SULO-Y flitzt über den Gehweg der Weserstraße (zugegeben: Photoshop gaukelt hohe Geschwindigkeit vor).
SULO-Y flitzt über den Gehweg der Weserstraße (zugegeben: Photoshop gaukelt hohe Geschwindigkeit vor). Sabine Gudath

Wer ist Elon Musk? Toninho Dingl (34) und Florian Fiebiger (43) sind die Männer der Stunde, was das autonome Fahren angeht. Während Musks selbst steuernde Teslas mit Unfällen aufwarten, werfen die beiden Tüftler ein deutlich ungefährlicheres, dafür nutzbringendes Vehikel ins Rennen: Das selbststeuernde SULO-Y, das sie in Neukölln präsentierten.

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Die technischen Daten sind überwältigend, wie es Toninho Dingl sagt: „300 pro Sekunde.“ Allerdings 300 Millimeter. Das macht 1 (!) Kilometer pro Stunde. Und damit ist auch klar: So ganz ernst ist das mit  SULO-Y nicht gemeint. Es ist auch kein Auto, sondern eine Mülltonne.

Toninho Dingl (r.) und Florian Fiebiger mit SULO-Y, der autonom fahrenden Mülltonne.
Toninho Dingl (r.) und Florian Fiebiger mit SULO-Y, der autonom fahrenden Mülltonne. Sabine Gudath

„Ich habe die Tonne mit Elektromotoren sowie mit Sensoren und einem Computer ausgestattet, damit sie ,autonom‘ durch Neukölln fahren kann, um dort endlich mal aufzuräumen“, erklärt der Künstler Dingl. In Neukölln stelle man sie vor, weil die Idee bei einem Besuch dort geboren sei: „Es war schrecklich. Ein totales Chaos. Die Gegend sah aus, als hätte die örtliche Müllentsorgung einfach aufgegeben“.

Mit einer gewissen Skepsis beobachtet ein Neuköllner Hund die fahrende Mülltonne.
Mit einer gewissen Skepsis beobachtet ein Neuköllner Hund die fahrende Mülltonne. Sabine Gudath

Mit der angeblichen Lösung lokaler Müllentsorgung durch die autonome Tonne haben die bayerischen Bastler es nicht bewenden lassen. In bestem Marketing-Kauderwelsch steht auf  der von ihrem Galeristen Ben Hammond (40) entwickelten Website (https://sulo-y.weserhalle.com/) voller pseudowissenschaftlicher Prahlerei: „Our automated smart bins are designed to patrol the streets, offering waste disposal directly to the consumer, replacing up to 250 traditional static bins.“

Zu Deutsch in etwa: „Unsere automatisierten intelligenten Mülltonnen wurden entworfen, um durch die Straßen zu patrouillieren, wo sie den Konsumenten direkt eine Entsorgungsmöglichkeit bieten und bis zu 250 stationäre Tonnen ersetzen.“

Dingl und Fiebiger haben tief in die Floskel-Kiste gegriffen: „SULO-Y ist mit dem neuesten Divine 8-Chip und der smartSENSE-Technologie ausgestattet,  die in Verbindung mit den Sensoren und Kameras dazu beitragen, den Mülleimer durch die Umgebung zu navigieren und Hindernisse aus bis zu 50 Metern Entfernung zu erkennen. SULO-Y ist nicht nur intelligent, sondern auch robust. Der aus organischem Kunststoff hergestellte und mit natürlichem Allwetterlack verstärkte SULO-Y bietet den Verbrauchern eine zugängliche Abfalllösung für alle Wetterbedingungen und transportiert den Müll selbstständig zu den örtlichen Entsorgungsstellen.“

Die Reklamesprache für die Mülltonne hat kein Mensch geschrieben

Eigentlich waren sie es nicht selbst, die das geschrieben haben: Den Text hat nach Vorgabe einiger Stichworte ein Programm formuliert, der selbst lernende „Chatbot“ ChatGPT, der gegenwärtig ganz heiße Sch... der Tech-Welt. 

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Dem Duo mangelt es nicht an Selbstvertrauen, haben sie doch den Grundstein für ein supererfolgreiches Start-Up gelegt: „Wir arbeiten wie die Apple-Gründer in einer Garage.“ Allerdings nicht in Kalifornien, sondern in Altötting, wo sie aus derselben Straße kommen.

Toninho Dingl mit Mülltonne in der Bastler-Garage zu Altötting.
Toninho Dingl mit Mülltonne in der Bastler-Garage zu Altötting. Toninho Dingl

Dingl, der seit etwa zehn Jahren an dem Projekt herumbastelt, hatte sich schließlich die Hilfe des Elektronikers und Mechatronikers Fiebinger („mit Silicon-Valley-Erfahrung“) geholt. Und jetzt fährt die Tonne. Wäre ja was für den griesgrämigen Oscar („Ich mag Müll“), der leider aus der Sesamstraße verschwunden ist.

Kunstprojekt SULO-Y macht sich über sinnlose „smarte“ Versprechen lustig

Tatsächlich sei es eine Persiflage auf die neueren Tech-Innovationen beispielsweise von Elon Musk  und weiteren „smarten“ Versprechen, die eher in der Rendite überraschten und neue Finanzanlagefelder böten als die wirklichen Probleme beispielsweise der Mobilität lösen würden.

Der Blick ins Innere der Tonne zeigt: Das ist noch ein Prototyp mit freiliegender Elektronik, Batterie und Motor. Müll kann man da nicht reinwerfen.
Der Blick ins Innere der Tonne zeigt: Das ist noch ein Prototyp mit freiliegender Elektronik, Batterie und Motor. Müll kann man da nicht reinwerfen. Sabine Gudath

Die autonome Mülltonne mache klar, dass Schlagworte wie Künstliche Intelligenz, Big Data, Industrie 4.0 oder Internet der Dinge, mit denen auch auf der SULO-Y-Website herumgeworfen wird, vielfach nur etwas vortäuschen. Dingl: „Es ist eigentlich der gleiche ‚Müll‘ – bloß smarter designed, besser vermarktet und etwas grüner angestrichen. Genau so wie unsere Mülltonne SULO-Y.“

Investoren sind willkommen, um ihr Geld zu verschleudern

Und deshalb seien Investoren auch herzlich eingeladen, in die Tonne zu investieren. Gerne auch in Bitcoins, damit das Vehikel Ende 2025 serienreif auf den Markt kommen kann ...

Die Tonne kann voraussichtlich bis 25. Februar in Ben Hammonds und Christine Schmelters Neuköllner Galerie „Weserhalle“ (Weserstraße 56) beim Fahren besichtigt werden, wenn auch nur durchs Schaufenster und immer dienstags bis sonnabends von 14 bis 18 Uhr. Wer näher ranwill, kann einen Termin online buchen: https://sulo-y.weserhalle.com/contact/