Die Nachfrage nach Vinyl-Schallplatten steigt wieder verstärkt.  Hannes P. Albert/dpa

Man hätte es ahnen können: Trotz des Streaming-Booms lassen sich Schallplatten weiter in vielen Berliner Regalen finden. Wer seine Plattensammlung erweitern möchte, muss mittlerweile aber ordentlich abdrücken. Die Preise sind explodiert.

Es knackt, es knistert, es kratzt, und plötzlich spielt Musik: Schallplatten gehören längst nicht mehr zu Relikten aus der Vergangenheit. Während früher Bands wie die Beatles die Regale der Plattenläden schmückten, tummeln sich heute Popstars wie Taylor Swift oder Harry Styles unter den Neuauflagen.

Und das scheint anzukommen: Sowohl Retro-Platte als auch Neuerscheinung werden weiter gut verkauft. Das spiegeln auch steigende Vinyl-Absatzzahlen wider. Laut dem Bundesverband Musikindustrie (BVMI) legte der Absatz 2022 mit 4,3 Millionen verkauften Platten um 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Was macht also den Charme der analogen Tonträger aus?

Die Gründe für die Renaissance der schwarzen Scheiben sind vielfältig. „Für viele Menschen hat die Schallplatte einen besonderen Klang, zugleich ist sie etwas zum Anfassen, zum bewusst Auflegen und Hören“, teilt der Verband mit. Der Klang sei der CD allerdings technisch nicht überlegen. Vielmehr sei „die Wahrnehmung der Qualität unterschiedlicher Medien oft recht subjektiv“.

Die Platte erfülle zudem das Bedürfnis nach haptischem Erleben, das für eine zusätzliche Form der Künstlernähe, für Authentizität und Entschleunigung stehe. Auch „der Coolness- und Lifestyle-Faktor“ sei entscheidend.

Coolness- und Lifestyle-Faktor bei Schallplatten entscheidend

Der Forscher Steffen Lepa von der Gesellschaft für Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung sagt, das Faible für Platten hänge auch damit zusammen, dass Menschen Gewohnheitstiere seien, was das Musikhören angeht. Nicht nur der Musikgeschmack wird bereits früh geprägt, auch die Hörgewohnheiten entwickeln sich primär im Jugendalter.

„Der Musikgeschmack bleibt lange erhalten. Nach 30 ändern viele Menschen ihren Musikgeschmack nicht mehr. Genau das gleiche passiert auch mit den Technologien, denn wir verbinden damit ganz viele wichtige Erfahrungen“, sagt Lepa.

Anders als die CD sei die Schallplatte außerdem in der Musikkultur, besonders aber in der DJ-Kultur verankert. „Gerade elektronische Musik und HipHop oder Reggae, diese Musik basiert darauf, dass DJs Platten gemischt haben. Das ist die künstlerische Praxis der Wiederverwendung bestehender Musik“, betont Lepa.

Schallplatte besonders in der DJ-Kultur verankert

Während Schallplatten also gerade bei älteren Generationen ein nostalgisches Gefühl hervorrufen können, erleben jüngere Musikbegeisterte eine Art „Para-Nostalgie“. „Gerade Millennials empfinden diese Sehnsucht nach einer Zeit, bei der der Tonträger noch eine besondere Erfahrung war. Wir haben zurzeit grenzenlose Möglichkeiten, es ist alles im Überfluss da und Überfluss ist auch immer eine Entwertung“, betont der Musikwissenschaftler.

Schallplatten haben mehrere Eigenschaften, die sie gegenüber der CD überlegen machen können.
Schallplatten haben mehrere Eigenschaften, die sie gegenüber der CD überlegen machen können. Imagebroker/imago

Um also ein gewisses Maß an Nostalgie zu erleben, eignet sich der Besuch in einem Plattenladen. „Wir haben hier alle Altersklassen. Es kommen Jungs und Mädels, die sind 13 oder 14. Und das geht bis weit in die 80er rein“, erzählt der Inhaber Malte Uder des Plattenladens Vinyls From Berlin.

Das Geschäft mit den Schallplatten ist Uder zufolge stark beeinflusst von der Musikindustrie. „Die haben eine sehr große Verantwortung. Gerade viele junge und neue Bands können nicht pressen, weil es viele Neuveröffentlichungen von großen Stars gibt.“

Presswerke wie Intakt aus Berlin verzeichnen seit Jahren einen Anstieg an Bestellungen. „Es hat ein ziemlich starkes Wachstum gegeben in den letzten Jahren“, sagt Betreiber Max Gössler. Neben kleineren Künstlerinnen und Künstlern seien es vor allem auch große Labels, die bei größeren Presswerken für Aufträge sorgen. „Der amerikanische Markt hat ab 2020 auch sehr stark im europäischen Markt pressen lassen“, erklärt Gössler.

Schallplatten-Presswerke aus Berlin verzeichnen einen Anstieg an Bestellungen

Allerdings hätte vor allem die Corona-Pandemie zu Lieferengpässen geführt. „Wir hatten da teilweise zwölf Monate Lieferzeit, weil alle im Januar alles für den Rest des Jahres gebucht haben. Da waren die Presswerke schnell voll.“ Gleichzeitig sei es neben Lieferengpässen auch zu Preiserhöhungen durch die Inflation gekommen, sodass auch die Produktion und am Ende auch die Platten teurer wurden.

Die Preise für eine Schallplatte sind auf etwa 30 Euro gestiegen. „Es hat sich mittlerweile wieder alles entspannt und wir haben so zwei bis drei Monate Lieferzeit“, erklärt Gössler. Die hohen Preise seien allerdings geblieben. „Wir müssen gucken, wie die wirtschaftliche Entwicklung ist, aber bisher ist nicht absehbar, dass Vinyl dadurch weniger wird.“

Besonders DJs stehen nach wie vor auf Schallplatten.
Besonders DJs stehen nach wie vor auf Schallplatten. Pixsell/imago

Das Plattengeschäft scheint sich also zu halten. Und zwar so gut, dass es nach dem Audio-Streaming und der CD als drittstärkstes Umsatzsegment gilt. Auch ein Blick in den internationalen Musikmarkt zeigt, dass die Musik aus den Rillen gut ankommt.

Klang von Schallplatten wird als wärmer und natürlicher empfunden

Beispielsweise sind in den USA im vergangenen Jahr erstmals seit 1987 wieder mehr Vinyls verkauft worden als CDs. „Es ist in jedem Fall ein beeindruckendes Comeback, das seinen Anfang 2007 genommen hat und sich bis heute fortsetzt, also ein langfristiges Wachstum, kein kurzfristiger Boom“, betont der Verband Musikindustrie.

Die Schallplatte hat mehrere Eigenschaften, die sie gegenüber der CD als Medium überlegen machen können:

Analoger Klang: Schallplatten verwenden eine analoge Aufzeichnungsmethode, bei der die Musik in physischen Rillen auf der Platte gespeichert wird. Beim Abspielen wird die Rille von einer Nadel abgetastet, die die mechanischen Schwingungen in Klang umwandelt. Dieser analoge Klang kann von Hörern als wärmer, natürlicher und nuancierter empfunden werden im Vergleich zum digitalen Klang der CD, der aus diskreten Abtastungen besteht.

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Dynamikbereich: Schallplatten haben oft einen größeren Dynamikbereich als CDs. Das bedeutet, dass sie besser in der Lage sind, feinere Nuancen zwischen leisen und lauten Passagen einer Aufnahme darzustellen. CDs werden aufgrund der Begrenzungen der digitalen Technologie manchmal mit einem begrenzten Dynamikbereich abgemischt.

Haptik und Ästhetik: Schallplatten sind physische Objekte, die eine Haptik und Ästhetik bieten. Viele Menschen genießen das Ritual des Herausnehmens der Platte aus der Hülle, das Auflegen auf den Plattenspieler und das Betrachten der Albumcover. Die größeren Cover und Artworks bieten auch eine bessere Sichtbarkeit der Details im Vergleich zu den kleineren Booklets der CDs.

Sammlerwert: Schallplatten haben oft einen höheren Sammlerwert als CDs, insbesondere wenn es sich um seltene oder limitierte Editionen handelt. Vinylplatten werden oft als besondere Sammlerstücke angesehen und können für Liebhaber und Enthusiasten interessant sein.