Hoffentlich muss da keiner auf jede Uhr einzeln klettern, um die Winterzeit einzustellen ...
Hoffentlich muss da keiner auf jede Uhr einzeln klettern, um die Winterzeit einzustellen ... imago/Fotografie 73

Eine Stunde vor oder eine Stunde zurück: Bei vielen Menschen beginnt wieder das Rätselraten, in welche Richtung sie ihre Uhren  drehen müssen, wenn die Sommerzeit um 2 Uhr in der Nacht zu Sonntag endet. Und sie erinnern sich daran, dass schon seit Jahren gestritten wird, diese Sommerzeit abzuschaffen. In ganz Deutschland war sie am 6. April 1980 eingeführt worden, auf Druck der DDR und zum Ärger der Bundesrepublik.

Jahrelang hatte Bonn vergeblich versucht, Ost-Berlin zur gemeinsamen Einführung zu bewegen, um dann Anfang 1980 von den Plänen der DDR überrascht zu werden. Nun wollte man in der Bundesrepublik nicht, dass zur real existierenden Mauer noch eine Zeitgrenze hinzukommt. Es wäre auch sehr seltsam gewesen, wenn in Kreuzberg und Friedrichshain, in Hannover und Magdeburg unterschiedliche Zeiten gegolten hätten.

Bundesrepublik wurde von der DDR unter Zeitdruck gesetzt

In rasender Eile richtete man sich deshalb auf die Sommerzeit ein, zum Beispiel musste die Bundesbahn alle Fahrpläne ändern und neu drucken.

Schon Ende Oktober 1980 verkündete die DDR überraschend, man wolle die Sommerzeit wieder abschaffen: Die erhoffte Einsparung im energiearmen Staat hatte sich durch die am Abend länger strahlende Sonne nicht eingestellt. Nun aber ließ sich Bonn nicht mehr am Nasenring führen, und die DDR gab im Dezember 1980 klein bei.

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Trotz 42 Jahren Sommerzeit: In Deutschland mag sie seit Jahren kaum jemand, wie Umfragen zeigten. Auch in anderen Ländern der EU, die 2001 die Sommerzeit unionsweit vorschreibt, gibt es seit Jahren Widerstand, dem sich das Europäische Parlament 2018 anschloss: Gleichzeitig erklärte es damals  in einer Entschließung, dass auch nach der Abschaffung der halbjährlichen Umstellung  eine EU-einheitliche Zeitregelung beibehalten werden muss.

EU-Kommission schlug 2018 vor, die Sommerzeit  abzuschaffen

Die EU-Kommission mit ihrem damaligen Chef Jean-Claude Juncker schlug deshalb noch im gleichen Jahr vor, bis 2021 die Sommerzeit abzuschaffen. Das EU-Parlament stimmte  2019 zu. Doch die 27 Mitgliedsstaaten, die sich im Europäischen Rat einigen müssten, kommen nicht zu Potte. Die Uhr steht.

Dimosthenis Mammonas, Kommissions-Sprecher für den Bereich Transport und Telekommunikation, teilte dem KURIER mit: „Der Vorschlag der Kommission wurde im Europäischen Rat zum letzten Mal im Dezember 2019 beraten.“ Danach gab es keine Bewegung mehr. Welches Land warum blockiert, mochte Mammonas nicht sagen. Das könnte künftige Verhandlungen und Überlegungen stören. 

So oder so: Die Sommerzeiten sind bereits bis 2026 festgesetzt.

Hintergrund der Sommerzeit, aktuell jeweils zwischen dem jeweils letzten Sonntag im März und im Oktober, ist die Überlegung: Ist es abends länger hell, werden weniger Lampen eingeschaltet und es wird weniger Strom verbraucht. 

Sommerzeit erstmals im Ersten Weltkrieg eingeführt

Deutschland und Frankreich hatten die Sommerzeit im Ersten Weltkrieg eingeführt. Großbritannien, die meisten seiner Verbündeten und viele neutrale europäische Staaten folgten noch während des Krieges diesem Beispiel. Viele gaben sie nach 1918 wieder auf.

In Europa erstmals wieder eingeführt wurde sie dann 1966 von Italien, weitere EU-Staaten folgten bis 1981.  Laut EU gibt es in rund 60 Ländern die Abweichung von der jeweiligen Standardzeit. Eine Reihe von Ländern haben sie aber schon 1991 wieder gestrichen, so Island, China, Russland, Belarus und zuletzt die Türkei.

In der EU gibt es drei Zeitzonen, unabhängig von Sommer- und Standardzeit

  • Westeuropäische Zeit mit Irland und Portugal, eine Stunde früher als in Deutschland.
  • Mitteleuropäische Zeit mit 17 Staaten, darunter Deutschland
  • Osteuropäische Zeit mit den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Bulgarien, Zypern, Finnland, Griechenland und Rumänien. Hier ist es schon 13 Uhr, wenn es in Deutschland erst 12 Uhr schlägt.

Die Schwierigkeit in der EU ist jetzt, dass „unkoordinierte Änderungen der Zeiten zwischen den Mitgliedstaaten“ dem Binnenmarkt schaden und  Kosten im grenzüberschreitenden Handel steigen würden. Am Ende, so fürchtet man in Brüssel, könnte die Produktivität sinken. Einen Flickenteppich unterschiedlicher Zeiten innerhalb der EU will man folglich auf keinen Fall, auch wenn es Sache der Mitgliedstaaten sei, welche Standardzeit sie wählen und ob sie sich dabei für eine dauerhafte Sommer- oder Standardzeit („Winterzeit“) entscheiden.  

Das Problem mit Nord und Süd, Ost und West

Das mag seltsam klingen, hat aber seinen Grund: in den nördlichen EU-Staaten gibt es lange Sommer- und kurze Wintertage, im hohen Norden Schwedens oder Finnlands gibt es im Winter sogar nie Sonnenlicht, im Sommer keine dunklen Nächte.

In den südlichen EU-Mitgliedstaaten dagegen verändert sich die Tag- und Nachtverteilung des Tageslichtes  dagegen kaum.

Auch die  Lage von Ländern  könnte von Bedeutung sein. Je weiter im Westen einer Zeitzone sich ein Land befindet, desto später kommt es zu Sonnenaufgang und -untergang, während es am östlichen Ende am Morgen früher hell wird und die Sonne eher untergeht.

Kommission und Parlament wollen nicht nur wegen der verbreiteten Unzufriedenheit der Bürger weg von der Sommerzeit. Denn wie die DDR schon 1980 festgestellt hatte, hält sich der Effekt der Energieeinsparung sehr in Grenzen. Italien meldete 2016 einen Minderbedarf von zwei Promille des jährlichen Stromverbrauchs. Frankreich fand  2010 heraus, dass es ein Promille sei. 

Energieeinsparung in Deutschland? Fehlanzeige

·Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gab 2015 an, dass die Einsparungen in Deutschland  vernachlässigbar seien, da die für Beleuchtung überhaupt aufgewendete Energie nur noch etwa acht Prozent des gesamten Energieverbrauchs ausmache. Gleichzeitig wäre mehr Energie für abendliche Freizeitaktivitäten der Bürger verbraucht worden.  

Gleichzeitig stellte die EU anhand von Studien fest, dass die Sommerzeit ganz gut für die ·Gesundheit sei, weil sich die Leute an hellen Sommerabenden draußen bewegten.  Andererseits legen Forschungen nahe, dass vor allem die Umstellung im März stärkere Auswirkungen auf den menschlichen Biorhythmus haben könnte. Manche Menschen bräuchten Wochen, um sich auf die Sommerzeit einzustellen.

In einer Umfrage der Krankenkasse DAK beklagte ein Drittel der Deutschen nach der Zeitumstellung körperliche oder psychische Probleme. Drei von vier Befragten erklärten zum Beispiel sich schlapp und müde zu fühlen. 59 Prozent berichteten über Schlafprobleme. Es gibt auch schwer zu verifizierende Hinweise, dass es deshalb im April mehr Verkehrsunfälle gibt.

Übrigens: Sie müssen ihre Uhren am späten Sonnabend oder am Sonntag um eine Stunde zurückdrehen, gewinnen deshalb in der Nacht zu Sonntag eine Stunde. Auf Smartphones und bei Funkuhren sollte die Umstellung automatisch erfolgen.