Wildschweinjagd: Schüsse im Wohngebiet
Am hellichten Tag gerät eine Mutter mit Kind auf dem Weg von der Kita in eine Jagd auf eine Rotte.

Simone Schulz ist fassungslos. Als sie ihre kleine Tochter von der Kita Pusteblume in Teltow abholt, gerät sie in eine Stadtjagd. Am hellichten Tag hat ein Stadtjäger in Teltow Jagd auf eine Rotte Wildschweine gemacht.
Als Simone Schulz (52) und ein Arbeitskollege am Montagnachmittag ihre ein und drei Jahre alten Kinder aus der Kita „Pusteblume“ abholten, „hörten wir einen Riesenknall“, erzählt sie. „Wir dachten schon, wir sind im Wilden Westen. Die Kinder fingen sofort zu weinen an.“ Anschließende sehen sie, wie eine Rotte Wildschweine wegrennt. Doch damit nicht genug.
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Einige Meter weiter entdecken die geschockten Passanten am Straßenrand zwei erschossene Wildschweine. Ein Frischling, der nicht mit der Rotte mitgekommen war, irrt herum. „Die Kinder haben gleich wieder geweint“, sagt Schulz. Ein paar wenige Menschen seien dort gewesen, Jäger habe sie aber keinen gesehen, auch keine Sicherungen. „Ich bin immer noch fassungslos über das Geschehen, welches sich gestern in Teltow abgespielt hat“, so Simone Schulz. „Von der Grausamkeit der gehetzten Tiere abgesehen, finde ich die Gefährdung der Menschen - viele Kinder leben dort mit ihren Eltern und haben diese Bilder erst einmal in ihrem Kopf - einfach unfassbar!“
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Aus der Teltower Stadtverwaltung ist laut der Regionalzeitung MAZ zu hören, dass der Stadtjäger zuvor von Anwohnern informiert worden war. Daraufhin sei er mit einem Kollegen zum Ort des Geschehens gefahren, so der Stadtsprecher zur MAZ. Bei dem betreffenden Bereich handle es sich um ein verwildertes Grundstück, in dem sich zahlreiche Wildschweine aufhalten. Aus Gründen der „Gefahrenabwendung“ habe der Stadtjäger es für nötig gehalten, zu handeln, um das Areal zu „bereinigen“.
Die Jäger gaben demnach weiter an, sie hätten darauf geachtet, dass keine Menschen gefährdet würden. Die Schüsse seien von oben herab in eine Senke abgegeben worden um Querschläger oder ein Abprallen zu vermeiden. Die auf dem Bürgersteig abgelegten Tiere sollen jetzt verwertet werden.
Berlins Wildtierexperte Derk Ehlert kennt die Gegend, in der geschossen wurde genau. "Grundsätzlich gilt in allen Bundesländern in Wald und Stadt, dass durch die Jagd kein Mensch gefährdet werden darf. Ist das nicht auszuschließen, darf nicht gejagt werden." Ist Gefahr im Verzug, kann aber die Polizei, bei der sich Stadtjäger normalerweise anmelden, einen Abschuss anordnen. Dazu muss sie nicht einmal vor Ort sein. Die Entscheidung, ob und wann geschossen wird, liegt aber dann beim Jäger selbst. Stadtjäger seien in der Regel besonders empathisch und können auch gut mit Menschen umgehen. In Berlin sind das oft Polizisten oder Tierärzte, sagt Ehlert. Über das wie in Teltow kann man sicher streiten.
"In Berlin würde es sicher nicht so gut ankommen, die Tiere ohne Abdeckung auf dem Bürgersteig abzulegen", sagt Derk Ehlert. Grundsätzlich sei die Stadtjagd aber erlaubt.
600 000 bis 800 000 Wildschweine werden jährlich in Deutschland erlegt, vor 50 Jahren noch waren es nur 50 000. Die Schweine finden in der intensiven Landwirtschaft, mit milden Wintern und Impfungen gegen die normale Schweinepest optimale Lebensbedingungen. Auch in Berlin und Brandenburg.