Wohngeld-Roulette – wer’s kriegt, ist ein Glückspilz: In diesen Bezirken dauert die Bearbeitung besonders lange
Ämter brauchen zwischen 5 und 25 Wochen. Neukölln hält den traurigen Rekord.

Berliner Zeitung/Markus Wächter
Wer in Berlin Wohngeld beantragt, muss Geduld mitbringen. Die Bearbeitungszeit der Wohngeldanträge ist von durchschnittlich 8,6 Wochen im Jahr 2019 auf 11,4 Wochen im vergangenen Jahr gestiegen – und hat sich in den ersten vier Monaten dieses Jahres sogar auf 12,2 Wochen weiter erhöht, also auf rund drei Monate. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auf einen Fragenkatalog vom Berliner KURIER hervor.
Am längsten müssen danach Antragsteller in Neukölln warten. Dort erhöhte sich die Bearbeitungszeit von 16,4 Wochen im Jahr 2019 auf 25,8 Wochen im vergangenen Jahr. In den ersten vier Monaten dieses Jahres blieb es bei 25,8 Wochen. Hinter Neukölln folgt der Bezirk Mitte, wo sich die Bearbeitungszeit von 12,6 Wochen im Jahr 2019 über 16,9 Wochen im vergangenen Jahr auf 18,9 Wochen in den ersten vier Monaten dieses Jahres erhöht hat. Am schnellsten geht es in Treptow-Köpenick. Hier ist die Bearbeitungszeit von 5,2 Wochen im Jahr 2019 auf 5,9 Wochen im Jahr 2020 gestiegen, hat sich mittlerweile aber auf 5,3 Wochen reduziert. Ebenfalls schnell sind Reinickendorf, Spandau und Pankow mit Bearbeitungszeiten von jeweils unter zehn Wochen.
Kreis der Berechtigten ist gestiegen
„Coronabedingt, aber auch aufgrund gestiegener Antragszahlen“ seien die Bearbeitungszeiten gestiegen, erklärt Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. So sei zum 1. Januar 2020 das Wohngeldgesetz geändert worden, wodurch sich der Kreis der Wohngeldberechtigten erhöht habe. Während im Jahr 2019 noch 51.418 Wohngeldanträge gestellt wurden, waren es im vergangenen Jahr bereits 68.230. Als mögliche Gründe für die unterschiedlich langen Bearbeitungszeiten in den Bezirken nennt Behördensprecherin Rohland unter anderem einen ungleich verteilten Anstieg der Antragszahlen, die Abordnung von Personal an die Gesundheitsämter in der Corona-Krise, aber auch die Zeit, bis zu der Antragsunterlagen vollständig vorliegen. Immerhin: Die Zahl der nicht abschließend bearbeiteten Anträge sinkt, nachdem sie im vergangenen Jahr zwischenzeitlich gestiegen war. So waren Ende 2019 insgesamt 8109 Anträge noch nicht entschieden, Ende 2020 stieg die Zahl auf 11.401 und sank im Mai 2021 auf 10.362.
Interessant: Wenn die Behörden einen Wohngeldantrag ablehnen, kann es sich durchaus lohnen, Widerspruch einzulegen. So wurde im vergangenen Jahr etwa jedem vierten der insgesamt 1987 bearbeiteten Widersprüche stattgegeben. Die Zahl der Wohngeldempfängerhaushalte in Berlin hat sich nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von 19.419 im Dezember 2019 um rund 21 Prozent auf 23.399 im Dezember 2020 erhöht. Im April 2021 lag die Zahl bei 22.583. Im Schnitt erhielt jeder Wohngeldbezieher im vergangenen Jahr 166 Euro monatlich. Die Spanne reicht dabei von 12 Euro bei einem Einpersonenhaushalt bis zu 648 Euro bei einem Elfpersonenhaushalt.
Rückforderungen in 806 Fällen
Nicht immer wird Wohngeld mit den korrekten Einkommensangaben beantragt. So wurden im vergangenen Jahr laut Behördensprecherin Rohland „im Zuge des mit der Deutschen Rentenversicherung vorgenommenen Datenabgleichs“ in 806 Fällen höhere Einkommen festgestellt, als im Wohngeldantrag angegeben. Die zu viel gezahlten Beträge – im Schnitt 776 Euro je Fall – wurden zurückgefordert. Dabei haben Wohngeldhaushalte die Möglichkeit, eine Stundung zu beantragen, „wenn sie sich auf Grund ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befinden oder im Falle der sofortigen Einziehung“ in solche Schwierigkeiten geraten würden, erklärt die Sprecherin. Bei einer Stundung werden allerdings Zinsen fällig – zurzeit in Höhe von 1,12 Prozent.
Dadurch, dass das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel gekippt hat, werden auch manche Wohngeldbezieher vor Probleme gestellt. Denn nun gelten wieder die alten, meist höheren Mieten. Jedenfalls, sofern Vermieter nicht auf eine allmähliche Anhebung setzen, wie die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Die Probleme entstehen dadurch, dass die Wohngeldanträge im vergangenen Jahr auf Basis der niedrigen Mietendeckelmieten bewilligt worden waren. Haushalte, die vor dem Mietendeckel bereits Wohngeld erhielten, waren verpflichtet, die Behörden darüber zu informieren, wenn sich ihre Miete um mehr als 15 Prozent gegenüber der Miete im Wohngeldbescheid verringerte. In diesen Fällen wurde das Wohngeld neu berechnet und entsprechend reduziert.
Nach Mietendeckel-Urteil kann mehr Wohngeld beantragt werden
Wenn die Mieter nach dem Mietendeckel-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun wieder zur Zahlung der alten, höheren Miete verpflichtet sind, müssen sie laut Behördensprecherin Rohland „einen Antrag auf Erhöhung des Wohngeldes stellen“. Die Wohngeldbehörden würden dies prüfen und gegebenenfalls auch rückwirkend ein höheres Wohngeld bewilligen. „Die Entscheidung ist dabei aber abhängig vom konkreten Einzelfall, bei dem beispielsweise auch eine Rolle spielt, ob der Vermieter auf eine Nachzahlung verzichtet hat“, so Rohland.