Würden Sie für ein gutes Gewissen mehr zahlen?

Penny experimentiert in Berlin mit deutlich höheren Preisen

Ein Discounter will seine Kundschaft zu gewissenhafterem Konsum anregen und testet dies in Spandau direkt am Supermarkt-Kunden.

Teilen
 Ein Preisschild weist neben dem Verkaufspreis auch den "wahren Preis" aus in einem Penny Supermarkt.  
Ein Preisschild weist neben dem Verkaufspreis auch den "wahren Preis" aus in einem Penny Supermarkt.

Berlin - Ist der Verbraucher bereit, für ein Lebensmittel mehr zu zahlen, wenn er dafür sein Gewissen beruhigen kann? Zahlt man für eine Kugel Mozzarella 89 Cent anstatt 59 Cent, wenn man weiß, dass die Differenz der Umwelt zugute kommt und die Weichkäsekugel ökologisch korrekt ins Regal gefunden hat? Der Penny-Markt in Spandau will genau das wissen und will mit einer Aktion einen ersten Schritt machen, um sich in der längst schon begonnenen gesellschaftlichen Debatte um die Nachhaltigkeit im Lebensmittelsektor einzumischen.

Ein Beginn soll das sein, um den Verbraucher auf diese Weise zum bewussteren Konsum anregen. Die Filiale „Grüner Weg“ in der Fehrbelliner Straße 29 hat an diesem Mittwoch nach einer zweiwöchigen Umbaupause wiedereröffnet, als „Nachhaltigkeits-Erlebnismarkt“, wie Penny-Sprecher Andreas Krämer erklärt. Man wolle den Kunden die „wahren Kosten“ für ein Produkt „transparent“ machen, so Krämer. Denn man sei ein Teil des Problems, so die Erkenntnis des Discounters, die allerdings im Biomarkt-Bereich Berlins längst geführt wurde. Das Unternehmen verstehe sich als Bestandteil der Gesellschaft, die – als Einzelne, aber auch durch die Wirtschaft – ökologische Schäden produziert und damit auch verantwortlich für Lösungsvorschläge sei, so Krämer.

Nun stehen in der Filiale 20 Infostände, die die Käufer und Käuferinnen zu unterschiedlichen Aspekten informieren. Das Schlachten männlicher und damit für die Eierproduktion nutzloser Küken, Bienensterben, Fischfang. Der Mozzarella jedoch hat einen eigenen Hintergrund. In einer von der Rewe-Group, zu der der Discounter Penny gehört, beauftragten Studie an der Universität Augsburg wurde berechnet, welchen Preis man für ein Lebensmittel zahlen müsste, wenn man nicht nur die Produktionskosten, sondern auch die Kosten, die durch die Umweltschäden entstehen, tragen müsste. Die bezeichnet der Autor der Studie, Tobias Gaugler, als „Schadenskosten“. Seine Berechnungen beruhen auf Ergebnissen von Vorstudien: über die schädliche Wirkung von Düngemittel etwa auf das Trinkwasser, Energieverbrauch, Landnutzung, Treibhaus- und Klimagase. Die Aktion in der Spandauer Penny-Filiale ist ein Testlauf – in den kommenden Wochen sollen Kunden befragt und die Verkäufe der markierten Produkte analysiert werden. Gaugler wünscht sich, die wissenschaftlichen Ergebnisse dadurch „raus aus dem Elfenbeinturm“ der Universität zu bringen und „rein in die Realität“. Also in diesem Fall nicht in eine in der Regel teure Biomarkt-Kette, sondern zum Penny-Kunden, der als preisbewusst gilt.

Und so in etwa lauten also die wissenschaftlichen Ergebnisse in konkreter Übersetzung: Nach den Berechnungen seines Teams müsste beispielsweise ein Liter H-Milch 96 Cent mehr kosten, ein Liter Bio-Milch aber nur 75 Cent mehr. Aus dieser im relativen Sinne kleinen Differenz erhoffen sich die Wissenschaftler, aber auch Krämer eine „Lenkungswirkung“ in Bezug auf das Konsumverhalten. Weg von schädlichen Fleisch- und Tierprodukten, hin zu mehr Bio- und Pflanzenverzehr.

Nicht mitgerechnet sind in dem „Experiment“ andere Faktoren, wie etwa die Arbeitsbedingungen in der Produktion. Auch dieser Aspekt ist Teil der Debatte – nicht zuletzt zeigten dies die Vorkommnisse beim Fleischproduzenten Tönnies. Ob letztlich die Nennung der Preisdifferenz von acht Lebensmitteln bei einem Sortiment von 3500 Produkten überhaupt auffallen wird, wird sich noch zeigen. Stammkundin Susanne Hornung hat die Aktion bei ihrem Einkauf diesmal nicht bemerkt. Sie wäre aber bereit, „für gewisse Sachen mehr zu bezahlen“, sagt die Spandauerin.

Die Studie beantwortet indes Fragen nach der sozialen Komponente nicht. Wer könnte sich den Preisaufschlag leisten und wer nicht? Wohin würden die Mehreinnahmen fließen? Einerseits solle die mögliche Preissteigerung von politischen Maßnahmen begleitet werden, sodass „eine soziale Spaltung“ verhindert würde. Andererseits sollten die Mehreinnahmen etwa nachhaltiger Landwirtschaft durch Subventionen zukommen, so Gaugler.