Der Beatle und wie ihn die DDR sah
Vor 40 Jahren: Der Tag, als John Lennon starb
Mit den Beatles wurde er von der SED verteufelt, als Toter zum Helden der Arbeiterklasse gemacht. Drei DDR-Legenden, Dieter Birr, Jürgen Karney und Wolfgang Martin, erinnern sich

John Lennons Tod schockte vor 40 Jahren weltweit die Menschen. Auch in der DDR war die Trauer groß, als am Morgen des 9. Dezembers 1980 in den Radio-Nachrichten lief, dass in der Nacht zuvor der Ex-Beatle im Alter von 40 Jahren von einem wirren Fan in New York erschossen wurde. In fast jeder Familie, in Schulen oder Betrieben war sein Tod das Gesprächsthema. Die Stasi registrierte spontane Gedenkversammlungen der Beatles-Fans. Auch wenn diese der Staatsmacht nicht gefielen, nutzte sie die Trauer um Lennon für ihre Zwecke aus. Über Nacht machte die DDR-Propaganda aus dem toten Sänger und Millionär einen Helden der Arbeiterklasse.

Lennon und die Beatles: Die DDR-Staatsmacht hatte zu ihnen eine Art Hassliebe. Anfang der 60er-Jahre, als die große Karriere der Beatles begann, wurden ihre Songs mit Duldung der SED-Führung noch im Radio gespielt. Singles und ein Album erscheinen noch im April 1965 bei der staatlichen Plattenfirma Amiga.
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Doch ab Herbst 1965 war schon wieder Schluss damit, die Hardliner in der SED setzen sich durch. Anlass: die Krawalle beim Stones-Konzert in der West-Berliner Waldbühne. Man bräuchte ja nicht „jeden Dreck, der aus dem Westen kommt“, verteufelte Staatschef Walter Ulbricht die Beatmusik. „Mit der Monotonie des Yeah-Yeah-Yeah müsse man doch Schluss machen.“Erst der Machtantritt Erich Honeckers Anfang der 70er Jahre sorgte für eine kulturelle Wende, in der auch wieder Beatles-Songs gespielt wurden, auch drei Beatles-Alben erschienen zwischen 1974 und 1983.

Am Tag, als Lennon starb, war plötzlich jede einst geäußerte Kritik vergessen. Im DDR-Radio wurden massenhaft Beatles- und Lennon-Songs gespielt. In Jugendzeitschriften erschienen neben den Fotos der Pilzköpfe auch das legendäre Bild, das Lennon mit langen Haaren und Nickelbrille zeigt, und das in fast jedem DDR-Jugendzimmer hing. 1981 konnten DDR-Bürger auch das regulär letzte Solo-Album des Ex-Beatles, „Double Fantasy“, kaufen. 1983 folgte die Hit-Sammlung „Shaved Fish“. Und im selben Jahr erschien, was in der DDR zuvor noch undenkbar war, ein Buch über die Beatles.

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Wie sehr Lennon plötzlich ins politische Bild der DDR-Führung passte, zeigten die Nachrufe und spätere Berichte in den Medien über ihn. Auf einmal wurde der Ex-Beatle als begnadeter Künstler und Visionär gewürdigt. Gerade wegen seiner Songs wie „Give peace a chance“, „Power to the people“, „Working class hero“ oder „Imagine“ erhob man Lennon zum Rock-Rebellen, zum internationalen Friedenskämpfer, zu einem Menschen, der sich für die Unterdrückten in dieser Welt einsetzte. Ganz im Sinne der DDR-Propaganda wurde auch sein Tod dafür benutzt, um zu zeigen, wie brutal und gewaltbereit die kapitalistische Gesellschaft im Gegensatz zum friedlichen Sozialismus sei. Sogar von politischen Mord war in der DDR-Presse die Rede, die hinter den Schüssen auf den Sänger die CIA vermutete.

„Man hat aus Lennon einen Märtyrer gemacht“, sagt Radio- und TV-Mann Jürgen Karney, der in den 80er-Jahren im DDR-Fernsehen die Hitparade „Bong“ moderierte. „Dabei hat sich die DDR immer geziert, Persönlichkeiten aus dem Westen hochzujubeln. Das kam nur in Ausnahmefällen vor, wie bei dem US-Schauspieler Dean Reed oder der US-Bürgerrechtlerin Angela Davis.“
Welche politischen Möglichkeiten in Lennon steckten, habe die DDR schon lange vor seinem Tod erkannt, so Radio-Mann Wolfgang Martin, der Musiksendungen bei Sendern wie „Stimme der DDR“ moderierte. Etwa 1972, als der Ex-Beatle das Doppel-Album „Some time in New York City“ veröffentlichte. „Er war ja tatsächlich ein Künstler, der öffentlich gegen den Vietnam-Krieg protestierte, sich bei vielen gesellschaftlichen Themen politisch engagierte“, sagt Martin. „Das zeigen vor allem Songs auf diesem Album wie ‚Woman is the nigger of the world‘ und vor allem ‚Angela‘, dass Lennon Angela Davis widmete, die in der DDR sehr verehrt wurde. Das kam in den USA nicht besonders an, dafür in der DDR, wo Angela Davis politisch gefeiert wurde.“ In Sendungen wurde die Platte und deren politischer Inhalt ausführlich besprochen, die Songs übersetzt. „Das half, dass wir im Ost-Radio Lennon- und Beatles-Songs spielen konnten, ohne Probleme von den Funktionären zu bekommen.“

Mit Lennons Tod habe die DDR nun ihre Propaganda mit dem Ex-Beatle noch eine Stufe weiter hochgeschraubt. „Sein ,Give peace a chance‘ nutzte die FDJ damals für fast jede ihrer Friedensveranstaltungen und -konzerte“, sagt Martin. Außerdem wurden Bands in der DDR beauftragt, Lennon-Hommage-Lieder zu produzieren. Es war schon schlimm, so Martin, „dass nun jede Provinzband ein Lied über den Ex-Beatle machen konnte.“

„He, John“ von den Puhdys war kein Werk im Staatsauftrag. Das Lied, in dem aus Sicht eines Fans an Lennon erinnert wird und das mit Lennons-Stimme aus „Imagine“ endet: Es entstand, als die Puhdys gerade von dem Tod des Ex-Beatles erfahren hatten. „Wir waren an dem Tag nahe bei London, um unser englisches Album ‚Far from home‘ aufzunehmen“, sagt Dieter „Maschine“ Birr. „Als die Todesnachricht kam, brach unser Produzent, der auch Musikjournalist war, die Arbeit im Studio ab, um einen Nachruf auf John Lennon zu schreiben. Ich setzte mich ans Klavier, spielte mit einem Finger den Anfang einer Melodie, die mir gerade in diesem Moment einfiel. Ich wusste, dass aus ihr ein Lied für Lennon wird.“
Burkhard Lasch schrieb den Text zu „He, John“. Die Puhdys nahmen es 1981 im Amiga-Studio an der Brunnenstraße auf. Die Ballade im Gedenken an Lennon wurde ganz ohne Staatsauftrag ein Hit. Nicht nur in der DDR, auch im West-Radio wurde die Single immer wieder gespielt.