Die Plansche im Plänterwald: Hier kam es zu dem Vorfall mit Gabrielle Lebreton (kl. Foto).
Die Plansche im Plänterwald: Hier kam es zu dem Vorfall mit Gabrielle Lebreton (kl. Foto). Bezirksamt Treptow-Köpenick, privat

Wie viel nackte Brust verträgt Berlin? Die Frage ist berechtigt. Denn in Treptow-Köpenick gab es einen Polizeieinsatz wegen einer Frau, die sich an einer Kinderplansche in Plänterwald mit nacktem Oberkörper gesonnt hatte. Darüber berichtet aktuell der „Tagesspiegel“. Der Vorfall trug sich bereits am vorvergangenen Sonntag zu, wie das Bezirksamt dem KURIER bestätigte. Offenbar gab es Beschwerden seitens einiger Besucher. Der Sicherheitsdienst schritt ein. Dann kam die Polizei.

Bisher glaubte die französische Architektin und Theaterberaterin Gabrielle Lebreton (37), in einer toleranten Stadt zu leben. „Diese Weltoffenheit der Berliner war auch einer der Gründe, warum ich mich 2012 entschloss, von Paris nach Berlin zu ziehen“, sagt sie dem KURIER. Lebreton erzählt, dass sie bisher noch nie Probleme hatte, wenn sie sich in Parks oder im Sommerbad mit nacktem Oberkörper sonnte. Nicht einmal bei Protestaktionen hätte es nennenswerte Scherereien gegeben, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre Brüste zeigte. Denn Lebreton ist auch als Aktivistin für Geschlechtergerechtigkeit im Einsatz.

Dass sie am 20. Juni im Plänterwald ihren nackten Oberkörper zeigte, sei keine feministische Aktion gewesen, stellt die Französin klar. „An diesem Tag waren es 35 Grad Celsius und ich war mit meinem sechsjährigen Sohn und einem Freund und dessen vierjähriger Tochter an der Plansche“. Auf der mit Besuchern voll besetzten Wiese finden sie ein Plätzchen unter einem Baum, machen es sich auf einer Picknickdecke bequem. „Wir alle ziehen unsere Badesachen an“, sagt die Frau. „Mein Sohn rennt sofort auf den Wasserspielplatz. Ich ziehe mein T-Shirt aus.“

Sonnte sich mit freiem Oberkörper: Gabrielle Lebreton.
Sonnte sich mit freiem Oberkörper: Gabrielle Lebreton. privat

Sonnen mit freiem Oberkörper: „Als Frau müssen Sie einen BH tragen“

Was dann geschieht, hat Lebreton später in einem Gedächtnisprotokoll aufgeschrieben, das dem KURIER vorliegt. Nach Darstellung der Französin hätte es nicht lange gedauert, bis zwei Männer des Sicherheitsdienstes erschienen, die laut Bezirksamt dafür sorgen sollen, dass auf der Plansche die geltenden Corona-Regeln eingehalten werden. Lebreton sagt, dass sie von den Männern freundlich aufgefordert wurde, sich einen BH anzuziehen.

Die Frau will wissen, warum? „Hier ist kein FKK-Bereich“, sollen die Männer geantwortet haben. Doch Lebreton erklärt, sie sei nicht nackt, sondern trage eine Badehose. Doch die Männer beharren offenbar darauf, dass die Französin ihre Brüste bedeckt. „Als Frau müssen Sie einen BH tragen“, hätten sie gesagt. Und weiter: „Weil Sie Brüste haben. Das ist störend.“

Lebreton habe erklärt, niemanden stören zu wollen. „Aber ich verstehe auch nicht, warum ich meine Brüste verstecken soll, während alle anderen Männer sich mit nacktem Oberkörper frei auf der Wiese unterhalten und bewegen können.“ Das sei nicht das Gleiche, hätten die Sicherheitsleute argumentiert: „Sie sind eine Frau.“

Dann kommt die Polizei

Die Französin fühlt sich diskriminiert. Die Sicherheitsleute bestehen darauf, dass sich Lebreton einen BH anzieht. Wenn nicht, muss sie das Gelände verlassen. Es gibt ein verbales Hin und Her. „Ob am Ende die Sicherheitsmänner vorschlugen, die Polizei zu rufen, oder ich es sogar selber war, weiß ich nicht mehr“, sagt Lebreton.

30 Minuten später kommen die Sicherheitsleute mit zwei Polizisten. Laut dem Gedächtnisprotokoll der Französin macht einer der Beamten ihr klar, dass er sich auf keine Diskussion einlasse. „Entweder Sie tragen einen BH oder Sie müssen gehen“, soll er gesagt haben. Laut Lebretons Erinnerungen soll der Ton der Beamten aggressiver geworden sein. Am Ende verlässt die Französin mit dem Freund und den Kindern die Plansche.

Das Bezirksamt bestätigt, dass die Frau von der Polizei einen Platzverweis ausgesprochen bekam. „In der Tat ist die Plansche ein Spielplatz und kein Freibad, wo man sich mit freiem Körper sonnen könnte“, sagt eine Sprecherin dem KURIER. Sie räumt ein, dass es Besucher gab, die die Diskussion mit der Frau verfolgt hatten, ihr auch recht gaben und sie unterstützt hätten.

Männer dürfen sich mit nacktem Oberkörper auf einem Spielplatz bewegen, Frauen aber nicht: ein Thema, über dass man nun nach diesem Vorfall in der Öffentlichkeit sicher diskutieren wird. „Die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirks hat nun der Frau ein Gespräch angeboten“, sagt die Sprecherin des Bezirksamtes. Das Treffen soll demnächst stattfinden.

Die Plansche im  Plänterwald
Die Plansche im Plänterwald Bezirksamt Treptow-Köpenick

Gabrielle Lebreton hat den Vorfall zum Anlass genommen, um auf die ungleiche Behandlung von Männern und Frauen hinzuweisen. So organisierte die Französin ein Unterstützungstreffen unter dem Motto „Gleiche Brust für alle“. Das Ziel des Treffens, das bereits vergangenen Sonntag stattfand: Frauen soll es in Berlin überall dort möglich sein, sich oben ohne zu zeigen, wo es Männern auch erlaubt ist. „Der frauenfeindliche Vorfall auf der Plansche im Plänterwald dient als Sprungbrett zu diesem Ziel“, heißt es in dem Aufruf.

„Ein Gesetz muss her, das Klarheit schafft, wo Menschen mit nacktem Oberkörper sich zeigen dürfen, egal ob Männer oder Frauen“, sagt Lebreton. Sie plane mit Mitstreitern gerade Aktionen, um dies zu erreichen. Vielleicht zieht sie sogar vor Gericht.

In einer früheren Version hatten wir geschrieben, dass die Frau ihr Kind gestillt habe. Bei den weiteren Recherchen stellte sich heraus, dass dies nicht der Fall war.