Berliner Survival-Experte: DARUM sollten wir alle ein bisschen zum Prepper werden
Was tun, wenn für längere Zeit der Strom ausfällt? Die Lebensmittelversorgung gefährdet ist? Survival-Experten verraten wie man für den Krisenfall vorsorgt.

Markus Wächter
Okay, ich gebe es zu. Nach der Lektüre des Buches um das es hier gehen soll, habe ich ein paar Gaskartuschen für den Campingkocher bestellt, das Kerzenlager überprüft und mir vorgenommen, bei den nächsten Einkäufen ein bisschen mehr als nötig in den Korb zu legen. „Bin ich jetzt schon ein Prepper?“, frage ich Benjamin Arlet. „Naja, vielleicht auf dem Weg, ein Vorsorger zu werden“, sagt er. Jemand also, der sich Gedanken über Ereignisse macht, die den Alltag unterbrechen oder verändern können und der sich auf solche Krisen mit Vorräten und Wissen und vorbereitet.
Hackerangriff auf das Berliner Stromnetz
Nehmen wir einmal an, es gäbe einen Hackerangriff auf das Berliner Stromnetz. Ein ganzer Stadtteil wäre plötzlich ohne Energie. Drei Tage lang liefen noch vereinzelt Generatoren, zum Beispiel auf den Intensivstationen der Krankenhäuser. Schon in den ersten zwei, drei Tagen würden die Supermärkte leer gekauft, falls sich die Türen überhaupt öffneten.
In den meisten Haushalten bräche nach drei bis vier Tagen, wenn alles Wasser aus den Spülkästen der Toiletten getrunken ist, der Durst aus. „Und dann beginnt das Zerren um die Ressourcen“, sagt Benjamin Arlet. Das Szenario ist kein Problem für Menschen wie ihn und seinen Kollegen Daniel Schäfer. Arlet und Schäfer sind so etwas wie Profi- Vorsorger. Der ehemalige Zivi und Outdoor-Trainer und der Ex-Bundeswehr Einzelkämpfer haben sich mit ihrem Vorsorger-Wissen zusammengetan und ein Buch darüber geschrieben, wie Normalos wie ich sich ohne viel Aufwand sinnvoll auf unvorhergesehene Ereignisse vorbereiten und Notlagen ein Stück weit gelassener entgegen sehen können.
Krisen und Notlagen kommen immer unangekündigt
Überraschende Ereignisse, die uns aus unserem sehr bequemen Alltag reißen, gibt es immer wieder, nur weiß man erst hinterher, dass man sich besser hätte vorbereiten sollen: die Flutkatastrophe im Ahrtal, eine überraschender Bombenfund, nach dem man seine Wohnung vorübergehend verlassen muss, ein Feuerunglück, Naturkatastrophen, Stromausfall - sie alle kommen ohne Vorankündigung.
„Sich auf auf mögliche Krisensituationen vorzubereiten, ist wichtiger, als Sie vielleicht denken“, schreiben die Autoren. Mit ihrem Buch wollen sie zeigen, dass es mehr als okay ist, wenn man Vorräte anlegt, bevor alle in der Krise losstürmen. „Ein guter Hamster sein“, nennt Benjamin Arlet das. Na dann wollen wir mal.
Wir verlassen uns auf anfällige Infrastruktur
„Wir sind verwöhnt und unserem bequemen Alltag erwarten wir keine Störungen“, so Arlet. In anderen Ländern sieht das anders aus. Wir aber verlassen uns auf eine Infrastruktur, die anfälliger ist, als wir wahrhaben wollen.
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Auch der staatliche Katastrophenschutz baut darauf, dass Bürgerinnen und Bürger sich im Ernstfall eine Zeit lang selber helfen können. Damit sich Retter um die wirklich verwundbaren in Krankenhäusern oder Seniorenheimen etwa kümmern können.
Katastrophenschutz kümmert sich zuerst um die Schwächsten
Im Ernstfall kann es dauern, bis Notinfratsruktur aufgebaut ist, der Wasserwagen kommt, Behelfshallen eingerichtet sind. Je größer das Problem, desto länger dauert es. Ganz unwahrscheinlich der Fall, dass Retter in der Not an jeder Tür klopfen und fragen, ob man noch genügend Wasser und Essen für die nächsten Tage hat.

„Stellen Sie sich vor, in Berlin fällt für sechs Tage der Strom aus. Wären Sie eher eine Stütze oder eine Belastung für die Hilfskräfte?“, fragen Arlet und Schäfer in ihrem Vorwort. Wie unvorbereitet viele sind, zeigte sich, als im Februar 2019 in Köpenick über 30 Stunden der Strom ausfiel. Bei der Ausrüstung der Rettungskräfte und der Kapazität für Notunterkünfte und Essensausgaben gab es erhebliche Defizite. Gut dran ist dann derjenige, der ein paar Tage ohne Hilfe für sich und seine Lieben sorgen kann.
Doch was braucht man denn nun wirklich zum Überleben im Großstadtdschungel?
Sieben Grundbedürfnisse müssen bedacht werden
Die Survival-Experten identifizieren sieben Grundbedürfnisse, die bedient werden müssen:
1. Unterkunft & Witterungsschutz, 2. Feuer (Kochen & Heizen), 3. Wasser, 4. Unversehrtheit, 5. Orientierung, 6. Rettung, und erst zum Schluss Nahrung.
Fragt man Benjamin Arlet nach zehn Dingen, die man immer parat haben sollte, nennt er zuerst Wasser und Schutz gegen Kälte und Nässe. „Kälte und Nässe bringen einen zuerst um“, das ist eine Erkenntnis aus den Survivaltrainings, die er anbietet. Aber nicht nur im Wald sondern auch in der Stadtwohnung wird es ohne Strom und Gas schnell kalt. Ein Petroleumofen und das dazugehörige Öl können Abhilfe schaffen. Auch mit Schlafsäcken lässt es sich besser ausharren. Das Must-Have eines jeden Vorsorgers aber sind Rettungsdecken. Klein, leicht, billig vielseitig einsetzbar. Wird sofort auf die Einkaufsliste gesetzt.

Trinkwasservorräte oder ein Filtersystem, mit dem sich sauberes Wasser herstellen lässt, sind ebenfalls sinnvoll. Viele Ausrüstungsgegenstände haben Campingfreunde sowieso schon, seit dem Outdoor-Boom sind die oft günstig zu haben. Vorsorge muss also nicht teuer sein. Wer beim Einkauf immer ein bisschen mehr mitnimmt, baut nach und nach ein kleines Hamsterlager auf, welches auch bei überraschendem Besuch nützlich ist.
Notfall-Rucksack immer gepackt haben
Wer nachts vom Klopfen der Feuerwehr geweckt wird und seine Wohnung schnell verlassen muss, ist dankbar, wenn er einen Notrucksack schon gepackt hat. Darin (digitale) Kopien aller wichtigen Dokumente, Wärmeschutz, Regenschutz, etwas Nahrung, eine geladene Powerbank fürs Handy.

Neben der Ausrüstung und den Vorräten sind Wissen, wie man mit all dem Equipment umgeht, und ein funktionierendes soziales Netz nötig um gut durch Krisen zu kommen. Allein mit Konservendosen im Keller kommt keiner durch eine Krise. „Mindestens ebenso wichtig wie Ausrüstung sind die psychische und die körperliche Fitness“, so Benjamin Arlet.

Prepper: mit der Schrotflinte im Keller
Prepper, das sind eben nicht nur Leute, die mit Schrotflinte und Konservendose im Keller sitzen. „Zu tief im Kaninchenloch“, seien solche Extrem-Vorsorger abgetaucht, sagt Arlet. Zu lange habe der Fokus in der Öffentlichkeit auf solchen Extrembeispielen gelegen. Mittlerweile aber seien die vor Jahren oft hämischen Berichte über die Konservendosen-Horter-Szene heute weniger geworden. Spätestens seit es in der Pandemie leere Toilettenpapier-Regale gab, haben wir Normalo-Hamster eine Ahnung davon bekommen, dass das Eis auf dem wir unsere Wohlstandpirouetten drehen doch dünner ist, als wir wahrhaben wollen.

Abtauchen in die Prepper-Szene, in der sich auch rechte Hysteriker tummeln und die sich lieber heute als morgen in ihren bestens ausgerüsteten Bunkern verschanzen würden, muss man deswegen noch lange nicht. Krisen-Vorsorge ist salonfähig geworden.
Unabhängigkeit im Krisenfall
Ganz so weit, wie die Profi-Prepper muss es ja nicht jeder treiben. „Jedes Teil, das unabhängiger macht, ist im Zweifelsfall nützlich“, so Arlet. Auch verschiedene Szenarien im Kopf durchzuspielen hilft, im Ernstfall schneller reagieren zu können. Sei des die erste Hilfe bei einem Unfall oder ein Stromausfall. Vorsorge als Versicherung für den Fall der hoffentlich nicht eintritt, hat etwas beruhigendes. Es ist gar nicht so schlimm ein Hamster zu sein, lerne ich aus dem Buch. Bei uns gibt es jetzt öfter Dosenbohnen und Nudeln mit Tomatensoße -damit im Lager Platz geschaffen wird: für neue Vorräte.
Das Bundesamt für Katastrophenschutz hat auf seiner Webseite Hinweise und Checklisten für die Vorsorge gelistet. Hier wird unter anderem empfohlen folgende Vorräte anzulegen:
Vorräte anlegen
- Essen und Trinken für 10 Tage
- Lebensmittel nach dem Prinzip „lebender Vorrat“, das heißt aufbrauchen und neu kaufen
- 2 Liter Flüssigkeit pro Person und Tag
- Vorrat Stück für Stück aufbauen
- Hausapotheke aktuell halten
- Dokumentenmappe anlegen mit Familienurkunden, Sparbüchern, Versicherungspolicen, Rentenbescheinigungen, Zeugnisse, Kopie von Personalausweis, Führerschein, etc.
- Kurbelradio oder batteriebetriebenes Radio zulegen
- geladene Powerbank für Handys bereit halten