Streitbar und lebenslustig

Bekannteste Autorin der DDR: Endlich eine Brigitte-Reimann-Biografie

„Ich bin so gierig nach Leben.“ Die erste Brigitte-Reimann-Biographie erscheint im Aufbau Verlag. Dieses Jahr wäre die Schriftstellerin 90 Jahre alt geworden.

Teilen
Brigitte Reimann starb viel zu früh an Krebs. Am 21. Juli wäre sie 90 Jahre alt geworden.
Brigitte Reimann starb viel zu früh an Krebs. Am 21. Juli wäre sie 90 Jahre alt geworden.dpa

Brigitte Reimann galt als streitbare und lebenslustige Autorin. Sie starb 1973. In Kürze wäre sie 90 Jahre alt geworden. Nun gibt es die erste Biographie - ein umfassendes Werk mit literarisch-politischer Einordnung.

Der Berliner Aufbau-Verlag veröffentlicht das rund 600 Seiten starke Werk mit dem Titel „Ich bin so gierig nach Leben - Brigitte Reimann“. Darin verbindet Autor Carsten Gansel detailliert die Entwicklung der Literatur mit den politischen Ereignissen von 1933 bis in die Gegenwart. Damit erscheine Reimanns Werk und das kulturelle Leben in der DDR weit schärfer als bisher, teilte der Verlag mit. Reimann, die Autorin des Romans „Franziska Linkerhand“ zählt zu den bekanntesten und kritischsten Autoren Ostdeutschlands, deren Romane auch im Westen bekannt sind. Die Buchpremiere ist am 20. Juli im Kulturquartier Neustrelitz geplant. Am 21. Juli wäre Reimann 90 Jahre alt geworden.

Mehr Geschichten über die DDR lesen Sie auf unserer großen Themen-Seite zur DDR! >>

Brigitte Reimann wurde am 21. Juli 1933 in Burg bei Magdeburg geboren. Ihre Erzählung „Die Geschwister“ wurde 1965 mit dem Heinrich-Mann-Preis ausgezeichnet. Ihr bekanntester Roman „Franziska Linkerhand“ blieb unvollendet. Sie starb am 20. Februar 1973 in Ost-Berlin.

Reimann und Pitschmann in Hoyerswerda

Der 67-jährige Biograf Gansel spannt in seiner Biografie einen weiten Bogen von der Geschichte der Familie Reimanns aus Burg (Sachsen-Anhalt), über ihre einzelnen Schaffensperioden, die Zeit im Schriftstellerheim Petzow bei Potsdam - wo sie 1958 ihren wohl wichtigsten Partner Siegfried Pitschmann (1930-2002) kennenlernte - bis heute.

Hauswand mit Erinnerung an Brigitte Reimann, in Burg bei Magdeburg. 
Hauswand mit Erinnerung an Brigitte Reimann, in Burg bei Magdeburg. IMAGO / imagebroker

Für die Biographie hat der Autor bislang unbekanntes Archivmaterial sowie Interviews mit Zeitzeugen verarbeitet, die mit Reimann befreundet oder bekannt waren. Der Neubrandenburger Gansel ist Literaturwissenschaftler, Mitglied der Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland und Vorsitzender der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft. Er geht auch auf das erste Laienspiel ein, dass Reimann nach dem Zweiten Weltkrieg als Schülerin einer 7. Klasse in Burg schrieb.

Lesen Sie auch: DDR-Möbel als Design-Klassiker wieder gefragt>>

Großen Raum nehmen im Buch die acht Jahre Reimanns und Pitschmanns ab 1960 in Hoyerswerda (Sachsen) ein, wo das Kombinat Schwarze Pumpe als DDR-Vorzeigebetrieb aufgebaut wurde. Dazu gehörten zeitweise 15 000 Beschäftigte. Der Aufbau der neuen sozialistischen Stadtteile in Plattenbauweise regte Reimann auch zu ihrem Hauptwerk „Franziska Linkerhand“ an. In Hoyerswerda schrieb sie auch „Ankunft im Alltag“ und „Die Geschwister“. Wie Gansel herausfand, schreib sie an der Roman „Franziska Linkerhand“ fast zehn Jahre lang.

Reimann hadert immer wieder mit sich selbst

Reimann habe immer wieder mit sich selbst gehadert. Die letzten Romanteile seien erst nach einer Lockerung durch die politische Führung der DDR gelungen, die SED-Chef Erich Honecker 1972 auf einer Beratung verkündete. Der Roman sei jedoch unvollendet geblieben und mit einigen Veränderung mehrere Monate nach ihrem Tod 1973 erschienen. Von 1968 bis zu ihrem Tod lebte und arbeitete die Autorin in Neubrandenburg, hatte aber weiterhin enge Beziehungen nach Berlin.

Cover der Biografie „Ich bin so gierig nach Leben“ von Carsten Gansel. Erscheint im Aufbau Verlag, 704 Seiten, 30 Euro.
Cover der Biografie „Ich bin so gierig nach Leben“ von Carsten Gansel. Erscheint im Aufbau Verlag, 704 Seiten, 30 Euro.Aufbau Verlag

Ihre vielen und zum Teil intensiven Bekanntschaften mit Autoren und Schauspielern, wie Christa Wolf, Manfred Krug und Wolfgang Schreyer geben einen tiefen Einblick in den Politik- und Kulturbetrieb jener Zeit. An ihrem damaligen Grundstück in Neubrandenburg befindet sich inzwischen das Brigitte-Reimann-Literaturhaus, in dessen Archiv ihr Nachlass und die anderer ostdeutscher Autoren und des DDR-Architekten Hermann Henselmann (1905-1995) aufbewahrt werden.

Zum 90. Geburtstag von Brigitte Reimann (1933-1973) wird in Hoyerswerda mit mehreren Veranstaltungen an die Schriftstellerin erinnert. Der Landesfrauenrat Sachsen will dort an ihrem Geburtstag am kommenden Freitag eine Tafel zu ihren Ehren einweihen. Brigitte Reimann lebte den Angaben zufolge von 1960 bis 1968 in Hoyerswerda. Dies sei eine Schaffensphase gewesen, „in der ihre Schriftstellerinnenlaufbahn an Fahrt aufnahm und mehrere Erzählungen entstanden“, hieß es.

Die Tafel wird im Rahmen der Brigitte-Reimann-Woche der Stadt eingeweiht, auf Initiative der Stadtbibliothek Hoyerswerda und des Brigitte-Reimann-Freundeskreises.