Ursachenforschung nach Corona-Ausbruch

Zwölf Tote und 47 Infizierte in Lichtenberg: Wie konnte das passieren?

Das Pflegeheim hatte sich in den vergangenen Wochen zu einem Corona-Hotspot entwickelt. Möglicherweise wurden Hygienemaßnahmen nicht strikt genug eingehalten.

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Das Kursana-Pflegeheim wird nach einem Corona-Ausbruch teilevakuiert. Sanitäter bringen am Freitagabend 14 infizierte pflegebedürftige Menschen in andere Einrichtungen.
Das Kursana-Pflegeheim wird nach einem Corona-Ausbruch teilevakuiert. Sanitäter bringen am Freitagabend 14 infizierte pflegebedürftige Menschen in andere Einrichtungen.dpa/Jörg Carstensen

Ruhe herrscht an diesem Sonntag vor dem Haupteingang des sechsgeschossigen Seniorenpflegeheims in der Gensinger Straße in Lichtenberg. Normalerweise kommen sonntags viele Besucher mit Blumen. Auf einem Zettel an der automatischen Eingangstür werden die Angehörigen gebeten, ihre Zuwendungen an der Rezeption abzugeben.

Niemand darf das Haus betreten. Als sich die Tür öffnet, eilt sofort eine Schwester herbei, um das noch einmal klarzumachen. Am Freitag hatte der Amtsarzt von Lichtenberg die Teilevakuierung des Hauses angeordnet, in dem 90 Menschen betreut werden. In dem Heim grassiert das Coronavirus. 27 Bewohner und 17 Mitarbeiter sind mit Covid-19 infiziert. Zwölf pflegebedürftige Frauen und Männer, die positiv auf das Virus getestet worden waren, starben in den vergangenen fünf Wochen.

"In dem Heim herrschte ein Pflegenotstand“

Gesundheitsstadtrat Martin Schaefer (CDU), der selbst in Quarantäne ist und auf sein Testergebnis wartet, nennt das Heim einen Corona-Hotspot. Deswegen habe man sich dazu entschlossen, einen Teil der infizierten Bewohner in andere Einrichtungen zu verlegen, sagt er am Sonntag. „Da sich zahlreiche Schwestern und Pfleger ebenfalls mit dem Virus infiziert hatten, herrschte in dem Heim ein Pflegenotstand“, erklärt der 45-Jährige die Verlegung eines Teils der infizierten Heimbewohner.

In dem von Kursana betriebenen Haus der Dussmann-Gruppe, das auch eine Palliativ-Pflegestation besitzt, war nach Angaben einer Sprecherin des Betreibers am 8. Oktober dieses Jahres der erste Bewohner während eines Krankenhausaufenthaltes positiv auf das Coronavirus getestet worden. Seitdem stehe man mit dem Gesundheitsamt im „engen Austausch“ über die umzusetzenden Maßnahmen.

Die Einrichtung sei für Besucher geschlossen worden, um externe Infektionsquellen soweit wie möglich auszuschließen. Ebenfalls habe es keine Neuaufnahmen mehr gegeben. „Alle Hygienemaßnahmen nach dem Standard des Robert-Koch-Instituts werden umgesetzt“, so die Sprecherin.

Sanitäter schieben eine Trage dem Seniorendomizil.
Sanitäter schieben eine Trage dem Seniorendomizil.Jörg Carstensen/dpa

Nach dem ersten Corona-Fall gab es den Angaben zufolge Testreihen in den einzelnen Wohnbereichen. Die Bereiche, in denen es Infektionen gegeben habe, seien unverzüglich unter Quarantäne gestellt worden: Die Bewohner hätten ihre Wohnbereiche nicht mehr verlassen dürfen und ihre Mahlzeiten in ihren Zimmern einnehmen müssen. „Für das gesamte Haus lagen die Testergebnisse am 3. November vor“, sagt die Sprecherin.

Deswegen sei am Freitag in dem gemeinsamen Krisenstab mit dem Gesundheitsamt vereinbart worden, 14 infizierte pflegebedürftige Menschen des am stärksten betroffenen Wohnbereichs zu verlegen. Dies gewährleiste die gute Pflege trotz des Ausfalls von 17 Mitarbeitern.

„Wir prüfen, ob in dem Heim Hygienemaßnahmen nicht strikt eingehalten wurden"

Die Sprecherin bestätigt zudem, dass es seit dem Ausbruch der Pandemie in dem Heim zwölf Todesfälle unter den infizierten Bewohnern gegeben habe. „Elf davon starben in einem Krankenhaus, nachdem sie mit Symptomen dort eingeliefert worden waren“, sagt sie. Alle hätten schwere Vorerkrankungen gehabt oder seien in der Palliativphase gewesen.

Um die Zahl der Infizierten in dem Pflegeheim zu verringern, müssen sich ab Mitte der kommenden Woche Mitarbeiter vor ihrem Dienstbeginn einem Corona-Schnelltest unterziehen. Dann soll auch ein erster Bericht über Ausbruch und Verlauf der Pandemie in der Einrichtung vorliegen.

„Wir prüfen, ob in dem Heim die Hygienemaßnahmen nicht strikt eingehalten worden sind“, sagt Gesundheitsstadtrat Schaefer. Es gebe Hinweise darauf, dass Mitarbeiter der Einrichtung vor Ort gewesen sein könnten, obwohl sie bereits Symptome einer Corona-Infektion gezeigt hätten.

Das Dussmann-Unternehmen Kursana betreibt neben dem Seniorenpflegeheim in Lichtenberg noch zwei weitere Heime in Marzahn.