Auf dem Gelände des früheren Berliner Flughafens Tegel wurden hochgiftige Chemikalien entdeckt.
Auf dem Gelände des früheren Berliner Flughafens Tegel wurden hochgiftige Chemikalien entdeckt. imago/Pacific Press Agency

Auf dem Gelände des früheren Flughafens in Tegel soll ein neues Stadtquartier entstehen. Vorausgesetzt, die Probleme, die sich dort auftun, sind beherrschbar. Denn im Boden wurden hochgiftige PFAS entdeckt. Die sogenannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) sind eine Gruppe von Industriechemikalien, die rund 4700 Substanzen umfasst. Das Problem bei PFAS ist ihre Stabilität und Langlebigkeit. Viele der Stoffe sind toxisch und reichern sich über die Nahrungskette an. Aber das ist längst nicht alles.

Eine parlamentarische Anfrage von Benedikt Lux (Bündnis 90/Die Grünen) brachte die giftige Entdeckung ans Licht. Lux fragte: „Wie ist der Stand der Bodenuntersuchungen auf dem Gebiet des ehemaligen Flughafens TXL? Wurden toxische Stoffe gefunden? Wenn ja: Welche Stoffe in welchen Konzentrationen?“

Die Antwort des Senats vom Juli, vertreten durch Silke Karcher von der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, ist ernüchternd. So heißt es unter anderem: „Nach Einstellung des Flugbetriebes im vierten Quartal 2020 wurde mit den Boden- und Grundwasseruntersuchungen auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel (ziviler Bereich) begonnen. Auch auf dem militärisch genutzten Teil erfolgen seit November 2020 Boden- und Grundwasseruntersuchungen. Die Bodenuntersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.“

Hohe PFAS-Konzentrationen im Grundwasser gemessen

Und weiter: „Auf beiden Arealen erfolgte in den ersten beiden Erkundungsetappen der Nachweis hoher PFAS-Kontaminationen im Boden und Grundwasser. Die gemessenen PFAS-Konzentrationen im Grundwasser überschreiten die Geringfügigkeitsschwellenwerte (GFS) der LAWA-LABO dabei teils deutlich. Die Eintragsorte stehen in Zusammenhang mit der Verwendung von PFAS-haltigen Löschschäumen durch die Flughafenfeuerwehr.“

Auch am ehemaligen Flughafen Tempelhof gibt es die giftige Hinterlassenschaft. Außerdem seien PFAS-Belastungen am südöstlichen Stadtrand in Schmöckwitz bekannt, so der Senat. Die benannten PFAS-Schadensfälle stünden meist in Zusammenhang mit dem Einsatz von fluorhaltigem Löschschaum.

Auch warum PFAS so gefährlich für den Menschen sind, erklärte der Senat in seiner Antwort: Eine Exposition gegenüber PFAS könne  unerwünschte gesundheitliche Wirkungen haben. „Erhöhte Konzentrationen von PFAS im menschlichen Blut können Wirkungen von Impfungen vermindern, die Neigung zu Infekten erhöhen, zu erhöhten Cholesterinwerten führen und bei Nachkommen ein verringertes Geburtsgewicht zur Folge haben. In der Muttermilch und im menschlichen Blut der Allgemeinbevölkerung sind langkettige PFAS nachweisbar. Die verminderte Immunantwort auf Impfungen stellt die bedeutsamste Wirkung auf die Gesundheit des Menschen dar, die bei der Bestimmung der tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmemenge zu berücksichtigen ist.“

Hochgiftige PFAS werden über Trinkwasser und Nahrung aufgenommen

Menschen könnten PFAS auf verschiedene Weise aufnehmen, unter anderem durch Lebensmittel, wo diese Stoffe am häufigsten in Trinkwasser, Fisch, Obst, Eiern und Eiprodukten nachweisbar seien. Im menschlichen Körper könnten besonders die langkettigen PFAS an Proteine in Blut, Leber und Niere binden. Im Vergleich zu anderen Chemikalien würden langkettige PFAS nur sehr langsam ausgeschieden und könnten sich deshalb im Körper anreichern.

Besonders kritisch, so der Senat, „ist auch die Weitergabe langkettiger PFAS von der Mutter zum Kind während der Schwangerschaft und Stillzeit. Den Wissenschaftlern der EFSA zufolge weisen Kleinkinder und andere Kinder die höchste Exposition auf. Die PFAS-Spiegel bei Säuglingen sind hauptursächlich auf die Exposition während der Schwangerschaft und Stillzeit zurückzuführen.“

Und nun? Mit einer vollständigen standortspezifischen Schadenserkundung, auch der tieferen Grundwasserleiterabschnitte auf dem Flughafengelände, so der Senat, werde im Jahr 2023 gerechnet. Im gleichen Zeitabschnitt sollten auch erste standortbezogene hydraulische Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Gefahrenabwehr realisierbar sein.

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Silke Karcher: „Nach gegenwärtigem Stand sind sowohl Bodenaushubmaßnahmen (mit dem Ziel einer deutlichen Minderung der Schadstoffquelle) als auch eine Förderung von belastetem Grundwasser (mit dem Ziel der Verhinderung einer weiteren Schadstoffausbreitung mit dem Grundwasser) erforderlich. Die Sanierung und Sicherung der Grundwasserschadensfahne wird aufgrund der Ausdehnung im Grundwasserkörper voraussichtlich viele Jahre bis Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Eine Schätzung der Kosten sei gegenwärtig noch nicht möglich. Es sei jedoch anzunehmen, erklärte die Berliner Umweltverwaltung, dass die Kosten im zweistelligen Millionenbereich liegen werden.

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