Der Berliner KURIER begleitet exklusiv das Casting

„Wir wollen Blaue werden“ – die Blue Man Group sucht diversen Nachwuchs

Die Blue Man Group rief zum großen Nachwuchs-Casting auf. Der Berliner KURIER hat vier Kandidaten bei ihrem Traum, ein „Blauer“ zu werden, begleitet.

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Von links nach rechts: Ludwig Brix, Kathrin Janek, Ash Willison und Daniel Grave wollen beim Casting für die Blue Man Group überzeugen.
Von links nach rechts: Ludwig Brix, Kathrin Janek, Ash Willison und Daniel Grave wollen beim Casting für die Blue Man Group überzeugen.Sabine Gudath

„I’m blue, da ba dee, da ba daa“, hört man es an diesem Donnerstag im Mai gleich öfter spaßeshalber durch die Räume des Backstagebereichs im Berliner Stage Bluemax Theater klingen. Die Stimmung ist aufgeladen, nervös und voll freudiger Erwartung.

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Es ist der Tag der großen Entscheidung am Marlene-Dietrich-Platz 4 in Berlin. Heute wird mitgeteilt, welche der neun finalen Casting-Bewerber es geschafft haben und zu einem „Blue Man“ werden. Einige Wochen zuvor hatte Stage Entertainment zu einem Casting eingeladen. Jeder, der sein darstellerisches Können und musikalisches Talent unter Beweis stellen wollte, um Teil der berühmten Blue Man Group zu werden, konnte kommen – wirklich jeder. Denn zum ersten Mal in der Geschichte der weltberühmten Blue Man Group suchten die drei Performancekünstler explizit auch weibliche und diverse Verstärkung. Der Berliner KURIER hat die Suche begleitet.

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Mitglieder der aktuellen Blue Man Group (in der Mitte Captain Nadim Helow)
Mitglieder der aktuellen Blue Man Group (in der Mitte Captain Nadim Helow)Jörg Carstensen/dpa

Die Blue Man Group sucht blauen Nachwuchs

Insgesamt 46 Bewerber kamen am ersten Tag zum Casting. Mit jedem Tag mussten welche gehen. Drei Tage später waren es nur noch neun. Wobei „nur“ an diese Stelle nicht angebracht ist. Noch nie zuvor hatte die Blue Man Group so viele talentierte Bewerber. „Als ich die Zahl der Bewerber sah, dachte ich, dass es sein kann, dass wir niemanden bekommen. Sonst sehen wir uns etwa 100 Kandidaten an, von denen es dann zwei oder drei schaffen, die wir zum Training einladen. Bei dieser Gruppe war das gleich anders“, erzählt Casting-Director Tim Aumiller, der extra aus New York angereist ist. Wie viele von den neun Bewerbern schließlich ausgewählt werden, steht noch nicht fest. Das hängt von den Kandidaten und ihrer Eignung ab.

Sie müssen eine „Mischung aus Unerklärlichkeit, Energie, Unschuld, Verschmitztheit und Zurückhaltung“ mitbringen, erklärt Tim Aumiller: „Das sind Widersprüche, genau wie bei den Menschen. Sie machen sich in verschiedenen Momenten bemerkbar.“ Doch das ist längst nicht alles.

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Der New Yorker Casting-Director Tim Aumiller probt mit den Bewerbern Ash, Kathrin und Ludwig.
Der New Yorker Casting-Director Tim Aumiller probt mit den Bewerbern Ash, Kathrin und Ludwig.Sabine Gudath

Um wirklich als „Blauer“ – so werden die Mitglieder der Blue Man Group intern genannt – regelmäßig auf der Bühne zu stehen, braucht man Ausdauer und Disziplin, wie Captain Nadim Helow, der bereits seit 19 Jahren dabei ist, deutlich macht: „Ein wenig fit sollte man schon sein, man verbrennt in der Show mental und körperlich einiges an Energie. Was allerdings ungleich schwerer ist, ist Kandidaten zu finden, die in der Lage sind, ihre Gedanken und Gefühle auch ohne Sprache und Mimik transportieren zu können. Wir geben hier den Bewerbern gerne unsere Ideen mit, aber je fantasievoller die Innenwelt eines Performers ist, desto interessanter wird es, ihnen zuzugucken. Wer sich diese Fähigkeit aneignet, wird nie Langeweile haben, diese Show zu spielen. Einige von uns sind seit bald 30 Jahren auf der Bühne.“

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SIE wollen ein „Blue Man“ werden

Einer von denjenigen, die ein „Blauer“ werden wollen, ist Ludwig Brix (27) aus Berlin. Er ist professioneller Schauspieler, hat in Linz studiert und mehrere Jahre am Berliner Grips-Theater gespielt. Wem Ludwig bekannt vorkommt, der hat wahrscheinlich mal in die queere TV-Serie „All You Need“ in der ARD-Mediathek reingeschaut, mit der Ludwig sein Fernsehdebüt feierte. Der charmante Berliner mit den blauen Augen und dem blonden Schnauzer hat sich relativ spontan entschieden, an dem Casting teilzunehmen, wie er erzählt. Ein bisschen beschämt beichtet er: „Obwohl ich schon lange in der Hauptstadt lebe, habe ich die Blue Man Group bisher noch nie auf der Bühne gesehen.“ Trotzdem hatte Ludwig keine Probleme damit, sich in die Rolle eines „Blauen“ einzufühlen.

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„Als ich nach dem ersten Tag eine Runde weiterkam, habe ich bei einem Kumpel, der Musikproduzent und Drummer ist, ein bisschen Unterricht bekommen. Aber das war eigentlich gar nicht vonnöten. Die meisten Leute hier sind Schauspieler und keine Musiker. Rhythmusgefühl muss man natürlich haben – ich spiele etwas Gitarre –, aber das Trommeln wird einem mit der Zeit beigebracht. Musik ist für mich der direkteste Zugang zu Emotionen. Ich glaube, wenn man sie selbst produziert, setzt das eine gewaltige Energie frei.“

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Der Berliner Ludwig Brix hat sich recht spontan entschieden, an dem Casting teilzunehmen.
Der Berliner Ludwig Brix hat sich recht spontan entschieden, an dem Casting teilzunehmen.Sabine Gudath

Auch Daniel Grave (33) will ein „Blue Man“ werden. Er ist ebenfalls Schauspieler und lebt seit sieben Jahren in Berlin. Studiert hat er in Los Angeles. Der englisch klingende Nachname stammt von entfernten Verwandten in den USA. „Ein Freund von mir war eine Zeit lang ein Blue Man, aber ich selbst kannte die Show noch nicht. Es geht vor allem darum, aufmerksam zu sein, zuzuhören, kleine Details aufzusaugen und seine Sinne zu schärfen. Ich habe bisher gar nicht das Gefühl, bei einem Casting zu sein, sondern eher als wäre ich bei einem Workshop. Es wird einem hier kein Leistungsdruck gemacht. Natürlich würde ich gerne weiterkommen, aber ich nehme mir nicht verbissen vor, zu gewinnen. Das liegt ja auch gar nicht in meiner Hand.“

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Daniel Grave hat seine Ausbildung in den USA absolviert und arbeitet nun in Berlin als Schauspieler.
Daniel Grave hat seine Ausbildung in den USA absolviert und arbeitet nun in Berlin als Schauspieler.Sabine Gudath

Unter den neun finalen Bewerbern sind auch zwei Frauen. „Mann sein war nie ein Kriterium für Blue Man. Diese Figur ist ein sonderbares Wesen, nicht Mann, nicht Frau, es hat keine Vergangenheit und keine Zukunft. Es existiert nur in der unmittelbaren Begegnung mit dem Menschen in der Gegenwart. Es geht um etwas Fundamentaleres: den Menschen. So ist das englische Wort Man auch mit Mensch zu übersetzen“, beschreibt Nadim Helow das Prinzip der Blue Man Group.

Eine der beiden Frauen ist Katsrzyna Janek, genannt Kathrin, 29 Jahre alt und aus Polen. In ihrer Heimat arbeitet sie seit vier Jahren als Schauspielerin, Tänzerin und Choreografin. Kathrin kam extra für das Casting nach Berlin und ist begeistert von dem, was sie bisher erlebt hat. Darüber, dass auch sie als Frau die Chance hat, ein „Blue Man“ zu werden, hat sie aber gar nicht viel nachgedacht. „Ich wusste am Anfang nichts über die Blue Man Group und habe mich dann im Internet informiert. Aber bei mir kam nicht einmal die Frage auf, ob ich als Frau dafür geeignet sei oder nicht. Es gab für mich nie eine Grenze im Kopf zwischen Männern und Frauen.“ Einzig das Trommeln stellt für Kathrin noch eine Herausforderung dar. „Ich habe vorher noch nie Schlagzeug gespielt oder so. Ich wünschte, ich hätte mir vorher von meinem besten Freund, der Drummer ist, ein paar Tipps geholt. Aber ich denke, ich habe mich bisher ganz gut geschlagen.“

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Kathrin Janek kam für das Casting extra aus Polen angereist.
Kathrin Janek kam für das Casting extra aus Polen angereist.Sabine Gudath

Ähnlich geht es ihrer Mitbewerberin Ash Willison (28). Die Künstlerin lebt seit vier Jahren in Berlin, wurde in Chicago geboren und wuchs in Südafrika auf. Sie hat von Freunden von dem Casting erfahren und kannte die Show bereits. Vor allem die Interaktion mit dem Publikum hat Ash überzeugt, auch ein „Blue Man“ werden zu wollen. „Ich freue mich über jede Gelegenheit, hier in Berlin Neues zu erleben und auszuprobieren. Ich habe mich schon vorher fürs Trommeln interessiert und fand es toll, dass ich jetzt die Möglichkeit bekomme, es zu lernen.“

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Ash Willison wuchs in Südafrika auf und lebt seit vier Jahren in Berlin.
Ash Willison wuchs in Südafrika auf und lebt seit vier Jahren in Berlin.Sabine Gudath

Die Bewerber werden zu „Blauen“

Dann ist es so weit. Die Bewerber werden am letzten Casting-Tag blau geschminkt. Die neun „Blue Man“-Anwärter erhalten schwarze Kleidung, blaue Handschuhe, ihnen wird eine Kappe über den Kopf gestülpt, um Haare und Ohren zu verdecken. Ungefähr 20 Minuten dauert der Verwandlungsprozess. Bei den Frauen muss wegen der Haare mehr Zeit eingerechnet werden.

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Die restlichen neun Bewerber fotografieren sich gegenseitig, nachdem sie blau wurden.
Die restlichen neun Bewerber fotografieren sich gegenseitig, nachdem sie blau wurden.Sabine Gudath

Die spezielle blaue Farbe, die auf das Gesicht aufgetragen wird und immerzu glänzt, ist und bleibt auch für den Berliner KURIER leider ein Geheimnis. Wie es sich anfühlt, blau zu sein, dürfen wir aber wissen. Es sei ein „fettiges“ Gefühl, sagt Ludwig und ergänzt: „Der Ton ist gedämpft. Ich fühle mich wegen der Kappe und den Handschuhen ein bisschen wie ein Schwimmer. Und man kommt sofort in eine andere Körperhaltung.“

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Ludwig Brix (M.) mit zwei anderen Bewerbern als „Blaue“.
Ludwig Brix (M.) mit zwei anderen Bewerbern als „Blaue“.Sabine Gudath

Daniel erstarrt beim Blick in den Spiegel etwas: „Ich erkenne mein eigenes Spiegelbild nicht. Man verliert irgendwie das Selbst.“

Ähnlich muss es sich auch für den Zuschauer anfühlen. Betreten die Darsteller in blauer Maske die Bühne, verschwimmen die Individuen und werden zu einer abstrakten, fast unmenschlichen Darstellungsform. Als nach und nach immer mehr blau geschminkte Bewerber in den Aufenthaltsraum kommen und auf ihren Einsatz warten, muss man schon ganz genau hinsehen, um unter der Maske die einzelnen Kandidaten zu erkennen.

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Ash Willison und Kathrin Janek wollen die ersten blauen Frauen in der Blue Man Group in Berlin werden.
Ash Willison und Kathrin Janek wollen die ersten blauen Frauen in der Blue Man Group in Berlin werden.Sabine Gudath

Wer schafft es in die Blue Man Group?

Doch genau dieser „Verlust des Selbst“ kann den Bewerbern auch zum Vorteil werden. Ludwig zum Beispiel konnte letztendlich vor allem beim letzten Casting-Teil in blauer Maske überzeugen. Dabei hatte er selbst eine ganz andere Wahrnehmung. „Beim letzten Auftritt vor den Castern hatte ich meine Probleme. Ich fühlte mich etwas unsicher, wollte zu sehr gefallen und habe mich zu sehr darauf konzentriert, was von mir erwartet wird. Ich war nicht ganz fokussiert und könnte es daher verstehen, wenn es nicht klappt. Manchmal ist die Innenwahrnehmung ja aber auch eine andere als die Außenwahrnehmung.“

Umso überraschter ist Ludwig bei dem, was dann passiert: Nachdem er sich abgeschminkt hat und wieder als Ludwig zu erkennen ist, erscheint er mit gerötetem Gesicht, glasigen Augen und ein bisschen wackelig auf den Beinen im Aufenthaltsraum, stammelt leise: „Ich hab’s geschafft.“

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„Ludwig brachte von Anfang an diese Kombination mit, mit Ausnahme der Zurückhaltung. Die hatte er aber, sobald er das Make-up trug. Das Make-up gab ihm eine Art Behälter, in dem er mit all diesen Elementen spielen konnte“, begründet Casting-Director Tim Aumiller die Entscheidung. Ludwig wird tatsächlich ein „Blue Man“: „Ich fühle mich total überrollt und überrascht. Nach der letzten Übung habe ich ja nicht mehr damit gerechnet. Das, was vorher ein bisschen zu viel war, konnte ich jetzt durch die Maske zurücknehmen. Es ist ein schönes Gefühl, dass die letzten drei Tage Arbeit gesehen wurden.“

Jetzt geht es für Ludwig los. Er bekommt ein paar Wochen Training im Trommeln und wird dann irgendwann in einen mehrwöchigen Workshop in New York zu einem echten „Blauen“ ausgebildet.

Und was ist mit den anderen drei Bewerbern? Acht der neun Finalisten haben es tatsächlich geschafft und könnten schon bald zur Blue Man Group gehören, darunter auch Daniel, Kathrin und Ash.

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