Der klare KURIER-Kommentar

Wahlwiederholung angeordnet: Ein Tritt ans Schienbein

Das Wahldebakel ist kein einmaliger Unfall, sondern Teil eines von Berlin selbstverschuldeten Verwaltungsversagens zulasten der Schwächsten

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Es geht nicht nur um Wahlen: Wohin führt der Weg für die Berliner Verwaltung?
Es geht nicht nur um Wahlen: Wohin führt der Weg für die Berliner Verwaltung?dpa/Gregor Breloer

Bäh, Verwaltung, braucht kein Mensch, viel zu viele Beamte, zu viel Bürokratie. Dass das alles Quatsch ist, beweist die vermurkste Wahl 2021 in Berlin. Denn ganz offenbar waren die Bezirke, die jahrzehntelang als Verantwortliche weitgehend problemlos die Wahlen in der Stadt gewuppt hatten, vor einem Jahr vollkommen überfordert.

Die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs, dass die Wahl zum Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksverordnetenversammlungen wiederholt werden muss, ist ein Tritt ans Schienbein der Politiker, dass die Berliner Verwaltung dringend geheilt werden muss.

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Ein Haufen trostloser Diagnosen

Die Diagnosen der Berliner Krankheit sind alle da: Schlechte Ausstattung. Kompetenzverlust durch den Abgang in Rente und Pension ohne Weitergabe des Wissens, weil Nachwuchs fehlt. Unterdurchschnittliche Bezahlung für komplexe Aufgaben – manche Ausschreibungen für den öffentlichen Dienst lesen sich wie die Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau – locken zu wenige Bewerber. Eine Flut neuer Vorschriften aus dem Bundestag und dem Abgeordnetenhaus überrollt die Mitarbeiter. Ein landeseigenes IT-Dienstleistungszentrum, das den Eindruck einer ahnungslosen Computer-Klitsche macht. Ein ständiger Zuständigkeitskampf zwischen Senat und Bezirken.

All das ist seit Jahren bekannt, es wird auch ein bisschen herumgeschraubt, aber so etwas wie ein Konzept ist nicht erkennbar, und wenn einer was vorschlägt, ist der andere dagegen. Das Thema ist ja auch nicht sexy, mit einer halben Milliarde (500.000.000!) Euro für Nahverkehr-Tickets kann man auch mehr Eindruck beim Wähler machen als mit einem funktionierenden Apparat.

Verwaltung muss gerade den Schwachen der Gesellschaft helfen

Dabei ist eine desolate Verwaltung nicht nur eine Katastrophe für die Demokratie, wenn Wahlen nicht funktionieren. Sie ist auch ein soziales Debakel. Denn wer braucht das Sozialamt, das Jugendamt, das Wohnungsamt? Eben.

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