Die große Ost-West-Debatte im KURIER

Wie viel DDR steckt noch in uns?

Ob auf der Straße, im Supermarkt oder im TV: Auch nach 30 Jahren deutscher Einheit findet man in Berlin noch Spuren des einstigen Arbeiter-und-Bauern-Staates.  

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Das Staatswappen der DDR ist wie der Palast der Republik schon längst verschwunden. Dennoch existiert der Arbeiter-und -Bauern-Staat in Berlin weiter.
Das Staatswappen der DDR ist wie der Palast der Republik schon längst verschwunden. Dennoch existiert der Arbeiter-und -Bauern-Staat in Berlin weiter.imago-images/Rüttimann

Seit drei Jahrzehnten leben wir nun in einen wiedervereinten Land. Die DDR ist dennoch nicht vergessen. Vieles bleibt in Erinnerungen lebendig, manches von damals begegnet uns auch heute noch im Alltag.  Das zeigt auch die aktuelle Ost-West-Debatte zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit, bei der einstige DDR-Bürger erneut auf die Anerkennung ihrer Leistung pochen (KURIER berichtete). Denn der SED-Staat bestand ja bekanntlich nicht nur aus Mauer, Diktatur und Stasi. Es sind viele schönen Erinnerungen, die geblieben sind und bleiben.

Klar, im Stadtbild von Berlin findet man die Spuren, die die DDR hinterlassen hat, auf Schritt und Tritt. Und damit ist nicht nur der grüne Pfeil gemeint, den es noch an vielen Ampelkreuzungen gibt.

Es geht um Bauwerke. Zum Glück ist nicht alles platt gemacht worden wie der Palast der Republik, Palasthotel oder das Ahornblatt am Spittelmarkt. Zu den berühmtesten zählen der Fernsehturm und der Friedrichstadt-Palast, dem letzten Prunkbau, der in den 80er-Jahren im Arbeiter-und-Bauern-Staat entstand. Er erfuhr gerade eine verdiente Ehrung: Als Zeugnis der besonderen Plattenbaukunst in der DDR wurde das heute größte Revue-Theater Europas unter Denkmalschutz gestellt. Eine Ehre, die Senat und Bund dem Palast der Republik, der von 2006 bis 2008 abgerissen wurde, nicht zuteil werden ließen.

Intendant Berndt Schmidt ist glücklich, dass der Friedrichstadt-Palast nun als einer von wenigen DDR-Bauten unter Denkmalschutz steht. 
Intendant Berndt Schmidt ist glücklich, dass der Friedrichstadt-Palast nun als einer von wenigen DDR-Bauten unter Denkmalschutz steht. imago-images/Müller

Nun, dafür wurde die 1,8 Kilometer lange Karl-Marx-Allee, die als „Stalinallee“ in den 50er-Jahren als DDR-Großbauprojekt entstand, mit ihren monumentalen Häusern zum längsten Baudenkmal Deutschlands erklärt. Selbst einige wenige Straßennamen aus DDR-Zeiten wie Allee der Kosmonauten, Karl-Kunger-Straße oder der Bersarinplatz blieben erhalten.

Die Karl-Marx-Allee, als Stalinallee in der DDR entstanden, ist heute Deutschlands längstes Baudenkmal.
Die Karl-Marx-Allee, als Stalinallee in der DDR entstanden, ist heute Deutschlands längstes Baudenkmal.imago-images/Behring

Wer in Berlin die DDR entdecken will, muss eigentlich nicht weit laufen. Der Besuch des nahen Supermarktes, der auch heute noch manch umgebaute Kaufhalle ist, reicht völlig. Dort sind einstige DDR-Produkte wieder fester Bestandteil in den Regalen. Feinkost-Klassiker wie der Bautz’ner Senf, von dem mittlerweile in ganz Deutschland über 24 Millionen Becher im Jahr verkauft werden. Oder der Rotkäppchen-Sekt, den sich 1995 sogar Prinz Charles bei seiner Berlin-Visite munden ließ, als er in Hellersdorf eine Familie besuchte, für deren DDR-Plattenbauwohnung sich der royale Gast sehr interessierte.

Rotkäppchen-Sekt und Saft aus dem Osten: Die einstigen DDR-Erzeugnisse lließ sich auch Prinz Charles schmecken, als er 1995 Familie Kunz in Hohenschönhausen besuchte.
Rotkäppchen-Sekt und Saft aus dem Osten: Die einstigen DDR-Erzeugnisse lließ sich auch Prinz Charles schmecken, als er 1995 Familie Kunz in Hohenschönhausen besuchte.dpa

Die Nachfrage nach Ostprodukten wächst. Ob sie nun wie der Ketchup, die Äpfel oder die Tomaten wieder aus Werder kommen oder sogar von unseren osteuropäischen Nachbarn. Auch deren Erzeugnisse werden immer mehr zum Verkaufsschlager – wie die Biere aus Tschechien oder Polen, die neben den ostdeutschen Brauereierzeugnissen wie Radeberger oder Lübzer großen Absatz finden.

Bautz'ner Senf wird im ganzen Land gerne gekauft.
Bautz'ner Senf wird im ganzen Land gerne gekauft.imago-images/stock&people

Es ist offenbar eine Frage des guten Geschmacks, sich auf die Spuren der DDR zu begeben. Und diese findet man auch in den Berliner Lokalen, auf deren Speisekarten wieder die ostdeutsche Küche mit Jagdwurstgulasch, Soljanka & Co. immer häufiger zu finden ist.

Selbst in der Berliner Wirtschaft können aufmerksame Beobachter die DDR entdecken. Freilich, die 1990 gegründete Treuhandanstalt wickelte Monate nach dem Mauerfall Tausende Betriebe im Osten ab. Mit der Einführung der D-Mark in der DDR waren es allein bis 1994 über 3500 der über 10.000 volkseigenen Betriebe, die verschwanden. In diesem Zeitraum wurden auf dem Gebiet der einstigen DDR knapp drei Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Im Osten Berlins gingen 300.000 Jobs verloren.

Richtig erfolgreich am Markt ist Berlin Chemie. 1992 wurde das Unternehmen vom italienischen Menarini-Konzern gekauft. Heute hat der einstige VEB weltweit 5.000 Mitarbeiter, gehört mit einem Jahresumsatz von 1,7 Milliarden Euro zu den stärksten Pharmafirmen Deutschland.

Stammt aus Russland, war in der DDR beliebt und wird noch heute gerne serviert: die Soljanka.
Stammt aus Russland, war in der DDR beliebt und wird noch heute gerne serviert: die Soljanka.imago-images/stock&people

Seit 2010 macht die DDR auch berlinweit Schule – mit Ganztagsschulen, wie es sie einst im Osten gab. Und 2019 erklärte der Senat sogar ein DDR-Ritual zum echten Feiertag: den Internationalen Frauentag. Der 8. März wurde zwar im Osten gefeiert, nur arbeitsfrei hatte man da nicht.

Und ein Teil der DDR flimmert jeden Abend auf den Bildschirmen des wiedervereinten Landes. Das Sandmännchen, das im vergangenem Jahr stolze 60 Jahre alt wurde. Die DDR ist vor 30 Jahren zwar eingeschlafen, aber die Liebe zu dem Kinderfernsehstar ist geblieben.

Das Sandmännchen ist ein echtes Kind der DDR und ist noch immer in Ost und West zu sehen.
Das Sandmännchen ist ein echtes Kind der DDR und ist noch immer in Ost und West zu sehen.dpa