Vorlesen ist für Kindern so wichtig, trotzdem machen es viel zu wenige Eltern.
Vorlesen ist für Kindern so wichtig, trotzdem machen es viel zu wenige Eltern. Foto: imago images / Westend61

Am 2. April ist Weltkinderbuchtag. Vor allem in Coronazeiten ist der Griff zum Buch eine willkommene Abwechslung zum Dauerentertainer Fernsehen. Doch wie ist es um das Lesen hierzulande bestellt? Nach Zahlen von Statista lasen 34 Prozent der 12 bis 19-Jährigen im Jahr 2019 mehrmals pro Woche ein gedrucktes Buch, Tendenz sinkend. 18 Prozent gaben sogar an, niemals ein Buch zu lesen. Dabei wird der Grundstein schon bei Kita-Kindern gelegt – mit dem Vorlesen.

Rund 32 Prozent der Eltern in Deutschland lesen ihren Kindern selten oder nie vor – das ergab eine Studie. Dabei hat Vorlesen mehr als nur einen positiven Effekt auf die individuelle Entwicklung von Kindern: Jungs und Mädchen, die regelmäßig vorgelesen bekommen, haben mehr Fantasie, sind sozialer, kreativer und meist auch besser in der Schule.

Trotzdem nehmen sich ein Drittel der Eltern nicht die Zeit, ihrem Nachwuchs vorzulesen. Mit teils erschreckenden Begründungen. Für die Studie der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Deutschen Bahn Stiftung wurden bundesweit 528 Eltern befragt, die maximal einmal pro Woche vorlesen.

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Haarsträubende Begründungen fürs Nicht-Vorlesen

Häufig fehlt es an Zeit und Bereitschaft zum Vorlesen. Die Hälfte der Eltern gibt an, dass es im Haushalt anderes zu tun gibt und sie zu erschöpft zum Vorlesen sind. Außerdem denken 48 Prozent der befragten Eltern, dass ihren Kindern woanders schon genug vorgelesen wird, vor allem in der Kita. 68 Prozent der befragten Haushalte geben an, dass ihre Kinder maximal zehn Bücher haben. Und 49 Prozent der Eltern macht Vorlesen schlicht keinen Spaß.

„Viele der befragten Eltern stehen dem Vorlesen kritisch gegenüber – es macht ihnen keinen Spaß, weil sie sich der Aufgabe nicht gewachsen fühlen“, sagt Dr. Jörg F. Maas von der Stiftung Lesen. „Die Hälfte hat in ihrer eigenen Kindheit zu Hause keine Vorleseerfahrungen gemacht. Ihnen fehlt das Vertrauen, dass Vorlesen jederzeit und überall ohne Übung möglich ist.“

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Acht gute Gründe, warum ich jeden Abend vorlese

Ein Drittel der Eltern lesen Ihren Kindern also nicht vor. Ich als Mama kann das nicht verstehen. Auch mein Tag hat nur 24 Stunden, die fast nie ausreichen für das, was im Leben einer vollzeitarbeitenden Mutter nun mal so anfällt.

Aber deshalb aufs Vorlesen zu verzichten? Niemals! Wie oft sind diese zwanzig Minuten am Abend die schönsten des Tages – für mich und meine sechsjährige Tochter. Hier kommen meine acht guten Gründe, warum ich jeden Abend vorlese:

  • Zur Ruhe kommen: Nach dem hektischen Alltag mit Arbeit, Schule und Hobbys ist es manchmal nicht leicht, runterzukommen. Der Vorlesen hilft uns dabei.
  • Kuschel-Zeit genießen: Zu keinem Zeitpunkt am Tag können wir so intensiv und ausdauern gegenseitige Nähe genießen wie am Abend. Wenn ich vorlese, liegt meine Tochter in meinem Arm und lauscht andächtig.
  • Fantasie anregen: Die Geschichten aus den Büchern wandern nicht selten in die Lebenswelt meiner Tochter. Dann wird auf dem Schulhof das Tier imitiert, das gerade die Hauptrolle im Vorlese-Buch spielt – in ihrer ganz eigenen Interpretation.
  • Wissen vermitteln: Viele Kinderbücher fördern nicht nur die Fantasie, sondern vermitteln auch wichtiges Wissen. Über soziales Verhalten zum Beispiel – wie Konflikte gelöst werden oder wie man sein Selbstvertrauen stärken kann. Auch Faktenwissen kommt oft nicht zu kurz. Bei uns war das kürzlich alles rund um den „Zauberlehrling“.
  • Konzentration fördern: Ruhig liegen bleiben, sich ganz auf die Geschichte einlassen, ihr folgen. Figuren und Orte in Zusammenhänge bringen. Auch am nächsten Tag noch wissen, warum es gestern ging. Es gibt nicht viele Situationen, die die Konzentrationsfähigkeit so gut fördern wie das Vorlesen.
  • Ins Gespräch kommen: Vorlesen heißt, sich Zeit zu nehmen. Nicht eine Geschichte von Anfang bis Ende durchlesen, das Buch zuzuklappen und wegzugehen. Vorlesen heißt, ins Gespräch zu kommen. Auch zwischen den Zeilen die Fragen des Kindes zu beantworten. Ihm zuhören, wenn seine Gedanken es von der Geschichte in das eigene Erlebte lenken.
  • Sprachkompetenz entwickeln: Egal, wie alt der Nachwuchs ist: Mit dem Vorlesen kann man nicht früh genug beginnen. Halten Sie mich für verrückt, aber schon in der Schwangerschaft habe ich meiner Tochter vorgelesen. Als sie neugeboren war, habe ich ihr vorgelesen. Nicht mit dem primären Ziel, ihr die Sprache beizubringen – das ist nebenbei passiert, automatisch. Ihr Wortschatz ist riesig – auch dank des Vorlesens.
  • Lesefreude stärken: Wer vorgelesen bekommt, liest auch selber gern. Das belegen Studien. Und das zeigt auch meine Erfahrung. Meine Tochter, vor wenigen Wochen eingeschult, schnappt jeden Buchstaben auf, entziffert jedes Wort, das ihr vor die Augen kommt. Der Name der Supermarkt-Kette, bei der wir einkaufen, der Spruch auf dem Wohnzimmer-Kissen. Von ihren Erstlesebüchern mal ganz abgesehen.

P.S. Im Moment lesen wir den zehn Band von „Die Schule der magischen Tiere“ – jeden Abend ein bis zwei Kapitel, manchmal auch mehr, wenn es uns zu sehr fesselt. Die beiden Erstlese-Bücher der Reihe hat meine Erstklässlerin längst ausgelesen und ließt selbst jetzt die Geschichten von „Bibi und Tina“. Sie brauchen mehr Inspiration? Dann klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie.