Die internationale Berlinale-Jury um Jurypräsident M. Night Shyamalan (3. v. l.) stellte sich am Donnerstag vor.
Die internationale Berlinale-Jury um Jurypräsident M. Night Shyamalan (3. v. l.) stellte sich am Donnerstag vor. AFP/loos

Von wegen Hollywood und Glamour. Juroren bei der Berlinale haben einen ganz eigenen Geschmack. Schauspielerin und Festival-Jurorin Connie Nielsen etwa steht auf ein deutsches Drogendrama. Aber Berlin hat sicher noch mehr zu bieten.

Kurz vor Beginn der Berlinale hat die Festivaljury die Bedeutung der großen Leinwand und des Films insgesamt hervorgehoben. „Kino ist so wichtig“, sagte Jurypräsident M. Night Shyamalan, der als Regisseur des Films „The Sixth Sense“ bekannt wurde. „Wir sitzen alle hier, weil wir das Kino sehr lieben“, sagte die deutsche Filmemacherin Anne Zohra Berrached („24 Wochen“). Der französisch-tunesische Produzent Saïd Ben Saïd verglich das Filmerlebnis bei der Pressekonferenz am Donnerstag mit einer Religion: „Wir sind zurück in der Kirche.“

Damit vertritt die Jury die offizielle Linie der Festivalleitung, was gut für Verleiher und Kinounternehmer ist, in der Branche insgesamt aber mittlerweile keinen Konsens mehr erzielt. Die meisten Festivalfilme haben ein Format, das im Stream und auf kleineren Bildschirmen und Displays nicht an Qualität verliert. Inzwischen starten große US-Studios ihre Filme immer öfter gleichzeitig im Kino und als Streaming-Highlight. Schlecht bekommt es den Filmen selten.

Gefragt nach prägenden Filmen nannte die Schauspielerin Connie Nielsen, die ihre Bühnenkarriere an der Seite ihrer Mutter in Revue- und Varietéshows startete, das deutsche Drogendrama „Christiane F.“ (1981): Das habe sie damals schockiert, aber ihr gezeigt, dass Film mehr sei als Marilyn Monroe oder der sonntägliche Fernsehfilm in ihrer dänischen Heimat. Berrached erinnerte daran, wie sie als Kind erstmals die große Leinwand erlebte: mit Alfred Hitchocks „Fenster zum Hof“.

Drogenmädchen Christiane F. aus Berlin.
imago/Ruppert
Drogenmädchen Christiane F. aus Berlin.

Berlinale dieses Jahr in Präsenz, aber in verkleinerter Form

Am Donnerstag stellten sich dann auch noch weitere Jurymitglieder vor: die Autorin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga (Simbabwe), die im Herbst mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wurde, der oscarnominierte Regisseur Ryûsuke Hamaguchi (Japan, „Drive my Car“) sowie der Filmemacher Karim Aïnouz (Brasilien/Algerien, „Zentralflughafen THF“).

Die Jury entscheidet bei dem Festival wie immer über die Gewinner der Bären-Trophäen im Wettbewerb. Wegen der Corona-Pandemie findet die Berlinale dieses Jahr in Präsenz, aber verkleinerter Form statt. Die Preisverleihung findet bereits am 16. Februar statt.

Zum Auftakt stand der neue Film des französischen Regisseurs François Ozon auf dem Programm: In „Peter von Kant“ spielen Isabelle Adjani und Denis Ménochet sowie die deutsche Darstellerin Hanna Schygulla mit.

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Der Film ist eine freie Interpretation des Werks des deutschen Regisseurs Rainer Werner Fassbinder (1945–1982). Er erzählte in „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1972) von einer Modeschöpferin, die ihre Sekretärin abschätzig behandelt und sich in ein weibliches Model verliebt – Hanna Schygulla spielte bereits darin mit. In „Peter von Kant“ dagegen geht es um einen Filmregisseur (Peter), der seinen Assistenten Karl misshandelt und demütigt und sich schließlich in einen jungen Mann namens Amir verliebt. Amir, der aus bescheidenen Verhältnissen stammt, nutzt die Chance, wird durch den Regisseur berühmt und trennt sich dann von ihm. Eigentlich eine typische Berlin-Geschichte.

Berlinale-Tickets gibt es diesmal nur online, um Warteschlangen zu vermeiden

Angesichts der Infektionslage in Deutschland wurde lange darum gerungen, ob die Berlinale stattfinden kann. Nun sollen beim Kinobesuch Auflagen gelten. Am Potsdamer Platz stehen Busse für Corona-Tests bereit. Zur Eröffnungsfeier (19.30 Uhr) am Donnerstag wurden rund 800 Gäste erwartet. Auf der Gästeliste standen Schauspielerinnen wie Iris Berben, Maria Furtwängler und Heike Makatsch, Schauspieler Burghart Klaußner und Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

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In den Kinos soll während des Festivals nur jeder zweite Platz besetzt werden. Zudem gilt die 2G-plus-Regel: Zutritt haben also nur Menschen, die bereits gegen das Coronavirus geimpft oder von einer Infektion genesen sind. Wer noch keine Boosterimpfung bekommen hat, benötigt außerdem einen Test. Im Kino gilt Maskenpflicht. Tickets gibt es diesmal nur online, um Warteschlangen zu vermeiden.

Die Auszeichnungen werden in diesem Jahr, wie gesagt, früher verliehen als üblich – bereits am Mittwoch (16. Februar) soll die Jury ihre Entscheidungen bekannt geben. Danach sind mehrere Publikumstage geplant. In den Jahren vor der Pandemie wurden regelmäßig mehr als 300.000 Tickets für die Berlinale verkauft, aber diesmal dürften es angesichts der reduzierten Sitzplatzkapazitäten weniger sein. Die 72. Internationalen Filmfestspiele enden am 20. Februar.