Wahlplakate vor der Wiederholungswahl in Berlin-Pankow. 
Wahlplakate vor der Wiederholungswahl in Berlin-Pankow.  Imago / Zällner

Wissen Sie noch, was Sie am 26. September 2021 gemacht haben? Ich habe im Kalender nachgesehen. Kurz zuvor hatte ich noch einen Text über Marzahn geschrieben. Der dortige CDU-Abgeordnete Mario Czaja trommelte für die damals echt aussichtsreiche Idee, einen russischen Garten in den Gärten der Welt einzurichten. Heute undenkbar.

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Mario Czaja ist bekanntlich nach der Bundestagswahl, die am 26. September 2021 mit der Wahl zu den Bezirksparlamenten und zeitgleich mit einem Volksentscheid in Berlin stattfand, CDU-Generalsekretär der Bundes-CDU geworden. Vor der Wahl schien auch das undenkbar.

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Von den Szenen, die sich am Wahlsonntag 2021 in Berliner Wahllokalen abspielten, bekam ich als Briefwählerin und nach einem Ausflug aufs Land erst später etwas mit. Auch dass in Berlin eine komplette Wahl wiederholt werden muss, hielt kaum einer für möglich. Was sagt uns das? Undenkbar ist Unfug.

Wie hier vor den Wahllokalen im Tiergarten-Gymnasium in der Altonaer Straße standen am Wahltag 2021 viele Wähler stundenlang an - viele wählten deshalb erst nach 18 Uhr.
Wie hier vor den Wahllokalen im Tiergarten-Gymnasium in der Altonaer Straße standen am Wahltag 2021 viele Wähler stundenlang an - viele wählten deshalb erst nach 18 Uhr. dpa/Skolimowska

Nun gibt es diejenigen, die sehr genervt und ratlos angesichts des neuerlichen Urnengangs sind. Schon wieder wählen? Wen denn bloß? Die Jarasch als Bürgermeisterin, nee bloß nicht. Und dieser Kai wer? Berlin kriegt‘s doch eh nicht gebacken: Egal wen ich wähle, Veränderung in dieser Stadt, die sich in ihrer Not ihre Unfertigkeit auch noch als Alleinstellungsmerkmal auf die Fahnen schreibt, ist doch nicht drin, oder?

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Nicht wählen ist in Berlin auch keine Option 

Warum also noch einmal das Elend mit dem Bürgerkreuzchen legitimieren? Na, weil alles andere keine Alternative ist. Weil die Wiederholung einer Wahl das beste ist, was einer Demokratie passieren kann. Weil die ganze nervige Aktion zeigt, dass das Votum eines jeden Souveräns zählt und ernst genommen wird. Statt einen russischen Garten in Berlin einzuweihen, lassen russische Behörden Scheinreferenden in besetzten Gebieten durchführen. Eine freie Wahl haben die Menschen dort nicht.

Ein Wähler gibt seine Stimme in einer Wahlkabine in einem Wahllokal ab
Ein Wähler gibt seine Stimme in einer Wahlkabine in einem Wahllokal ab Thomas Padilla/AP/dpa/Symbolbild

Genießen Sie ihren Gang zum Wahllokal am Sonntag also. Machen Sie sich fein. Schauen Sie gern genauer hin. Wie lange müssen Sie anstehen? Sind ausreichend Wahlzettel und Kabinen da? Als Wähler sind wir Berliner bei dieser bisher ersten und einmaligen Wiederholungswahl alle Wahlbeobachter. Da braucht es keine selbsternannten Wahlbeobachtergruppen, die sich auf Telegram organisieren. Jeder kann den Auszählungen beiwohnen, das steht im Bundeswahlgesetz. 

Wählen gehen ist ein Privileg 

Lassen Sie uns an diesem Sonntag tun, was getan werden muss: Eine saubere Wahl hinlegen, dann nicht lange schnacken, sondern anpacken, in welcher Konstellation auch immer. Berlin hat jede Menge Baustellen und ich meine nicht nur die auf den Straßen.

Nachdem mit der Wahl das „Fest der Demokratie“ gefeiert wurde, wie der Landeswahlleiter Stephan Bröchler die historisch einmalige Extrarunde nennt, haben wir ab Montag keine Zeit für Kater und Ausruhen. Berlin braucht wache Politiker, die die Schätze der Stadt heben und ihre Wunden heilen. Wache Menschen, die Berlin als ihre Stadt mitgestalten. Ein Berlin, das gelingt, ist undenkbar? Unfug!