Unter Hammer und Zirkel
Traumschiffe der DDR: Sozialismus auf dem Sonnendeck
Die Schiffe „Völkerfreundschaft“, „Arkona“ und „Fritz Heckert“ sollten die Welt für die DDR-Bürger auf Kreuzfahrten erfahrbar machen.

Aus heutiger Sicht ist es ein Widerspruch: Ausgerechnet die sozialistische DDR betrieb drei Jahrzehnte lang das kapitalistische Reisevergnügen par excellence: Kreuzfahrten. Der Arbeiter- und Bauernstaat war eigentlich geprägt von Mangelwirtschaft und Abschottung, dennoch bot er seinen Bürgern Fernreisen, Vergnügen und Luxus. Wie das zusammenpasst, dokumentiert ein Arte-Film.
„Wir sind doch hier nicht auf der ‚Fritz Heckert‘.“ Das geflügelte Wort war in der DDR bekannt. So luxuriös wie auf dem Kreuzfahrtschiff, das in der DDR FDGB-Urlauberschiff hieß, ging es im Alltag selten zu. Die Doku von Alexander Hogh, „Traumschiffe der DDR“ (in der Mediathek), berichtet immerhin von einer Speisekarte mit Schweineröllchen, Krebsfleischsalat und Känguruschwanzsuppe. Auf den Sonnendecks aalen sich die Passagiere in gestreiften Liegestühlen und Korbsesseln. Am Heck weht die Flagge mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz.
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Urlaub in der DDR – Kreuzfahrt unter Hammer, Zirkel und Ährenkranz
Moment mal, DDR und Kreuzfahrt-Luxus? In einem Land, in dem hinter Warnemünde und Hiddensee Schluss war mit großer weiter Welt eine eigene Kreuzfahrtflotte? Was zunächst widersprüchlich klingt, zog die DDR über 30 Jahre lang durch. Die DDR wollte partout als Kreuzfahrtnation brillieren und willigen Bürgern mit einer außergewöhnlichen Reise Anerkennung zollen. Die wenigsten aber gelangten wirklich in den Genuss einer Seereise.
1960 lief die „Fritz Heckert“ vom Stapel, der modernste Passagierdampfer seiner Zeit, benannt nach einem Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. Auf den Decks waren alle Kabinen gleich ausgestattet, der Klassengesellschaft zeigte man die sozialistische Schulter. Die Jungfernfahrt der „Fritz Heckert“ mit 350 Passagieren, die vom DDR-Geheimdienst nach „politischer Zuverlässigkeit“ ausgewählt wurden, führte nach Helsinki, St. Petersburg und Riga. Acht Decks hatte das Kreuzfahrtschiff. Darauf verteilt befanden sich 112 Zweibett-, 33 Dreibett- und 14 Vierbettkabinen, zwei Schwimmbäder, Restaurants, Sportplatz und Kino.
Im Arte-Film sagt Historiker Andreas Stirn: „Dieses Urlauberschiff soll wie ein Vorbote der guten, sozialistischen oder sogar kommunistischen Gesellschaft sein. Und das Urlauberschiff ist ein konkretes Objekt. Da kann man halt wirklich auch Träume darauf projizieren.“ Noch vor dem Mauerbau 1961 fuhren die „Fritz Heckert“ und ab 1960 auch ein zweites Kreuzfahrtschiff mit Urlaubern nach Skandinavien und zu den Mittelmeerhäfen.
DDR-Schiff „Völkerfreundschaft“ kollidierte zuvor mit der „Andrea Doria “
Besonders der Erwerb der „MS Völkerfreundschaft“ war ein Coup der DDR-Regierung. Das Schiff war unter dem Namen „Stockholm“ unterwegs gewesen, als es im Juli 1956 in dichtem Nebel im Atlantik mit der „Andrea Doria“ kollidierte. Während der italienische Luxusliner sank, konnte sich die „Stockholm“ nach New York retten. Nach einer Reparatur war das gezeichnete Schiff für die DDR ein willkommenes Schnäppchen.

Für die meisten Menschen blieb der Traum von einer Kreuzfahrt auch ein Traum. Besonders als mit dem Mauerbau die meisten Destinationen wegfielen. Während die „Fritz Heckert“ nach 1961 vor allem in der Ostsee schipperte, konnte die größere Völkerfreundschaft immerhin den Seeweg nach Kuba antreten.
DDR-Urlauber mitten in der Seeblockade vor Kuba
Dort geriet die „Völkerfreundschaft“ 1962 vollbeladen mit Passagieren mitten in die ausbrechende Kuba-Krise hinein. Auf dem Höhepunkt der Kuba-Krise durchbrach das Schiff die See-Blockade der Amerikaner, Kennedy selber hatte sein Okay für die Urlauber gegeben, nach dem zuvor die US-Marine das Schiff flankiert hatte, Flugzeuge über die „Völkerfreundschaft“ gedonnert waren.
Von den 300.000 Passagieren, die von den DDR-Kreuzfahrtschiffen drei Jahrzehnte lang über die Weltmeere geschippert wurden, nutzen einige die Reise zur Flucht. Auch davon erzählt die Doku. 233 gelungene Fluchten auf hoher See sind beschrieben. Als der DDR in den 1970er-Jahren die Devisen ausgingen, wurde die „Völkerfreundschaft“ auch an westdeutsche Veranstalter als Charterschiff vermietet.
Charterfahrten mit West-Publikum
Das Besatzungsmitglied Uta Vogelsänger erinnert sich im Film: „Wenn wir jetzt mit Schweden oder mit Westdeutschen fuhren, dann wurde das etwas anders. Wir mussten uns ja immer mit Genosse ansprechen. Auf den Reisen wurde daraus wieder Herr und Frau, also Herr Kapitän. Das war ein großer Unterschied.“
Für die Passagiere aus der BRD war die Kreuzfahrt mit dem „Urlauberschiff“ ein Schnäppchen, und den Crews winkten West-Trinkgelder. Die West-Passagiere kamen wohl aber nicht in den Genuss eines gänzlich durchgeplanten, sozialistischen Seereise. Zeitzeugen erinnern sich an den Tagesablauf: Jeden Morgen wurde über dem Lautsprecher die deutsche Version von „Morning has broken“ gespielt. „Schön ist der Morgen“, gesungen von Nana Mouskouri. Die Leute mussten wie die Werktätigen zu Hause auch um sieben aufstehen und um acht gab’s Frühstück im Kollektiv, erinnert sich eine Zeitzeugin.
Wie das ZDF-Traumschiff in der DDR sozialistisch wurde
Die „Fritz Heckert“ wurde in den 1970er-Jahren noch als schwimmendes Arbeiterwohnheim des VEB Volkswerft Stralsund genutzt. Auch noch kurz vor dem Staatbankrott kaufte Erich Honecker mit Geldern aus einem Milliardenkredit der BRD ein neues Vorzeigeschiff. Ein ausrangiertes Traumschiff aus dem Westen, die „Arkona“ sollte die Werktätigen weiter über die Weltmeere schippern. Bis zum Schluss blieb die DDR eine „Kreuzfahrtnation“.