Untersuchung des Politikwissenschaftlers Mahmoud Jaraba
Ist der Umgang der Polizei mit den Clans diskriminierend?
Wer Remmo heißt oder Omeirate hat es in Berlin schwer bei der Jobsuche. Zwei Wissenschaftler und ein Polizist halten den Umgang der Polizei mit Mitgliedern von Clans für diskriminierend.

Die Bedeutung der Clankriminalität wird überbewertet, und der Begriff Clankriminalität ist rassistisch. Das ist in etwa das Fazit, das aus einem Pressegespräch gezogen werden kann, zu dem der „Mediendienst Integration“ lud. Der Mediendienst ist ein Projekt des Rats für Migration e.V., unter anderem von der Bundesregierung gefördert und schreibt das Wort Clankriminalität generell in Anführungsstrichen.
Am Dienstag veröffentlichte der Mediendienst eine Expertise des Politikwissenschaftlers Mahmoud Jaraba vom Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa. Dieser kommt zu dem Schluss, dass Großfamilien keine homogene Gruppe unter Führung eines Clanchefs seien. „Die Mehrheit der Mitglieder von Großfamilien ist nicht kriminell“, sagt er. „Wenn Angehörige kriminell werden, dann in der Regel innerhalb der Kernfamilie.“
Lesen Sie auch: Knapp 300 Clanmitglieder sind für über 1000 Straftaten verantwortlich>>
Jaraba arbeitete schon 2015 an einer Studie des Islamwissenschaftlers Matthias Rohe im Auftrag des Landes Berlin über Paralleljustiz der Clans mit. Seitdem begleitet er kurdische Großfamilien, sogenannte Mhallami, und führte etliche Interviews, auch mit Kriminellen, deren Anteil er bei 10 bis 15 Prozent sieht.
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„Aber wir haben mehrere Remmo-Familien. In der Realität haben sie nichts miteinander zu tun.“
Nach seiner Erfahrung hat die nichtkriminelle Mehrheit das Gefühl von Kriminalisierung und Diskriminierung. Schon wer nur den Familiennamen eines Clans trägt, werde diskriminiert. Über den Berliner Remmo-Clan werde in den Medien viel berichtet, so Jaraba. „Aber wir haben mehrere Remmo-Familien. In der Realität haben sie nichts miteinander zu tun.“ Jaraba nennt auch die Omeirate-Familie. „Sie hat tausend Mitglieder in Deutschland. Sie tragen den gleichen Familiennamen, aber gehören in der Realität nicht zueinander.“ Die Polizei gehe „sehr hart mit normalen Menschen“ um, weshalb das Vertrauen in den Staat bei Leuten, die nie straffällig wurden, gleich null sei.
In Berlin vergeht keine Woche ohne Kontrollen von Polizei und Bezirksämtern in Shishabars und Wettbüros. Den Clans soll es ungemütlich gemacht werden, wie Innensenator Andreas Geisel (SPD) begründet. Denn nach seiner Einschätzung sind Clans, die ganze Straßenzüge für sich reklamieren würden und mit ihrer Paralleljustiz inzwischen zu einer Bedrohung der freiheitlich demokratischen Grundordnung geworden.
Diese so bezeichnete Politik der „tausend Nadelstiche“ hält die Kriminologin Daniela Hunold, die an der deutschen Hochschule der Polizei unterrichtet, für Symbolpolitik. Den Begriff Clankriminalität hält sie für diskriminierend. „Er bezieht sich auf eine Definition, die zu einer Fokussierung auf eine bestimmte ethnische Gruppe führt.“ Denn es gehe eher um die Strukturen einer informellen Organisation. Dass verschiedene Straftaten durch Clanmitglieder, etwa Ladendiebstahl oder Körperverletzung, in Polizeilagebilder zur Clankriminalität aufgenommen werden, ist für die Kriminologin ein Zusammenfassen zu einem „Über-Phänomen“, das allein aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit konstruiert werde. „Der Begriff Clankriminalität hat eine rassistische Tendenz, weil die Ethnie die Grundlage der Polizeimaßnahmen ist“, sagt sie.
Bisher gibt es keine bundesweit verbindliche Definition des Begriffs Clankriminalität. Zumindest das Bundeskriminalamt sieht im Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität (OK) in Clankriminalität die „Begehung von Straftaten durch Angehörige ethnisch abgeschotteter Subkulturen. Sie ist geprägt von verwandtschaftlichen Beziehungen, einer gemeinsamen ethnischen Herkunft und einem hohen Maß an Abschottung der Täter, wodurch die Tatbegehung gefördert und die Aufklärung der Tat erschwert wird. Dies geht einher mit einer eigenen Werteordnung und der prinzipiellen Ablehnung der deutschen Rechtsordnung.“
Kriminaloberkommissar Alexander Werner betont, dass der Großteil der Familien nicht polizeilich auffalle
Wegen der fehlenden einheitlichen Definition bestehe in den Länderpolizeien und der Gesellschaft ein uneinheitliches Verständnis des Phänomens, sagte Kriminaloberkommissar Alexander Werner vom LKA Nordrhein-Westfalen, der auch an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW lehrt. Er verwies auf den Umstand, dass Clankriminalität keine Unterform der OK ist, sondern ein breites Spektrum von Alltagskriminalität abbildet – Verkehrsdelikte, Körperverletzungen, Diebstahl, Betrug – und laut Statistik nur einen kleinen Anteil an der OK hat. „Wenn Sie sich die Lagebilder angucken, sehen Sie auch, dass 70 Prozent der Tatverdächtigen nur einmal straffällig werden und ungefähr fünf Prozent fünfmal oder häufiger“, so der Polizist. „Das finden Sie auch bei vielen Deutschen.“
Auch Werner betonte, dass der Großteil der Familien nicht polizeilich auffalle. „Es gibt auch keine Belege dafür, dass alle unter einer Decke stecken.“ Ethnie oder Kultur seien „keine kriminogenen Merkmale“, es gehe um soziale Lagen. „Die Menschen durften früher nicht arbeiten aufgrund des Arbeitsverbots. Heute dürfen sie teilweise nicht arbeiten, weil sie durch die Bekanntheit der Nachnamen keine Stelle oder keine Wohnung kriegen. Insofern ist es verwunderlich, dass nicht noch mehr Menschen aus den Großfamilien Straftaten begehen.“