Naturschutz vs. Wirtschaftsförderung

Wechselkröte bremst Marzahner Cleantech Business Park aus

Das Gewerbegebiet in Marzahn wurde für knapp 40 Millionen Euro bezugsfertig gemacht. Nun wollen Firmen mehr als 300 Millionen Euro investieren. Aber die Naturschutzbehörde im Bezirk blockiert.

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Pavillon am Cleantech Business Park in Marzahn. Sonst steht hier noch nicht viel. 
Pavillon am Cleantech Business Park in Marzahn. Sonst steht hier noch nicht viel. Ole Bader/ sandwichpicker

Auf dem Gelände des Cleantec Business Parks in Marzahn sorgt eine Kröte für Ärger. Naturschutz versus Wirtschaft heißt es in dem Gewerbegebiet, das für 40 Millionen bezugsfein gemacht wurde. Die Berliner Zeitung berichtet in einer Recherche über das Gelände, auf dem sich einst Rieselfelder befanden. Nun wo man dort in Sachen Energiewende richtig durchstarten will, bremst die Naturschutzbehörde wegen einer geschützten Population der Wechselkröte.

Seit 2016 ist der Cleantech Businesspark in Marzahn bezugsfertig, doch steht die Fläche heute bis auf eine Produktionshalle eines Schweizer Unternehmens leer. 88 der 90 Hektar sind Wildnis. Leerstand 98 Prozent.

Marzahn: Forschung für fossilfreie Energien

Dabei ist das Terrain im Berliner Nordosten das größte zusammenhängende Areal, das die Stadt für produzierende Unternehmen zu bieten hat, und zugleich einer der elf ausgewiesenen Zukunftsorte Berlins. Hier soll die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft gefördert werden.

In Marzahn sollen Industrie und Forschung gemeinsam fossilfreie Energien entwickeln, Lösungen zur Dekarbonisierung finden und nachhaltige Mobilität oder grüne Chemie voranbringen.

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Interessenten für die Flächen gebe es genug, heißt es in dem Bericht weiter. Der landeseigene Standort-Entwickler und Wirtschaftsförderer Wista und sein Chef Roland Sillmann wählten genau aus, wer sich ansiedeln dürfe. „2030 wird mehr als die Hälfte der Fläche hier vermarktet sein“, sagt der Wista-Chef der Berliner Zeitung.

Geschütze Kröten behindern Ausbau des Parks

So wolle eine Firma mit Namen Ceramic Salt Energie etwa Stromspeicher herstellen, die auf Natrium basieren und kein Lithium benötigen. Die Firma HH2E will überschüssigen Wind- und Sonnenstrom aus Brandenburg zu Wasserstoff machen und die dabei entstehende Abwärme direkt ins Berliner Fernwärmenetz leiten.  Doch das was ein grüner Anfang einer Erfolgsgeschichte sein könnte, muss nun eine dicke Kröte schlucken, im wahren Wortsinn.

Denn das Marzahner Umwelt- und Naturschutzamt sieht das ganz anders. Ein Lurch namens Bufo viridis, der auf dem Flurstück lebt, muss geschützt werden, so die Behörde. Die Wirtschaftsentwickler fielen aus allen Wolken, als man ihnen im Amt eröffnete, dass das gesamte Areal Wechselkrötengebiet sei und daher neu kartiert werden müsse. „Damit wurde der gültige Bebauungsplan infrage gestellt“, sagt Lukas Becker, ein Projektleiter der Wista der Berliner Zeitung. „Ich habe die Welt nicht mehr verstanden.“

Seit 2019 keine Wechselkröte gesichtet

Dabei wurde der Bebauungsplan 2013 doch von der Bezirksverordnetenversammlung in Marzahn auch mit Wissen um die Anwesenheit der Wechselkröte beschlossen. Wegen der Kröte wurden auf dem Gelände Ausgleichs- und Ersatzflächen geschaffen. Nur 60 Hektar der insgesamt 90 Hektar großen Fläche werden bebaut.

Auf jährlichen Begutachtungsrundgängen sei immer mal wieder Laich in sogenannten Temporärgewässern gefunden worden, welcher der Wechselkröte zugeordnet wurde. Ein erwachsenes Tier ist aber seit 2019 nicht gesichtet worden.

Wechselkröte in Berlin gefährdet

Die Population der Wechselkröten soll eine der letzten beiden Berlins sein. Sie gilt als gefährdet. Das gleiche Spiel kennt man auch aus Pankow, wo die Anwesenheit einer Krötenpopulation – dort sind es Kreuzkröten – ebenfalls seit Jahren den Bau eines neuen Stadt-Quartiers am Pankower Tor verzögert.

Vor etwa sechs Wochen sei der Streit zwischen der landeseigenen Wista und der Natur- und Umweltschutzbehörde des Bezirks nun eskaliert, schreibt die Berliner Zeitung. Es geht um einen Krötenschutz-Zaun, der auf und wieder abgebaut werden musste, die Naturschutzbehörde beharrt auf einer Neukartierung der Fläche.

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War es das also mit dem Cleantech Business Park, der für knapp 40 Millionen Euro hergerichtet und bezugsfertig gemacht wurde, und für weitere Investitionen?, fragt die Berliner Zeitung. Eine Anfrage bei der Stiftung Naturschutz Berlin zu den genaueren Untersuchungsergebnissen und Larvenfunden sei bis Redaktionsschluss unbeantwortet geblieben. Man müsse sich noch mit der Senatsumweltverwaltung abstimmen hieß es. Auch von dort gibt es keine Infos zum weiteren Vorgehen.

In Marzahn ist nach der Neuwahl Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic von der CDU sowohl für den Umwelt- und Naturschutz als auch die Wirtschaftsförderung zuständig. Kann sie das Hin und Her auflösen, den Streit befrieden? Sie will laut Bericht nun die Beteiligten zu einem Gespräch einladen.