Amtsarzt Patrick Larscheid: „Wir haben die Situation an den Schulen im Griff“
Mehrere Corona-Fälle bei Berliner Schülern, erste Schule in Friedrichsfelde komplett geschlossen. Experten beruhigen aber.

Die Nervenprobe hat begonnen: Wie Mittwochabend bekannt wurde, ist wegen eines Infektionsfalls im Lehrerkollegium mit dem Gerhart-Hauptmann-Gymnasium in Friedrichhagen die erste Schule geschlossen, voraussichtlich auch noch am Freitag. Schulleiter Thomas Hähnert hatte von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht, weil eine Lehrerin ihm abends mitgeteilt hatte, dass sie positiv auf das Coronavirus getestet worden war.
Das Bezirksamt Treptow-Köpenick bestätigte dem Berliner KURIER, dass die Schließung der Schule nicht vom Gesundheitsamt angeordnet wurde. „Die Schule wird nun aber geschlossen bleiben, bis die Testergebnisse da sind – wohl frühestens am Freitagmorgen“, sagt eine Sprecherin. Die erkrankte Lehrerin war am Montag noch in der Schule gewesen, weswegen das gesamte Kollegium und eine Klasse, in der sie unterrichtet hatte, getestet wurden.
Infektionsfälle an Schulen gibt es außerdem bislang noch in vier anderen Berliner Bezirken: Der erste bekannte Fall war ein infiziertes Mitglied des Schulpersonals an der Karl-Weise-Grundschule in Neukölln, dort befinden sich insgesamt 11 Erwachsene, aber keine Schüler in Quarantäne.
Charlottenburg-Wilmersdorf meldete je einen infizierten Schüler am Heinz-Berggruen-Gymnasium und am Grauen Kloster. In Steglitz-Zehlendorf wurde bei einem Schüler in der Mittelstufe der Anna-Essinger-Gemeinschaftsschule eine Covid-19-Infektion festgestellt.
Und in Reinickendorf meldeten drei Schulen je einen infizierten Schüler: die Max-Beckmann-Oberschule, die Gustav-Freytag-Oberschule und das Thomas-Mann-Gymnasium. Weitere Meldungen lagen bis Redaktionsschluss nicht vor. Keine dieser Schulen wurde geschlossen, an den meisten sind vorerst nur die Betroffenen, ihre jeweiligen Klassen oder Lerngruppen sowie einzelne Lehrkräfte in der Quarantäne – einige zwei Wochen lang, andere nur, bis die Testergebnisse da sind.
Experiment Schul-„Vollbetrieb" bereits gescheitert?
Ist das Experiment „Vollbetrieb“ also schon nach wenigen Tagen gescheitert? Nein, sagt Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) dem Berliner KURIER: „Wir haben mit solchen Fällen an Schulen gerechnet und sind gut vorbereitet. Die Regel ist, die Lerngruppe und die direkten Kontaktpersonen in häusliche Quarantäne zu schicken, nicht aber eine ganze Schule zu schließen.“
Bisher habe es kein „Infektionsgeschehen“ in den Schulen selbst gegeben – das heißt, die erkrankten Lehrer und Schüler haben sich woanders angesteckt. Bisher – ob sie die Infektion weitergetragen haben, müssen nun die Tests der Kontaktpersonen zeigen.
Doch auch der Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid, in dessen Bezirk drei Schulen betroffen sind, mahnt zur Ruhe. „Wir haben die Situation an den Schulen im Griff. Ich schlafe da ganz ruhig“, sagte Larscheid dieser Zeitung. „Wir wissen, dass diese Infektionen nicht an der Schule stattgefunden haben, wir wissen, wer die Indexpersonen sind und können die Kontakte nachvollziehen. Es ist überhaupt nicht so, dass wir an der Schwelle einer unkontrollierbaren Situation stünden.“ Gerade Kinder steckten sich so gut wie nie untereinander an, sagt Larscheid.
Die Bedenken des Charité-Virologen Christian Drosten seien ihm natürlich bekannt, und eine Gefahr ganz ausschließen könne auch er nicht. „In der Praxis stecken sich Kinder aber vor allem bei ihren Eltern oder großen Geschwistern an, weil in der Familie einfach ein näherer körperlicher Umgang herrscht als in der Schule“, sagt Larscheid.
Pädagogen, die sich nicht an Corona-Regeln halten
Wenig Verständnis hat der Amtsarzt allerdings für erwachsenes pädagogisches Personal, das sich nicht an die Corona-Regeln hält. Fälle wie in Neukölln, wo nach den Vorbereitungstagen 11 Schulangestellte in Quarantäne mussten, brächten ihn zur Verzweiflung. Larscheid steht hinter dem Vollbetrieb an Schulen – eine Einschätzung, die er mit seinen 11 Kollegen aus den anderen Bezirken teile.
Die Spandauer Amtsärztin Gudrun Widders bestätigt das und sagt: „Wir stehen in gutem Kontakt zu den Schulen. Alle Schulleitungen haben von der Senatsschulverwaltung eine Handreichung erhalten, die Schritt für Schritt aufzeichnet, was im Verdachtsfall zu tun ist.“
Die verhindert allerdings nicht immer, dass gleich eine ganze Schule geschlossen wird, wie der Fall des Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums zeigt. Schulleiter Hähnert erklärt dieser Zeitung, dass er im Treptow-Köpenicker Gesundheitsamt nach Dienstschluss am Mittwoch niemanden mehr erreicht habe. Auch ein Anruf bei der Hotline brachte keine Hilfe. Hoffentlich kein weitverbreitetes Problem: In anderen Bezirken haben Schulleitungen von ihren Gesundheitsämtern für solche Fälle Notfall-Handynummern bekommen.