Der faule Zahn war der Grund allen Übels.
Der faule Zahn war der Grund allen Übels. Foto:  dpa/stache

Es handelte sich um eine Dame, das ist zumindest klar. Ihre Überreste wurden im Mai von Archäologen in der Uckermark entdeckt. Stück für Stück gibt sie ihre Geheimnisse frei, einige wird sie aber für sich behalten.

Etwa 5300 Jahre alt, weiblich und mit grazilem Körperbau: Das im Mai in der Uckermark in Brandenburg bei archäologischen Grabungen entdeckte Skelett entpuppte sich später bei genaueren Untersuchungen als etwas Besonderes. Jetzt versucht die Wissenschaft, die Dame aus der Jungsteinzeit - entdeckt in Bietikow - näher kennenzulernen. „Der Leichnam wurde allein bestattet, es gab kein weiteres Gräberfeld und es fehlten Grabbeigaben wie Keramiken oder Schmuck zur genauen Datierung“, sagt die Berliner Anthropologin Bettina Jungklaus, die für das Brandenburger Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum freiberuflich arbeitet.

Lesen Sie auch: Alte Brandenburger liebten ihre Rindviecher>>

„Es war kein gewöhnliches Grab“, erinnert sie sich an die erste Begegnung auf der Grabungsstätte. Dort wird nun ein Windrad gebaut. Vorsichtig seien die Knochen freigelegt und dann gesäubert worden. Die Beine lagen in größerer Tiefe, mussten extra geborgen werden.

Die Anthroplogin Bettina Jungklaus mit dem Schädel der Frau.
Die Anthroplogin Bettina Jungklaus mit dem Schädel der Frau. Foto: dpa/Stache

Die Fachleute erkannten schnell, dass alles auf eine Hockerbestattung hindeutete. Das sei zwar keine wissenschaftliche Sensation, jedoch ein durchaus seltener und aufregender Fund, hatte Archäologe und Grabungsleiter Philipp Roskoschinski gesagt, dessen Firma Archaeros im Auftrag des Unternehmens arbeitet, das die Windräder errichtet. Gemäß den Bestimmungen des brandenburgischen Denkmalschutzes sondierte er das Terrain vor Beginn der Bauarbeiten. Die Tote ruhte auf der rechten Seite, Beine und Arme waren angezogen. Der Kopf war nach Osten gerichtet, der Blick nach Norden.

Über die C 14-Methode, auch Radiokohlenstoffdatierung genannt, konnte mittlerweile das Alter des Fundes bestimmt werden. Die Frau habe etwa zwischen 3400 und 3100 v. Chr. gelebt, sagt Jungklaus. Sie ist damit über 5000 Jahre alt.

Damit sei die Datierung in der Trichterbecherkultur bestätigt, sagt Christof Krauskopf, Sprecher des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums. Für Brandenburg sei das ein seltener und besonderer Fund. Aus jener Zeit stammten die ältesten Befunde von Wagen und Rädern in Europa. „Die ‚Dame von Bietikow‘ ist eine stumme Zeugin einer Zeit, welche umfassende Veränderungen mit sich brachte“, sagt Grabungsleiter Roskoschinski.

Die Frau war zum Zeitpunkt ihres Todes etwa 30 bis 45 Jahren alt, wie Jungklaus sagt. Gerade wurden Knochenteile für eine genetische Untersuchung an das das Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena weitergeleitet. „Wir erhoffen uns Angaben dazu, welche Gemeinsamkeiten die Frau mit anderen Bevölkerungsgruppen in jener Zeit hatte. Kamen sie und ihre Vorfahren aus dem Vorderen Orient oder war sie verwandt mit der Urbevölkerung, die damals auf dem heutigen Gebiet Brandenburgs lebte?“, fragt sich Jungklaus.

Einige der Knochen eines Skeletts liegen neben einer Lupe und einem Messschieber auf einem Tisch.
Einige der Knochen eines Skeletts liegen neben einer Lupe und einem Messschieber auf einem Tisch. Foto: dpa/Stache

Man könnte damit auf genetische Beziehungen zu den Vorfahren schließen. „Es sind viele Puzzleteile, die zusammengesetzt werden und spannende Einblicke geben können“, sagt sie. Krauskopf ergänzt, dass gerade die Untersuchung alter DNA aus Skelettfunden viel zur Geschichte des Menschen, zur Siedlungsgeschichte und zur Erforschung der Migration der Vorfahren beitrage. „Der Mensch war schon immer unterwegs, schon immer ein Migrant“, sagt Krauskopf.

Bislang sei neben dem Alter bekannt, dass die Dame eher von graziler Statur gewesen sei. Wie groß sie genau war und ob sie Kinder geboren hatte, bleibt im Dunkeln. „Für diese Informationen fehlen wichtige Knochen beziehungsweise sie sind defekt, wie etwa das Becken“, erklärt die Anthropologin.

Die Anthroplogin Bettina Jungklaus untersucht den Unterkiefer eines Skeletts.
Die Anthroplogin Bettina Jungklaus untersucht den Unterkiefer eines Skeletts. Foto: dpa/Stache

Die Jungsteinzeit-Frau musste wohl nicht besonders schwer körperlich arbeiten. „Darauf deutet nichts am Skelett hin“, sagt Jungklaus. „Das Gebiss war nahezu komplett, jedoch waren die Zähne stark abgenutzt.“ Das deute auf den Verzehr von Getreide hin, das zwischen Steinen gemahlen wurde. Abrieb von Mahlsteinen geriet mit ins Essen und beanspruchte den Zahnschmelz. Ein Zahn war den Angaben nach zudem stark von Karies befallen. Die verursachte Entzündung im Unterkiefer könnte zu einer Blutvergiftung und tödlichen Infektion geführt haben.

Auch das Aussehen der Frau wird wohl ein Geheimnis bleiben: Gesichtsrekonstruktionen anhand des Schädels kosten viel. „Ob wir das bei diesem Fund machen können, ist noch nicht entschieden“, sagt Landesamtssprecher Krauskopf. Ob und in welcher Form die Jungsteinzeit-Dame öffentlich präsentiert werden könne, hänge besonders von restauratorischen Erwägungen ab. Eventuell bleibe sie sicher aufbewahrt in der Magazinsammlung des Landesamtes - bereit für die Wissenschaft und mögliche weitere Untersuchungen.