Existenzkampf : Quarantäne: Warum sich dieser Taxifahrer von den Behörden veralbert fühlt
Weil der Berliner Taxifahrer Stephan Fiedler in Quarantäne musste, entstand seinem Chef ein finanzieller Verlust. Den soll er jetzt ganz allein tragen.

Stephan Fiedler (55) ist wütend: Bereits im März musste der Taxifahrer aus Rudow in Quarantäne, da es einen Covid-19-Infektionsfall an der Schule seiner Tochter gab. Sein ohnehin schon durch die Corona-Pandemie schwer angeschlagener Arbeitgeber erlitt deshalb einen Verdienstausfall und bleibt jetzt auf den Kosten sitzen.
„Ich finde das total absurd. Mein Chef ist unverschuldet in diese unangenehme Situation hineingeraten und soll jetzt auch noch dafür zahlen“, sagt Stephan Fiedler. Der Familienvater bekam im März ein Schreiben der Gesundheitsbehörde, in dem seine die zweiwöchige Quarantäne angeordnet wurde. „Bei meiner Tochter an der Schule wurde jemand positiv getestet. Allerdings wurde mir das Schreiben eine Woche zu spät zugestellt. Eigentlich hätte ich schon eine Woche in Quarantäne sein müssen“, sagt Fiedler. Zum Glück für seinen Arbeitgeber, das Stephan Fiedler dadurch nur eine Woche ausfiel und nur ein Schaden von 532 statt 1064 Euro entstand.
Trotzdem bleibt Taxiunternehmer Günther Stiekel von Viva-Taxi in Steglitz auf Kosten sitzen, die er gar nicht selbst verursacht hat. Er bekam am 9. Juni einen Ablehnungsbescheid der Senatsverwaltung für Finanzen. Dort hatte Stiekel seinen Verdienstausfall eingereicht. Denn auf berlin.de steht geschrieben: „Wer aufgrund des Infektionsschutzgesetzes einer Quarantäne unterliegt, kann Entschädigung auf Antrag erhalten.“
Anspruch auf Erstattung bestehe nicht
Die Behörde, die Senatsverwaltung für Finanzen, begründet den Ablehnungsbescheid, der dem KURIER vorliegt, folgendermaßen: Ein Anspruch auf Erstattung bestehe nicht und der Arbeitgeber sei zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet gewesen. Dem Arbeitnehmer sei durch die angeordnete Quarantäne ohne eigenes Verschulden in einer verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit an der Erbringung der vertraglich vereinbarten Dienstleistung gehindert.
Auf eine offizielle Anfrage des KURIER bei der zuständigen Senatsverwaltung für Finanzen heißt es: „Bei dem von Ihnen vorgelegten Fall wird das Arbeitsverhältnis vermutlich bereits seit längerem bestehen, sodass die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer davon ausgehen könnte, bei einer vorübergehenden Verhinderung von zwei Wochen den Vergütungsanspruch gegenüber der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber nicht zu verlieren. Insoweit kann bei dem Fall davon ausgegangen werden, dass ein Verdienstausfall nicht entstanden ist und damit würde kein Entschädigungsanspruch bestehen“, teilt ein Sprecher mit.
„Wenn es so weitergeht, kann ich höchstens noch drei Monate überleben“
Das Problem für Günther Stiekel sind nicht allein die 532 Euro, sie haben nur das Fass zum Überlaufen gebracht. Wegen der hohen Umsatzeinbrüche im Taxigeschäft aufgrund der fehlenden Messen und Veranstaltungen in der Stadt kämpft er ums Überleben. „Ich stehe kurz davor, die Firma dichtzumachen. Wenn es so weitergeht, kann ich höchstens noch drei Monate überleben“, sagt er. Für den neuen Flughafen, der demnächst eröffnet werden soll, habe er auch noch keine behördliche Berechtigung erhalten, dass er dort künftig Fluggäste ein- und ausladen darf. Stiekel, der seit 35 Jahren im Taxigewerbe selbständig ist, hat mehrere Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen.
Günther Stiekel kann nicht nachvollziehen, warum er vom Staat so alleingelassen wird. Sein Angestellter Stephan Fiedler vermutet, dass sich derartige Verluste auch negativ auf die Vernunft der Bevölkerung auswirken könnten. „Ich denke, dass die behördlichen Anordnungen dann einfach beim nächsten Mal ignoriert würden, da viele Menschen Angst um ihren Arbeitsplatz haben“, sagt er.